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Landkreis Cham„Das ist jetzt die Aufgabe von Sana“

Im Landkreis Cham weicht das Krankenhaus Roding einem ambulanten Versorgungsangebot. Die Widerstände gegen den Gesundheitscampus aus dem Hause Sana waren groß. Nun hofft man auf eine positive Entwicklung.

Sana Gesundheitscampus Roding
Sana Kliniken
Der Gesundheitscampus Roding hat im April 2019 seinen Geschäftsbetrieb in den Räumlichkeiten des Rodinger Krankenhauses aufgenommen.

Im Osten Bayerns ist etwas gelungen, was in nur wenigen Kommunen gelingt: die Schließung einer Klinik im Austausch für den Aufbau ambulanter Versorgungsangebote. Nur widerwillig trennten sich die Bürger Rodings von ihrem Krankenhaus. Jetzt hoffen die Verantwortlichen, dass der „Sana Gesundheitscampus Roding“ Alternativen aufzeigen kann.

„Der Gesundheitscampus Roding wächst und gedeiht“, freut sich der Landrat des bayerischen Landkreises Cham, Franz Löffler (CSU). Aktuell, sagt Löffler, hätten sich vier Praxissitze angesiedelt: zwei im Fach Chirurgie, einer für Orthopädie und ein weiterer für Innere Medizin. Der komplette ambulante OP-Betrieb von drei Standorten sei in Roding zusammengezogen worden. Zwei urologische Praxen, eine Augenarztpraxis und eine HNO-Praxis außerhalb des Campusgeländes nutzten das OP-Zentrum ebenfalls für ambulante Eingriffe. Dessen OP-Säle seien an drei Tagen in der Woche voll ausgelastet. Im Januar ging ein neues MVZ für Psychiatrie und Neurologie den Start.

Schmerzhafter Strukturwandel

Bemerkenswert ist diese Aufzählung nicht nur, weil es auf dem Land überhaupt nicht mehr selbstverständlich ist, Medizinangebote anzusiedeln. Vor allem aber stand dort, wo heute ambulante Praxen und OP-Zentrum eröffnen, vor etwas über einem Jahr noch ein Krankenhaus. Dessen stationäre Kapazitäten wurden inzwischen in das 15 Kilometer entfernte Cham verlagert. Alles unter dem Dach der Sana Kliniken des Landkreises Cham.

Ein schmerzhafter Strukturwandel eigentlich, der in Deutschland in aller Regel nicht leise vor sich geht. Vielmehr ist die Schließung von Krankenhäusern – unabhängig von ihrer Größe oder dem Grad ihrer Nutzung – zumeist begleitet von emotional aufgeladenem Bürgerzorn, von Volksbegehren und Arbeitnehmerprotesten. 

Aus Sicht der Stadt Roding und für die Versorgung des Landkreises Cham kann das noch nicht alles sein.

Entsprechend fällt auch das erste Fazit der Bürgermeisterin von Roding, Alexandra Riedl, deutlich zurückhaltender aus: „Es gibt mittlerweile das MVZ von Sana vor Ort und einige ‚Neuerungen‘ wurden als Neuansiedlungen über die Presse angekündigt“, sagt sie. Die Stadt begleite den Prozess positiv. Man freue sich über jeden neuen Arzt. „Es passiert was“, sagt sie. Aber: „Wichtig ist, dass das bei der Bevölkerung ankommt, dass die Bürger wissen, welche Versorgung ihnen vor Ort angeboten wird, und dass es noch weiter geht und auch weiter gehen muss. Aus Sicht der Stadt Roding und für die Versorgung des Landkreises Cham kann das noch nicht alles sein“.

Die Kleinstadt Roding gehört zum Landkreis Cham, dem östlichsten Landkreis im Regierungsbezirk Oberpfalz. Etwa 130 000 Menschen leben hier. Weniger als 15 Minuten braucht man mit dem Auto vom idyllischen Roding nach Cham. Etwa 50 Kilometer sind es bis nach Regensburg mit seinem Universitätsklinikum. Cham sei das geografische Zentrum der Region. „Die Stadt zum Hauptstandort zu machen, war logistisch naheliegend“, sagt der langjährige Klinik-Geschäftsführer Klaus Fischer, der der bis Mai 2023 Geschäftsführer in Cham war und nun als Projektmanager den Gesundheitscampus Roding aufbaut.

