
Ökonomische, politische und gesellschaftliche Trends zwingen Unternehmen, ihre Personalpolitik grundsätzlich zu überprüfen und neu auszurichten. Angesichts zunehmender Arbeitsverdichtung müssen Prozesse optimiert und verschlankt werden. Entwicklungen wie beispielsweise die Digitalisierung beeinflussen die Anforderungen an den Arbeitsalltag der Beschäftigten erheblich.
Und zugleich gilt es, individuelle Lebenssituationen zu berücksichtigen und die aktive Teilhabe von Mitarbeitern zu gewährleisten. Das alles erfordert eine Personalpolitik, die eine Balance aus Sicherheit und Flexibilität für Beschäftigte und Arbeitgeber schafft. Doch damit nicht genug: In Zeiten des Fachkräftemangels und der wachsenden Herausforderung durch den demografischen Wandel ist es für Krankenhäuser unumgänglich, sich als attraktive Arbeitgeber zu präsentieren.
Entgegen der Annahme, dass die Unternehmenskultur die Personalpolitik bestimmt, kann die Frage nach der Henne und dem Ei in diesem Fall eindeutig beantwortet werden: Die Personalpolitik ist entscheidend für die nachhaltige Entwicklung der Unternehmenskultur, die Arbeitgeberattraktivität und letztendlich den Unternehmenserfolg. Führungskräfte tragen maßgeblich dazu bei, die Arbeitssituation attraktiv und motivierend zu gestalten sowie die Kompetenzen und Potenziale ihrer Teammitglieder zu fordern und zu fördern.
Mehr als hundert Berufsbilder
Doch lässt sich eine solche Personalpolitik mit den Ansprüchen an die Führungskräfte in den von Hierarchie geprägten deutschen Krankenhäusern überhaupt umsetzen? Erst recht in Universitätskliniken? Sind nicht gerade dort strikte Organisation und eindeutig definierte Entscheidungshierarchien erforderlich? Ohne Frage liegt eine besondere Herausforderung einer Uniklinik in der sehr heterogenen Belegschaft.
In der Regel treffen mehr als hundert verschiedene Berufsbilder aufeinander. Zudem spielen die einzelnen Fachbereiche in der Ausprägung differierender Werte, Rituale und Umgangsformen eine separierende Rolle – was einen Paradigmenwechsel in der Personalpolitik und der Führungs- und Unternehmenskultur zusätzlich erschwert. Das Universitätsklinikum Hamburg Eppendorf (UKE) hat mit dem Konzept „UKE INside“ eine eigene Antwort auf diese Fragen und Herausforderungen gefunden.
Kultur braucht Struktur
Entscheidend für eine beschäftigtenorientierte Personalpolitik ist nicht nur das Bekenntnis des Managements. Zunächst muss eine Struktur und Organisation geschaffen werden, um die Handlungsfelder und die resultierenden Maßnahmen nachhaltig beobachten zu können.
Zur Organisation der Personalpolitik existieren in der Krankenhauslandschaft allerdings nur wenige Modelle, die in der freien Wirtschaft längst etabliert sind. Betrachtet man produktions- und personalintensive Dax-Unternehmen, finden sich dort Arbeitsdirektoren und Vorstandspositionen in der höchsten Hierarchieebene. In ihrer Verantwortung liegen alle personalpolitischen Themen des Unternehmens.
In deutschen Krankenhäusern hat das Thema Personal bis auf wenige Ausnahmen nicht diese Bedeutung. Dort sind Personalbereiche in aller Regel als klassische Personalabteilungen unterhalb der kaufmännischen Geschäftsführung organisiert. Deren Fokus liegt naturgemäß auf der kostenorientierten Personalpolitik – und mit so etwas surreal Nichtmonetärem wie „Kultur“ ist man dort in der Regel überfordert. Wo es allerdings ausschließlich um Zahlen geht, wird meist zu spät bemerkt, dass sich die Beschäftigten bereits auf den Weg zu attraktiveren Arbeitgebern gemacht haben.
