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Interim-Management„Man muss eine gewisse Abenteuerlust mitbringen“

Klinikträger nutzen Interim-Manager wie Dr. Jan Schlenker als Joker für Umbrüche. Er kennt die Branche auch als Mediziner, Geschäftsführer und Berater. Wie erlebt er die Führung auf Zeit? Ein Gespräch über Abenteuerlust und den Fresh Look.

Dr. Jan Schlenker
Borchers & Kollegen
Dr. Jan Schlenker ist geschäftsführender Partner der Managementberatung Borchers & Kollegen.

Gibt es für Sie als Interim-Manager ein No-Go, Herr Schlenker?

Jan Schlenker: Ja, wenn ich bei der Anbahnung des Mandats nicht das Gefühl habe, dass die Gesellschafter und der Aufsichtsrat hinter mir und den erforderlichen Schritten stehen. Ich muss ein vertrauensvolles Verhältnis haben. Ich informiere regelmäßig über meine Pläne, Meilensteine, Restrukturierungsprogramme und möchte, dass man mich auch versteht und die Notwendigkeit sieht. Denn wenn die Luft mal dünn wird – ich mache mich im Unternehmen ja nicht immer nur beliebt – erwarte ich, dass die hinter mir stehen. Das war ein, zwei Mal nicht so.

Warum sind Sie Interim-Manager?

In meiner Zeit als Berater kam der Punkt, an dem ich gesagt habe, ich möchte das, was wir an Konzepten und Plänen erstellt haben, auch umsetzen. Ich fand das sinnvoll. Das mache ich gerne, und ich führe und kommuniziere auch gerne. Außerdem macht es unheimlichen Spaß, die Beratungs- und Managementwelt miteinander zu kombinieren.

Zur Person

Dr. Jan Schlenker (54) ist geschäftsführender Partner der Managementberatung Borchers & Kollegen (BK) in Münster. Zudem führt er mit Stefan Schad deren 2023 gegründete Interim-Tochter BKI. Schlenker ist Mediziner, hat als Arzt im Krankenhaus gearbeitet, dann BWL studiert und ist daraufhin relativ schnell ins Management gewechselt. Er war unter anderem Geschäftsführer des Krankenhauses Neuwerk der St. Augustinus-Gruppe und des Sana Klinikums Duisburg. 2013 ist er in die Beratung gegangen und war wie sein jetziger Gründungskollege Matthias Borchers Partner bei der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Curacon. Schon dort haben sie bis zu ihrer BK-Ausgründung im Jahr 2019 branchenfokussiert Krankenhäuser und Einrichtungen der Sozialwirtschaft beraten.

Wo liegen die Vorteile gegenüber der Festanstellung?

Ich kann mir für mich gar nicht vorstellen, 30 Jahre lang in derselben Einrichtung mit demselben Träger tätig zu sein. Erstens gibt es das immer weniger und zweitens ist das überhaupt nicht das Berufsbild für mich. Das würde mir nach fünf Jahren auf den Wecker gehen. Statistisch sehe ich einmal im Jahr ein ganz neues Unternehmen. Zwar nimmt mich die Stressphase am Anfang – Überblick verschaffen, Liquidität prüfen, Optimierungspotenziale finden und kommunizieren – jedes Mal mit, aber es macht einen irren Spaß, Dinge auf die Schnelle zu sortieren und den Leuten Sicherheit zu vermitteln. Deshalb verkrafte ich seit sechs Jahren auch den ganzen Stress ganz wunderbar.

Man wird total unerschrocken in Krisensituationen.

Was sind die drei wichtigsten Eigenschaften, die ein Interim-Manager braucht?

Man muss eine gewisse Abenteuerlust mitbringen, man darf nicht komfortzonenverliebt sein, und ich glaube, dass die meisten Dinge an der Kommunikation scheitern. Also muss man kommunikationsstark sein, und da kommt es weniger auf die Art an, sondern dass man überhaupt die wesentlichen Dinge kommuniziert. Das ist meist schon ein großer Fortschritt.

