
Einigkeit herrschte bei den Teilnehmenden, die im Rahmen des bundesweiten Forschungsprojekts „6G-Health“ an der Charité zusammengekommen waren: Im Gesundheitssystem der Zukunft muss der Mensch im Mittelpunkt stehen. Gemeint sind hier nicht nur Patientinnen und Patienten sondern auch Angehörige und das medizinische Fachpersonal.
Bei dem Treffen ging es vor allem um die Frage, wie medizinische Anwendungen im Zusammenspiel mit Kommunikationsnetzen die klinische Zusammenarbeit und damit den Behandlungsalltag von Patienten erleichtern und inhaltlich verbessern können. Ansätze und Ideen gibt es viele: Herzerkrankungen, Bluthochdruck oder Diabetes sollen sich beispielsweise in Zukunft von Patienten und Pflegenden über vernetzte Wearables nicht nur beobachten, sondern auch skalierbar auswerten lassen. Computergestützte Exoskelette können Patienten zu mehr Bewegungsfreiheit verhelfen und die Pflegenden beim Umgang mit Bettlägerigen unterstützen.
Und auch an anderer Stelle kann das Gesundheitswesen von Digitalisierung und neuen Technologien profitieren. Denn Fachkräftemangel oder zu lange Liegezeiten von Patienten gefährden die Patientenversorgung. Digitalisierung, neue Technologien und Vernetzung sollen dieser Entwicklung entgegenwirken.
Mit Hilfe von 5G-Netzen smart werden
Um die Vision vom smarten Krankenhaus zu verwirklichen braucht es schnelle Mobilfunk-Netze. Die Datenströme müssen schnell und zuverlässig vererbietet werden können. Dies ist bereits mit Hilfe des 5G-Standards möglich, besonders sicher in 5G-basierten Campus-Netzen. Mit dem Nachfolge-Standard 6G soll das Mobilfunk-Netz dann noch leistungsstärker werden.
5G Campus-Netze sind lokale, örtlich begrenzte Mobilfunk-Netze auf einem Krankenhausgelände. Meist sind sie der Öffentlichkeit nicht zugänglich und sollen so die sensiblen Daten schützen. Zudem seien sie präziser, stabiler und sicherer als WLAN-Netze. Der Vorteil des Einsatzes von Edge-Computing auf dem Gelände einer Klinik wird mit der Nähe der Daten zur Datenquelle beschrieben. Für Datenverarbeitung, -analyse und -speicherung würden die langen Wege zu Servern an anderen Standorten wegfallen.
Vernetzung zwischen den Versorgern, möglichst sektorenübergreifend, wird ein Schlüssel zur digitalen Transformation sein.
Susanne Schlagl, Leiterin von Vodafone Health, sah die kommende Krankenhausreform als Chance, schon heute die Grundlage für die „smarten Kliniken“ der Zukunft zu legen. „Vernetzung zwischen den Versorgern, möglichst sektorenübergreifend, wird ein Schlüssel zur digitalen Transformation sein und zur erhofften Qualitätssteigerung beitragen“. Bei der jetzt beginnenden Standardisierung von 6G müsse man mit Medizinern und Pflegekräften zusammenarbeiten. So könne man den Standard auf Basis deren Erfahrungen und Arbeitsabläufen definieren.
Dr. Ralf Irmer, Projektleiter 6G-Health und Leiter des neuen Vodafone Tech Innovation Centers in Dresden, wies darauf hin, dass ein kommerziell verfügbares 6G-Netz nicht vor 2030 zu erwarten sei. Er betonte, dass bereits das heutige 5G-Netz für die Patientenversorgung auf dem Land und in Kliniken viele neue Möglichkeiten biete: „Im ländlichen Raum verbessert die videobasierte Online-Sprechstunde den Zugang zu Ärzten. Smarte Diagnostikgeräte wie der mobile Ultraschall übertragen in Echtzeit hochauflösende Bilder auf das Smartphone eines Arztes auf einer anderen Station.“
6G wird die medizinische Versorgung und Forschung grundlegend verändern.
Die Notwendigkeit von Forschungsprojekten betonte Prof. Dr. Thomas Neumuth, technischer Direktor ICCAS an der Universitätsmedizin Leipzig und stellvertretender Projektleiter 6G-Health: „6G wird durch die Verknüpfung mit biomedizinischen Technologien und verbesserten KI-Funktionen die medizinische Versorgung und Forschung grundlegend verändern.“ Dies ermögliche Echtzeitüberwachung und -behandlung von Patienten und reduziere Kosten.
Für Prof. Dr. med. Sascha Treskatsch, Direktor der Klinik für Anästhesiologie mit Schwerpunkt operative Intensivmedizin am Campus Benjamin Franklin der Charité – Universitätsmedizin Berlin ist der vernetzte Operationssaal ein erster Schritt in Richtung smarte Klinik. Als weiteren Schritt nennt er den einfachen Austausch von Biosignalen innerhalb des Gesundheitssystems, welcher zudem die Ableitung patienten-spezifischer Grenzwerte durch KI-Analysen ermögliche. „Mithilfe solcher Echtzeit-Unterstützungssysteme könnten wir die perioperative Versorgung individualisiert für den einzelnen Patienten verbessern und Komplikationen vermeiden.“
Über das Forschungsprojekt 6G Health
Das Forschungsprojekt „6G-Health“ werden 6G-Komponenten für zukünftige Medizintechnikanwendungen entwickelt und gemeinsam mit klinischen Partnern analysiert. 6G-Health wird von Vodafone geleitet und vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) mit zehn Millionen Euro gefördert. Ausgelegt ist das Projekt auf drei Jahre.
Seit Februar 2023 sind 19 Partner daran beteiligt Grundlagen und Anforderungen für 6G-basierte medizinische Anwendungen zu erarbeiten. Im Team sind anderem die Charité, das ICCAS (Innovation Center Computer Assisted Surgery) des Uniklinikums Leipzig, Fraunhofer HHI, Infineon Technologies und die Siemens AG. Die Forschungsergebnisse sollen dann in den internationalen Standardisierungs- und Zulassungsprozess für den Mobilfunk-Standard 6G einfließen.
Im Fokus der Forschung stehen Anwendungen aus drei Innovationsfeldern. Zum einen sollen Biosignale wie Blutdruck, Körpertemperatur, Atemfrequenz und andere Vitaldaten des Patienten erfasst und in Echtzeit übertragen und verarbeitet werden. Im zweiten Feld soll erforscht werden, wie Ärzte sowie Pflegekräfte zukünftig von neuen Formen der Zusammenarbeit profitieren können – zum Beispiel durch Anwendungen aus dem Umfeld der erweiterten Realität (AR) oder Telemedizin. Im dritten Forschungsfeld geht es um die Vernetzung medizinischer Geräte und die Kommunikationsinfrastruktur für das zukünftige smarte Krankenhaus.





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