


14 042 fachärztliche Gutachten zu vermuteten Behandlungsfehlern hat der Medizinische Dienst im Jahr 2020 erstellt. In jedem vierten Fall wurde ein Fehler bestätigt und ein Schaden festgestellt, in jedem fünften war der Fehler ursächlich für den Schaden. Das geht aus der aktuellen Begutachtungsstatistik hervor, die am 12. Oktober 2021 in Berlin vorgestellt wurde. Um die Patientensicherheit zu stärken, sollte der Blick auf besonders schwerwiegende, aber sicher vermeidbare Fehler gerichtet werden (sogenannte Never Events).
Die WHO fordert dazu die Einführung eines verpflichtenden Meldesystems und hat ihre Mitgluiedsstaaten dazu bereits aufgefordert. Zusätzlich hat sie im September die Patientensicherheit zum prioritären Gesundheitsziel erklärt.
Keine Verbesserungen seit Jahren
Die Gesamtzahl der ärztlichen Gutachten zu Behandlungsfehlervorwürfen liegt seit Jahren auf einem gleichbleibenden Niveau bei etwa 14 000 Fällen pro Jahr bundesweit. Im vergangenen Jahr bestätigte der Medizinische Dienst in 4099 Fällen einen Fehler und in 3550 Fällen einen Fehler mit Schaden. In 2826 Fällen stellten die Gutachterinnen und Gutachter fest, dass der Fehler Ursache des Schadens war. In Deutschland gibt es pro Jahr ungefähr 20 Millionen Klinikbehandlungen und knapp eine Milliarde Arztkontakte in den Praxen.
Rückschlüsse auf die allgemeine Fehlerhäufigkeit bei medizinischen Behandlungen können aus den Zahlen nicht gezogen werden, da es keine zentrale Erfassung gibt. So gibt es neben Beschwerdemöglichkeiten bei den Krankenkassen auch bei der Ärzteschaft Beschwerdestellen, zudem wenden sich manche Patienten direkt an Anwälte und Gerichte und viele Fälle dürften nicht bemerkt oder nicht gemeldet werden.
"Unsere Zahlen zeigen nur einen kleinen Ausschnitt eines Problems, das engagierter angegangen werden muss", sagte der Geschäftsführer des Medizinischen Dienstes, Stefan Gronemeyer. Man sehe immer nur die Spitze des Eisbergs. Gronemeyer sprach von empirischen Untersuchungen von Krankenhausakten, wonach die Zahl von Behandlungsfehlern ungefähr 30 mal so hoch sein könnte.
Klinik-Behandlungen am häufigsten beanstandet
Die meisten Vorwürfe, die Patienten erhoben, betrafen Behandlungen in Kliniken im Zusammenhang mit Operationen. In der aktuellen Begutachtungsstatistik des Medizinischen Dienstes betrafen zwei Drittel der Vorwürfe Behandlungen in der stationären Versorgung, zumeist in Krankenhäusern (9293 Fälle); ein Drittel bezog sich auf Arztpraxen (4723 Fälle). „Hintergrund dieser Verteilung ist, dass sich die meisten Behandlungsfehlervorwürfe auf operative Eingriffe beziehen, und diese erfolgen zumeist in der stationären Versorgung“, erläutert Prof. Dr. Astrid Zobel, Leitende Ärztin des Medizinischen Dienstes Bayern.
Knapp 31 Prozent aller Vorwürfe (4337 Fälle) betrafen die Orthopädie und Unfallchirurgie, 12 Prozent die Innere Medizin und Allgemeinmedizin (1634 Fälle),
9 Prozent die Allgemein-und Viszeralchirurgie (1296 Fälle), ebenfalls 9 Prozent (1198 Fälle) die Zahnmedizin, 8 Prozent die Frauenheilkunde und Geburtshilfe (1128 Fälle) und 6 Prozent die Pflege (899 Fälle). Rund 25 Prozent der Vorwürfe bezogen sich auf 29 weitere Fachgebiete.
"Eine Häufung von Vorwürfen in einem Fachgebiet sagt nichts über die Fehlerquote oder die Sicherheit in dem jeweiligen Gebiet aus", so Astrid Zobel. Fehler seien bei Operationen von Betroffenen meist leichter zu erkennen als etwa Medikationsfehler auf der Intensivstation.
Prävention muss ausgebaut werden
Gronemeyer forderte für eine bessere Prävention die Schaffung eines gesetzlichen Rahmens für ein Meldesystem sowie systematische Anstrengungen zur Reduzierung vermeidbarer unerwünschter Ereignisse und Vertrauensstellen, an die sich Ärztinnen und Ärzte bei schwerwiegenden Fehlern "angstfrei" und ohne Furcht vor Bestrafung wenden könnten. Sie sollten verpflichtend gemeldet, analysiert und für die Entwicklung von Präventionsmaßnahmen genutzt werden. Auch die Deutsche Stiftung Patientenschutz hält ein zentrales Register für Behandlungsfehler für dringend notwendig.
Es brauche alle Fakten, um aus Fehlern zu lernen, sagte Stiftungsvorstand Eugen Brysch der "Neuen Osnabrücker Zeitung".Er sprach sich außerdem für die Einrichtung eines mindestens 100 Millionen Euro großen Härtefallfonds für die Opfer von medizinischen Behandlungsfehlern aus. Dieser solle vom Staat und den Haftpflichtversicherungen der Krankenhäuser und Ärzte gefüllt werden.





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