Und die Nachteile? Sie kommen doch nie wirklich irgendwo an, oder?

Das ist ein Nachteil, den ich gar nicht als solchen empfinde, denn dieser Wechsel, jedes Jahr eine neue Welt, sorgt ja für eine irre Lernkurve. Die Vorteile dieses Nie-Ankommens überwiegen bei mir völlig. Man wird total unerschrocken in Krisensituationen. Es erdet, sich auf das Wichtigste zu konzentrieren. Und das nimmt man auch ins Privatleben mit.

Was können Sie besser als die Festangestellten?

Ich denke, drei Sachen. Für die erste, den Fresh Look, kann ich nichts. Wir gehen ja völlig ohne Betriebsblindheit an die Aufgabe ran. So ist es viel einfacher, die Dinge, die funktionieren, von den Dingen zu unterscheiden, die nicht funktionieren. Wer zweitens weiß, dass er meist nur etwa ein Jahr da ist, kann auch gleich Vollgas geben. Da hat man in den ersten Wochen und Monaten eine andere Anfahrgeschwindigkeit als jemand, der sich eine Strategie für die nächsten fünf oder zehn Jahre zurechtlegen muss. Darüber hinaus wissen wir, wie man schnell Transparenz herstellt, wirtschaftlich und strategisch. Und wir sind geschult, unter Druck den Gremien Vorlagen zu präsentieren und sie dazu zu bringen, schnell eine einschneidende Entscheidung zu treffen, die sie in der Art vielleicht in den letzten zehn, 15 Jahren noch nie getroffen haben.

Ich freue mich jedes Mal, wenn eine als sehr wahrscheinlich eingestufte Insolvenz abgewendet werden konnte.

Sie kommen eigentlich immer in einer Krise, es gibt keine Entspannung. Wie gehen Sie damit um?

Das ist ein Stück weit der Reiz. Manchmal wünsche ich mir zwar etwas weniger Intensität, aber nach einer wichtigen Entscheidung durch eine gute Präsentation im Aufsichtsrat oder in der Gesellschafterversammlung, auf die ich hingearbeitet habe, stellt sich ja auch eine Entspannung ein. Es ist also nie ein konstant hoher Pegel, sondern danach denke ich immer: Sehr gut, Meilenstein erreicht, und jetzt machen wir uns auf zum Nächsten. Dieses An- und Entspannen wechselt sich häufig ab, und es gibt eine Balance. Mir gefällt das.

Gibt es die kritischste Phase in einem Mandat?

Ich glaube, es kommt im Wesentlichen darauf an, in den ersten Wochen über jede Zahl Bescheid zu wissen. Ich muss alles für mich sortiert haben. Das würde ich aber nicht unbedingt als kritischen Punkt bezeichnen. Ich persönlich habe, ich glaube, jetzt zweimal kritische Momente gehabt, wo ich mich abends im Hotel gefragt habe: Hast du dich da nicht übernommen? Kriegen wir die Insolvenz, beispielsweise, abgewendet? Oder hast du da zu laut wie ein Löwe gebrüllt? Wenn solche Selbstzweifel aufkommen, fühle ich mich nicht wohl – das sind für mich die kritischsten Momente. Aber solange ich mir sicher bin, dass das alles lüppt, wie wir am Niederrhein sagen, dann schlafe ich auch gut. Das Vertrauen zu sich selbst ist das A und O.

Was war Ihr persönlich größter Erfolg?

Ich freue mich jedes Mal, wenn in meinem Mandat eine zuvor als sehr wahrscheinlich eingestufte Insolvenz abgewendet werden konnte. Das sind immer tolle Momente. Da muss man manchmal auch sehr kreativ sein. Ich glaube, Sanierung lebt zu 80 Prozent durch Kommunikation und Ideenaustausch. Jedenfalls viel mehr als durch wissenschaftliche Stratifizierungsalgorithmen. Man muss einfach überall mal reinpiksen und schauen, ob man da einen Freund findet. Das macht dann Spaß.

