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Corona-KriseSchutzkleidung für Pflegekräfte dringend benötigt

Kliniken in ganz Deutschland beklagen einen gefährlichen Mangel bei Schutzbekleidung. Nicht nur Mundschutzmasken fehlen. Nachschub kann derzeit fast ausschließlich aus China kommen – und das wird jetzt um ein Vielfaches teurer.

Schutzmaske
Ani Kolleshi/Unsplash
Symbolfoto

Achim Theiler setzt große Hoffnungen in diese Woche. In den nächsten Tagen erwartet der Geschäftsführer der Franz Mensch GmbH in der Firmenzentrale im oberbayerischen Buchloe Nachschub für das, was derzeit in Kliniken deutschlandweit fehlt: Mund- und Atemschutzmasken sowie weitere Schutzkleidung wie Overalls und Brillen. Theiler lässt sie aus China einfliegen, millionenfach, in mehreren Lieferungen – wenn nichts dazwischen kommt. Innerhalb der nächsten drei Wochen sollen insgesamt 22 Millionen Mundschutzmasken, eine Million Atemschutzmasken sowie Zehntausende Schutzoveralls und -brillen das Lager des Familienunternehmens in der Nähe des Ammersees erreichen.  

In Deutschlands Krankenhäusern sind die Vorräte für die Verbrauchsartikel, die normalerweise wie selbstverständlich verfügbar sind, auf ein Minimum geschrumpft. Vielerorts klagen Pflegekräfte, dass sie nicht mehr ausreichend vorhanden sind. Und mit diesem Problem, mahnt die Deutsche Interdisziplinäre Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI), „stehen die Kliniken aktuell ziemlich alleine da“.   Achim Theiler weiß, wie der Engpass vor allem entsteht: „Bis zu 95 Prozent dieser Einwegprodukte für den Weltmarkt kommen aus Asien. Die Stadt Wuhan in der chinesischen Provinz Hubei ist das Zentrum der Produktion.“ Auch Franz Mensch lässt seine Artikel dort herstellen. Doch die Millionen-Metropole stand wochenlang unter Quarantäne, zudem galt ein Exportstopp für die nicht nur in Deutschland so begehrten Hygieneartikel. Deshalb sind nicht nur in Buchloe keine Reserven mehr vorhanden, anderen Importeuren in Europa sei es genauso ergangen, sagt Theiler. Erst seit vergangener Woche können die Händler in China wieder ordern.  

Luftfracht sorgt für erhebliche Verteuerung  

Was unter normalen Bedingungen wochenlang auf Schiffen nach Deutschland transportiert wird, kommt jetzt per Luftfracht – „wahrscheinlich langfristig“, fürchtet Theiler. Denn dieser Versand erhöht die Kosten deutlich: „Für Mundschutz zahlen wir in China derzeit den 20-fachen Preis“, sagt der Firmenchef, „die Luftfracht sorgt für eine zusätzliche Verteuerung um den Faktor 30. Doch gerade die Masken sind für den Betrieb in den Krankenhäusern ja essenziell wichtig.“ Das oberbayerische Unternehmen macht mit Krankenhäusern nicht sein Hauptgeschäft, doch neben Händlern und Onlineshops zählen auch zahlreiche Kliniken zu den direkten Kunden – darunter die Berliner Charité und das Klinikum Großhadern in München. In normalen Zeiten liefert Franz Mensch monatlich im Durchschnitt eine Million Mundschutzmasken aus, in der Regel ist in Buchloe der Bedarf für drei Monate vorrätig.  

Unnötiger Zeitverzug  

Dass es zu dem aktuellen Engpass kommen konnte, ist für Achim Theiler unverständlich: „Wir haben schon Anfang Februar vor dem drohenden Mangel gewarnt und Gesundheitsminister Jens Spahn und mehrere Bundesbehörden mehrfach angeschrieben – doch keiner hat reagiert.“ Theiler registrierte damals „eine enorme Nachfrage, auch neuer Kunden.“ In Buchloe gingen Hunderte Aufträge für Mund- und Atemschutz ein, und innerhalb von zwei Tagen sei alles „bis auf eine eiserne Reserve“ ausverkauft gewesen. Zu den Abnehmern zählten Theiler zufolge auch Chinesen, die sich in großem Maße Waren sicherten, um sie dann per Luftfracht nach China zu verschicken.  

Als sein Team die Zusammenhänge erkannt habe, seien die verbliebenen Vorräte blockiert und nur noch direkt an Krankenhäuser und Ärzte verkauft worden, erklärt Theiler. An Minister Spahn appellierte er, die Vorräte bei Kliniken, Rettungsdiensten und Ärzten prüfen zu lassen und bei den Händlern vorsorglich Waren zu reservieren. „Doch im Februar wurde keine Vorsorge getroffen“, ärgert sich der Firmenchef: „Im Grunde haben die Verantwortlichen sechs Wochen verschlafen und nicht auf die absehbare Entwicklung in China reagiert oder aus den dortigen Erfahrungen gelernt.“ Keiner habe sich rechtzeitig die Mühe gemacht, „zu schauen, wie es in China war und wie viel Schutzmaterial wir in Deutschland wirklich brauchen werden“.  

Mittlerweile hat der Bund reagiert. Unter Federführung des Beschaffungsamtes der Bundeswehr wurde bei 23 deutschen und internationalen Lieferanten die Auslieferung von persönlichen Schutzausrüstungen in Auftrag gegeben. Insgesamt wurden Medizingüter, unter anderem 300.000 Schutzmasken und Schutzbrillen, Desinfektionsmittel und medizinisches Material, im Wert von 163 Millionen Euro zur Bewältigung der Corona-Krise eingekauft.  

„Der Staat muss Schutzkleidung bevorraten“  

Als Lehre aus der aktuellen Krise will Theiler in Buchloe künftig einen Jahresbedarf der Schutzartikel auf Lager halten, doch „neben der Privatwirtschaft sehe ich vor allem den Staat in der Pflicht, vorzusorgen und Schutzkleidung zu bevorraten“, sagt der Firmenchef: „Wir müssen es uns leisten können, dass Produkte wie Mundschutzmasken immer vorhanden sind.“ Die Masken etwa ließen sich fünf Jahre lang einlagern, sagt Theiler und schlägt eine zentrale Stelle vor, die langfristig die Versorgung der Krankenhäuser koordiniert: „Das muss in Zukunft ganz anders geplant werden.“

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