Eine etablierte Organisationsform
Auch die Krankenhäuser, welche die Bedeutung des Themas erkennen, verorten personalpolitische Handlungsfelder häufig in vorhandenen Strukturen. Einzelne Themen werden in Richtung der Personalabteilung, einer betriebsärztlichen Untersuchungsstelle oder einer für Personalentwicklung vorgehaltenen Ressource verwiesen – zumeist jedoch mit dem Ergebnis, dass die entsprechenden Stellen damit überfordert sind.
Deshalb bildet die Personalpolitik des UKE eine fest in das übergeordnete System des Unternehmens etablierte Organisationsform ab. Die Geschäftsordnung ist im Qualitätshandbuch hinterlegt, und das Berichtswesen an das Management sowie an die Belegschaft ist dort beschrieben. In Arbeitsgruppen werden Themen zur Führung und Qualifizierung, zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie und zum Gesundheitsmanagement diskutiert. Die Gruppen sorgen auch dafür, dass die Umsetzung angestoßen, evaluiert und, wenn erforderlich, optimiert wird.
Top Down – Bottom Up
Die berufsgruppenspezifische Säulenstruktur der klassischen KrankenhausBetriebsleitungen mit Medizin, Ärzten und Verwaltung lässt Interdisziplinarität vermissen und erschwert vielfach die Entwicklung von zeitgemäßen Strukturen. „UKE Inside“ versucht hier zu verbinden: In den hierarchie- und berufsgruppenübergreifenden Arbeitsgruppen werden die vom Top-Management vorgegebenen Ziele der beschäftigtenorientierten Personalpolitik behandelt.
Ihrerseits bringen die Arbeitsgruppen ihren Beitrag zur strategischen Ausrichtung der Personalpolitik in den übergeordneten Qualitäts- und Entwicklungsplan des UKE ein. Mitglieder des Top-Managements nehmen ebenso regelmäßig an den Gruppensitzungen teil wie Personalvertretungen, Beauftragte, Experten (wie Betriebsärzte oder Fachkräfte für Arbeitssicherheit) oder Mitarbeiter, die die Verantwortung für ein Thema übernommen haben.
Arbeitsleben mitgestalten
Partizipation ist ein wichtiger Grundsatz von „UKE INside“. Durch Mitarbeit in den Arbeitsgruppen kann jeder Beschäftigte der Uniklinik die Personalpolitik mitgestalten. Die Gruppen diskutieren die Themen unabhängig z. B. von der Zugehörigkeit zu einer Berufsgruppe oder einem Fachbereich, von der hierarchischen Stellung, von Geschlecht, Religion, Herkunft oder Alter. „UKE INside“ steht dafür, Räume und Gelegenheiten zu schaffen, in denen Unternehmenskultur diskutiert, weiterentwickelt und auch verändert werden kann.
Nachhaltig und nachvollziehbar
Die nachhaltige Umsetzung und Evaluation der Ergebnisse sowie die transparente Information über den Verlauf sichern die aktuelle Personalpolitik im Unternehmen. Die Ergebnisse der Arbeitsgruppen sowie die daraus resultierenden Maßnahmen und Angebote werden über verschiedene Kanäle kommuniziert. Informationen zur Gesundheitsförderung, zur Führungskräfteentwicklung oder auch zur aktuellen Befristungspolitik tragen dazu bei, dass Führungs- und Unternehmenskultur im UKE nachvollziehbar und greifbar werden.
„UKE INside“ steht für Mitarbeiterorientierung, für partizipative Führungskultur, für Unterstützung in der Vereinbarkeit von Beruf und Familie, bei der Karriereplanung und nicht zuletzt für attraktive Angebote im Rahmen der Gesundheitsförderung. Jedoch muss erwähnt werden, dass der Weg zur Kulturveränderung nicht einfach und ständig neu zu begehen ist.
Auch nach fast zehn Jahren „UKE INside“ haben noch nicht alle Führungskräfte das Prinzip und die Bedeutung verstanden oder umsetzen können. Auch nicht alle der rund 12 000 Beschäftigten sind überzeugt. Aber rund 90 Prozent von ihnen würden das UKE als Arbeitgeber weiterempfehlen. Die anderen zehn Prozent sind Grund genug, weiter „dran zu bleiben“.
Dieser Artikel ist erschienen in der aktuellen Ausgabe der kma Klinik Management aktuell.





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