
Der Vorwurf war ein angeblicher Arbeitszeitbetrug von 28 Minuten. Weil Franziska Schlosser nach einem 24-Stunden-Bereitschaftsdienst eine knappe halbe Stunde zu früh gegangen sein soll, war der Ärztin der Helios Endo-Klinik in Hamburg im Juni 2023 fristlos gekündigt worden. Die Anästhesistin hatte das bestritten und Kündigungsschutzklage eingereicht. Am 23. Januar haben sich beide Seiten vor dem Arbeitsgericht Hamburg nun auf einen Vergleich geeinigt: Helios hält den Vorwurf nicht weiter aufrecht, das Arbeitsverhältnis wird beendet, und die Medizinerin bekommt eine Abfindung von 400 000 Euro.
Aktiv im Marburger Bund
Der Marburger Bund (MB), in dem Schlosser in verschiedenen Gremien aktiv ist und der ihre Prozessvertretung übernommen hat, vermutet nach eigenen Angaben, dass die Kündigung mit dem gewerkschaftlichen Engagement zusammenhing. Schlosser sei Mitglied der MB-Verhandlungskommission zum TV-Ärzte Helios gewesen und habe als Streikleiterin maßgeblich den Ärztestreik im März 2023 wie auch schon im Jahr 2021 organisiert.
Vor Tausenden Ärztinnen und Ärzten habe sie bei einer öffentlichen Kundgebung in Hamburg die Arbeitsbedingungen bei Helios kritisiert und sei unter anderem Protagonistin einer TV-Reportage zum Warnstreik gewesen. „Helios hat meiner Meinung nach versucht, eine unbequeme und gewerkschaftlich engagierte Mitarbeiterin einfach so loszuwerden“, sagt Dr. Pedram Emami, erster Vorsitzender des MB Hamburg.
Gewerkschaftliches Engagement wird von uns in keiner Weise behindert.
Von dieser Darstellung distanziere sich Helios klar, heißt es bei dem Konzern auf Anfrage von kma. „Gewerkschaftliches Engagement wird von uns in keiner Weise behindert“, sagt Christian Becker, Regionalleiter der Unternehmenskommunikation: „Es entspricht unserem Selbstverständnis, jedem Verdacht sorgfältig, neutral, unvoreingenommen und ergebnisoffen nachzugehen, um dann bei einer Bestätigung des Verdachts erforderliche arbeitsrechtliche Maßnahmen zu ergreifen.“ Dabei werde kein Unterschied gemacht, „welche Person mit welchem Amt davon betroffen ist“. Zum Ausgang des Kammertermins mit Schlosser vor dem Arbeitsgericht erklärt Becker: „Wir haben uns mit der Klägerin auf einen gerichtlichen Vergleich geeinigt und das Verfahren damit zu einem einvernehmlichen Abschluss gebracht.“
Helios sind klare Grenzen aufgezeigt worden.
Auch Katharina von der Heyde, Geschäftsführerin des MB Hamburg, äußerte sich zufrieden. Für Franziska Schlosser sei der Vergleich „eine Lösung, mit der sie rehabilitiert wieder nach vorne blicken kann“. Allerdings wäre die Ärztin, die laut MB mehr als 23 Jahre in der Klinik beschäftigt war, gerne an ihrem Arbeitsplatz geblieben, so die MB-Geschäftsführerin. Und auch das Gericht habe auf eine Lösung des Konflikts zur Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses mithilfe eines außergerichtlichen Mediationsverfahrens eingewirkt. „Dazu war Helios nicht bereit“, sagt von der Heyde: „Dafür müssen sie nun entsprechend tief in die Tasche greifen.“
Die Auseinandersetzung habe Franziska Schlosser „in den vergangenen Monaten sehr viel abverlangt“, ergänzt die erste Vorsitzende des MB-Bundesverbandes, Dr. Susanne Johna: „Trotz aller Einschüchterungsversuche ist sie standhaft geblieben und hat Rückgrat gezeigt.“ Jetzt sei man „sehr froh über die Rehabilitierung und die Tatsache, dass dem Helios-Konzern klare Grenzen aufgezeigt wurden“.





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