
Am 15. Oktober startet in der Ambulanz der II. Medizinischen Klinik der Universitätsmedizin Mannheim der Studienbetrieb mit dem digitalen Aufnahmeverfahren Tedias (Test- und Entwicklungszentrum für Digitale Patientenaufnahmesysteme). Zunächst sollen 15 Patientinnen und Patienten die neue digitale Aufnahme und eine gleich starke Kontrollgruppe das bisherige analoge Aufnahmeverfahren durchlaufen. Tedias wurde seit März 2021 vom Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung IPA, dem Universitätsklinikum Mannheim (UMM) sowie weiteren Konsortialpartnern entwickelt.
Durch das digitale Aufnahmeverfahren haben wir mehr Zeit für den einzelnen Patienten.
Die Idee: Während der Patient auf seine Aufnahme wartet vergeht wertvolle Zeit, in der er sich im Wartebereich nützlich machen kann. Der Patient soll sich aktiv am Aufnahmeprozess beteiligen und angeleitet zum Beispiel verschiedene Vitalparameter digital messen und elektronische Fragebögen ausfüllen. Tedias wertet die ermittelten Daten automatisiert in wenigen Sekunden aus und überträgt sie an das Krankenhausinformationssystem. Da der gesamte Prozess durchgehend digitalisiert und standardisiert ist, liegen sämtliche Daten in strukturierter und damit in einer auswertbaren Form vor.
Die behandelnden Ärztinnen und Ärzte können so bereits vor der Untersuchung alle medizinisch relevanten Informationen zum Patienten abrufen. „Durch das digitale Aufnahmeverfahren haben wir mehr Zeit für den einzelnen Patienten“, stellt Prof. Dr. med. Sebastian Belle fest. Der Leiter der Zentralen Interdisziplinären Endoskopie der II. Medizinischen Klinik war an der Entwicklung von Tedias beteiligt und leitet die aktuelle Studie.
Patienten können Werte selbst ermitteln
Tedias ist als Untersuchungskabine konzipiert. Für den Studienbetrieb stehen die Komponenten – ein Stuhl für die Messungen sowie ein Bildschirm für die Befragung der Patienten – in einem Untersuchungsraum der II. Medizinischen Klinik. Ein Nebenraum bietet die Möglichkeit, die Studienteilnehmer während der digitalen Aufnahme zu beobachten. Die Patienten nehmen auf dem bequemen Stuhl mit grünem Bezug und breiter Armlehne Platz. Die Fraunhofer-Forscher haben den Stuhl mit verschiedenen Sensoren und Messgeräten bestückt.
Tedias soll keine Insellösung sein, sondern sich in die Prozesse einer Klinik und in Produkte verschiedener Hersteller integrieren lassen.
Herzfrequenz, Sauerstoffsättigung, Handkraft und Gewicht können die Patienten selbst mit den integrierten Sensoren messen, die Körpertemperatur erfassen sie über Infrarotsensoren. Eine Blutdruckmanschette gehört ebenfalls zur Ausstattung des Systems. „Tedias ist eine modulare Testplattform“, erklärt Dr.-Ing. Jens Langejürgen, Abteilungsleiter Klinische Gesundheitstechnologien am Fraunhofer IPA, der die Entwicklung des Systems geleitet hat. „Sie ist so konzipiert, dass wir andere Sensoren und digitale Lösungen einbinden können.“ Kliniken sollen den digitalen Aufnahmeprozess von Tedias an ihre individuellen Anforderungen anpassen und auch erweitern können. „Tedias soll keine Insellösung sein, sondern sich in die Prozesse einer Klinik und in Produkte verschiedener Hersteller integrieren lassen“, so Langejürgen.
Tedias soll Frust vermeiden und Fachkräfte unterstützen
Das System ist so ausgelegt, dass auch technische Laien die Messungen durchführen können. Zur Erfassung der Sauerstoffsättigung im Blut etwa müssen sie nur den Finger auf einen Sensor legen. Eine Anleitung zum digitalen Aufnahmeprozess und zu den Messungen erhalten sie von einem Avatar, der Professor Belle nachempfunden ist. Je nach geplantem Eingriff und dem Gesprächsverlauf können unterschiedliche Inhalte und Fragen eingebracht werden. Zukünftig könnte sich der Avatar auch für virtuelle Aufklärungsgespräche eignen. Fragen zur Krankengeschichte und zu den Symptomen beantworten die Patienten in einem digitalen Fragebogen, der auf einem in der Armlehne des Stuhls integrierten Tablet und auch auf dem großen Bildschirm angezeigt wird.
Unsere Untersuchungen haben ergeben, dass die Datenqualität der Patientenaufnahme nicht gut und oft auch unvollständig ist.
Bei Tedias steht nicht nur die Zeitersparnis im Fokus. Das System soll auch zu einer qualitativ besseren Dokumentation führen. „Unsere Untersuchungen haben ergeben, dass die Datenqualität der Patientenaufnahme nicht gut und oft auch unvollständig ist“, sagt Carina Müller, die das Dienstleistungscenter Therapie (Ergotherapie, Logopädie, Massage, Physiotherapie) an der Universitätsmedizin Mannheim leitet und an der aktuellen Studie von Tedias aktiv beteiligt ist.

In der Hektik des Arbeitsalltags kann es vorkommen, dass die Patientenaufnahme unterbrochen und zu einem späteren Zeitpunkt fortgesetzt wird. Dadurch entstehen Informationslücken. „Eine Prozessanalyse von 20 pflegerischen und ärztlichen Aufnahmen von elektiven Patienten hat ergeben, das zwölf dieser Aufnahmen im Klinikalltag unvollständig waren“, berichtet Müller. Bei 43 Prozent der Patienten sorgten überdies Doppelbefragungen durch Ärzte und Pflegekräfte für Frust.
Weitere Vorteile von Tedias: Von der verbesserten Datenqualität soll auch die Forschung profitieren. Das Klinikum wiederum wird von Dokumentationstätigkeiten entlastet und durch die interaktive Einbindung in den Aufnahmeprozess gehen die Patienten besser vorbereitet in das Gespräch mit dem Arzt. Für die Zukunft kann sich Langejürgen vorstellen, dass Tedias schon zu Beginn der Patient Journey eingesetzt wird. Den adaptiven Fragenbogen könnten die Patienten bereits im Vorfeld ihres Krankenhausaufenthalts zu Haus ausfüllen, und mit Wearables zumindest einige Vitalparameter vorab erfassen und an das Krankenhaus übermitteln, was organisatorische Entscheidungen bereits im Vorfeld ermöglichen würde.





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