Häuser bereits 2013 im Minus

Für die Versorgung der ortsansässigen Bevölkerung standen bis zu Beginn des vergangenen Jahres drei autark arbeitende Krankenhäuser zur Verfügung: in Cham, Roding und im 15 Kilometer entfernten Bad Kötzing. Im Jahr 2013 war die Sana Kliniken AG mit 74,9 Prozent eingestiegen, der Landkreis behielt 25,1 Prozent der Anteile. Schon damals waren die Häuser defizitär und konnten nicht voll ausgelastet werden. Die Belegungszahlen gingen zurück. Die Schwierigkeiten, Ärzte und Pflegepersonal in die Provinz zu locken, wurde verschärft durch die gegenseitige Konkurrenz: „Es geht letztlich immer um Ressourcen, um Wege und Personal“, sagt Fischers Nachfolger, Thomas Koch. 

Es geht letztlich immer um Ressourcen, um Wege und Personal.

Schon vor einigen Jahren entstand deshalb die Idee einer Zentralisierung mit gegenseitiger Aufgabenverteilung und enger Zusammenarbeit: Das 200-Betten-Haus in Cham sollte den stationären Betrieb übernehmen, Roding die ambulante Versorgung, einschließlich ambulanter Operationen, Bad Kötzing Rehabilitation und stationäre Pflege. In Roding sollten zudem neue Angebote an gesundheitsnahen Dienstleistungen aufgebaut werden: Apotheken, Sanitätshäuser und Physiotherapie. 

Kreistag beschließt Zentralisierung

„Die fortschreitende Spezialisierung in der Medizin und die Ausweitung des fachärztlich-ambulanten Spektrums verlangten passende Antworten“, ist Landrat Löffler überzeugt: Vor zweieinhalb Jahren beschloss der Kreistag die angedachte Zentralisierung. Inzwischen sei das Konzept weitgehend umgesetzt, sagen Kommune und Mehrheitseigentümer übereinstimmend. Sana investierte 30 Millionen Euro in den Klinikausbau am Standort Cham. „Mit diesem Konzept können wir die Strukturen ordnen, die Fläche bedienen und die Qualität steigern“, sagt Löffler.

Nicht ganz so überzeugt klingt Michael Jobst, Sprecher der Initiative Pro Gesundheit, die über Jahre für den Erhalt bestehender Angebotsstrukturen kämpfte: „Wir erhoffen und erwarten nun, dass mit dem neuen Konzept die Entwicklung endlich in eine positive Richtung geht“, fordert er. Der Personalmangel und kürzere Verweildauern in den Kliniken hätten zum Abbau des Standortes beigetragen: „Es war ein ‚schleichender Tod‘ des Krankenhauses Roding über mehrere Jahre hinweg“.

Durch das schrittweise Abbröckeln des Angebotes in Roding war der Zug irgendwann abgefahren.

„Über Jahre haben die Bürgerinnen und Bürger vor Ort und der ganze westliche Landkreis für „ihr“ Krankenhaus gekämpft“, sagt Bürgermeisterin Riedl. „Bei der Schließung war dann schon Resignation angesagt“. Was aus ihrer Sicht schließlich den Ausschlag gab: „Die Versorgung vor Ort war nicht mehr gegeben, da die Notaufnahme zeitweise schon geschlossen wurde und das Personal nicht mehr ausgereicht hat. Daher war der Aufschrei am Ende nicht mehr allzu groß“. „Durch das schrittweise Abbröckeln des Angebotes in Roding war der Zug irgendwann abgefahren“, bestätigt Jobst.

Beschleunigend wirkte nicht zuletzt die Pandemie: Roding wurde Corona-Zentrum für den Landkreis. Cham übernahm alle anderen Eingriffe und die Notfall-Versorgung. In Roding wurde also bereits seit einigen Jahren nicht mehr das komplette stationäre Spektrum angeboten. „Das hat einiges vorweggenommen“, sagt Koch. 

Außerdem griffen die Dinge offenbar zeitlich gut ineinander: Im vergangenen März wurde der stationäre Betrieb in Roding eingestellt. Zur selben Zeit konnten die Baumaßnahmen in Cham fertiggestellt werden, die Mitarbeitenden wurden im Krankenhaus Cham übernommen. 