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Wie gewinnen Sie das Vertrauen der Beschäftigten?

Ich glaube, der größte Fehler ist, sich Unsicherheit oder Angst anmerken zu lassen. Wenn Sie bei der Betriebsversammlung auch nur den Anschein erwecken, dass Sie selbst nicht sicher sind, haben Sie ein Problem. Es geht darum ganz ehrlich und authentisch zu sein und keine stratifizierte Kommunikationskampagne von sich zu geben. Einer Führungskraft steht es in einer Krisensituation auch gut zu Gesicht zu sagen, ich weiß auch nicht, ob wir das schaffen, aber lasst uns die Ärmel hochkrempeln und es gemeinsam versuchen. Dann fassen die Leute Vertrauen. Gerade in der Krankenhausbranche ist das entscheidend – wenn auch nur zwei Prozent der Mitarbeitenden kündigen, haben Sie sofort eine weitere wirtschaftliche Schieflage.

Gibt es so etwas wie Rituale, wenn Sie irgendwo neu beginnen?

Nein, eigentlich nicht. Aber ich versuche, überall sichtbar und erlebbar zu sein – damit ich kein Mysterium bin. Ich gehe eigentlich ungern in die Kantine essen, aber das mache ich in den ersten Wochen regelmäßig. Die Sichtbarkeit zu erhöhen, die über die normalen Unternehmenskommunikationskanäle nicht ohne Weiteres zu erreichen ist – das ist vielleicht schon eine Art Ritual.

Haben Sie den Eindruck, dass Sie so etwas wie der Dauer-Buhmann sind? Immer in der Schusslinie?

Für eine kleine Zahl von Mitarbeitern bin ich das sicher. Aber ich habe mich selbst nie als Dauer-Buhmann erlebt. Das sind wirklich Ausnahmen, wenn es um echte Veränderung geht, etwa um die Zusammenlegung von Häusern oder Abteilungen – wenn die Leute merken, dass sich das Machtgefüge richtig wandelt. In solchen Situationen bin ich kein gern gesehener Entscheider. Das ist aber viel seltener, als man das von außen meint.

Wenn ich dann mal zum Feindbild werde, kann ich erstaunlich gut damit leben.

Und das kann Jan Schlenker gut aushalten…

Genau. Wir müssen uns das vorher eben gut überlegen. Es gibt ja auch immer Kollateralschäden – es kann auch der Falsche gehen und der Falsche bleiben. Aber wenn es für uns in der Gesamtgüterabwägung richtig ist, mache ich das auch aus Überzeugung. Und wenn ich dann mal zum Feindbild werde, kann ich erstaunlich gut damit leben.

Und damit, dass sie eigentlich nie die Früchte Ihrer Arbeit ernten? Wenn Routine reinkommt, sind Sie ja schon wieder weg.

Ich bekomme schon, ich sage mal, für mein Seelenheil, Dankbarkeit und auch Lob, insbesondere von meinen Nachfolgern. Das tut schon sehr gut. Ich habe da sehr schöne persönliche Geschenke bekommen von Leuten, die heute noch Kontakt zu mir haben, also Nachfolger oder auch Aufsichtsräte oder Gesellschafter. Das gibt mir sehr viel, ein super Gefühl.

Wenn Sie einen Wunsch frei hätten, wie sähe Ihr Traummandat aus?

Ich glaube, das hatte ich sogar schon ein paar Mal. Vielleicht bräuchte es die zwei, drei schlaflosen Nächte nicht, die ich jeweils hatte. Ich glaube, wir haben die Unternehmen mehr als nur in eine stabile Seitenlage gebracht. Und ich glaube, was mich persönlich sehr gefreut hat, dass ich in der Belegschaft sehr viel Vertrauen gewonnen habe, auch von der Mitarbeitervertretung. Beim künftigen Traummandat wäre es allerdings schön, wenn es ein bisschen näher vor meiner eigenen Haustür liegen würde, dass ich nicht immer unter der Woche komplett in Hotels abtauchen muss.

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