Trend zum ambulanten Operieren

Das ambulante Spektrum werde kontinuierlich ausgebaut, betont die Sana. Durch die relative Nähe zum Regensburg falle es leichter, Fachärzte für eine Niederlassung in Roding zu interessieren. Viele Ärzte leben mit ihren Familien im Umkreis. Der Gesundheitscampus Roding, findet Jobst, sei durchaus zukunftsfähig: „Der Trend geht zum ambulanten Operieren“. Der Fokus auf ambulante Eingriffe bringe viele Vorteile, findet auch Thomas Koch: „Die Abläufe sind leichter zu planen und können verlässlich eingehalten werden, weil keine Notfälle dazwischenkommen. Das ist auch für die Patienten angenehmer“. 

Petition forderte Stopp der Pläne

Trotzdem hielt sich die Zustimmung zum geplanten Umbau der örtlichen Versorgungsstrukturen zunächst in Grenzen. „Selbst wenn große Veränderungen auf eine nachhaltige Verbesserung der Situation abzielen, wecken sie oft Unsicherheiten bei den Beteiligten“, formuliert Landrat Löffler. Die geplante Verlagerung des stationären Betriebs von Roding nach Cham sei in der Anfangsphase in Teilen der Rodinger Bevölkerung und der Belegschaft mit Skepsis aufgefasst worden. 

Im vergangenen Frühjahr überreichte eine „Aktionsgruppe Schluss mit Kliniksterben in Bayern“ eine Petition, die den sofortigen Stopp der Pläne forderte. Die Klinik in Roding sei für die Sicherstellung der flächendeckenden Versorgung unverzichtbar. Durch die Schließung der Akutmedizin würden knapp 10 000 Einwohner in der dünn besiedelten Region zu lange brauchen, um ein Krankenhaus der Grundversorgung zu erreichen. 

Frühzeitige und proaktive Kommunikation

„Im Mittelpunkt stand die Sorge vor einem Qualitäts- und Bedeutungsverlust des medizinischen Versorgungsstandorts“, sagt Löffler. Die Politik habe vor der Aufgabe gestanden, diese Bedenken mit innovativen Konzepten zu entkräften. „Der Schlüssel zum Erfolg war eine frühzeitige und proaktive Kommunikation“, sagt der Landrat. 

 „Ich wurde als Mitglied des Kreistages gemeinsam mit der Rodinger Bürgermeisterin gut in die Entscheidungsfindung bezüglich der Umstrukturierung des Standortes Roding einbezogen“, bestätigt immerhin der ehemalige Projektgegner Jobst: „Wir (die Mitglieder des Kreistages) konnten im Vorfeld die Vertragsentwürfe prüfen und diskutieren“.

Positive Entwicklung

Alle Konsequenzen müssten von Anfang an durchdacht werden, sagt Riedl: „Die Bürger beobachten natürlich jetzt schon genau, was passiert“. Mehrere Pressetermine habe die Stadt abgehalten, damit die Bürger wissen, was sie vor Ort finden und mit welchen Problemen sie sich an die Ärzte wenden können. „Man sieht aber auch, dass sich am Gesundheitscampus wieder etwas tut, dass Patienten da sind, dass Operationen stattfinden. Die Bürger nehmen die Gesundheitsversorgung vor Ort sofort an, wenn diese bekannt und einen guten Ruf hat. Das entwickelt sich momentan schon positiv“.

Ungemach droht derweil ausgerechnet von der Landesregierung. Der Freistaat fordert nämlich rund sieben Millionen Euro an früheren staatlichen Zuschüssen für das inzwischen umgewidmete Krankenhaus Roding zurück. Eine Entscheidung stehe noch aus, erklärt ein Sprecher und betont, dieses Thema werde künftig nicht nur die Sana betreffen. Sollte das Konzept der regionalen Aufgabenteilung zum Erhalt von Versorgungsangeboten Schule machen, dürften viele Häuser in die Verlegenheit kommen, mit ihren Trägern und der Landesregierung über frühere Zuschüsse zu diskutieren.

Landrat Löffler betont in Interviews, er sehe keine Verpflichtung zur Rückzahlung. Zweck der Förderung sei die Unterstützung der Gesundheitsversorgung der ländlichen Region gewesen. Das passiere schließlich am neuen Gesundheitscampus in Roding. „Entscheidend für das Gelingen des Konzeptes wird sein, dass eine große Bandbreite an Fachärzten für das Haus gewonnen werden kann“, fordert Bürgervertreter Jobst. „Das ist jetzt die Aufgabe von Sana“.

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