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Senkrechtstarterin des Jahres 2023Sophia Walczyk – Netzwerkerin mit Weitblick

Innovationen ins Krankenhaus zu bringen und Menschen interprofessionell miteinander zu verbinden, zeichnet die Arbeit von Sophia Walczyk aus. Seit Herbst 2023 leitet sie an der Universitätsmedizin Greifswald die Stabsstelle für Digitale Innovation und Kommunikation.

Sophia Walczyk
Thieme
Der Senkrechtstarterin Sophia Walczyk ist es wichtig, alle Personen auf dem Weg in die Digitalisierung mitzunehmen.

Ein rundes Gebäude, leicht futuristisch anmutend, ohne Ecken und Kanten, vor allem aber ohne trennende Wände – wenn Sophia Walczyk im Digitalen Innovationszentrum in Greifswald arbeitet, ist sie ganz in ihrem Element. Im Großraumbüro, wo sie an zwei Tagen in der Woche tätig ist, herrscht ein reges Kommen und Gehen. „Hier haben die Gedanken ihren freien Lauf“, sagt sie. Und: „Der Ausblick auf die Boote ist einfach schön.“

Das Digitale Innovationszentrum liegt am Museumshafen in Greifswald. Der Ryck fließt träge vorbei, ein paar Möwen sitzen am Ufer und mehrere Boote haben hier ganz in der Nähe zur Altstadt ihre Liegeplätze. Dass Sophia Walczyk Leiterin der Stabsstelle für Digitale Innovation und Kommunikation an der Universitätsmedizin Greifswald ist – wo sie an den übrigen Tagen der Woche im Büro arbeitet – und nicht die Geschicke eines Hafens lenkt, mag vielleicht Zufall sein. Zweifel, an genau der richtigen Stelle zu wirken, hat sie aber keineswegs.

Seit September 2023 hat Walczyk diese Position inne. Sie sieht sich als Vermittlerin und beschreibt ihre Rolle so: Wenn sich jemand mit einem Problem an sie wendet, arbeitet sie an digitalen Lösungsvorschlägen und vernetzt Personen miteinander, die bei der Umsetzung helfen können. Die digitale Transformation voranzutreiben, Ideen zu entwickeln und als Pilotprojekte umzusetzen, darum geht es bei ihrer Arbeit. Dabei versucht Sophia Walczyk, einzelne Projekte zu einer stimmigen Einheit zu verbinden. „Das große Ganze“ nennt sie das und wird diesen Ausdruck mehrmals wiederholen. Das Ziel: Mit Hilfe von Digitalisierung und künstlicher Intelligenz die Mitarbeitenden entlasten und so die Qualität der Gesundheitsversorgung aufrechterhalten.

Digitalisierung soll Menschen dienen

Wenn Sophia Walczyk von den Chancen spricht, die eine gut durchdachte Digitalisierung für das Gesundheitswesen bereithält, ist ihr Wunsch spürbar, Veränderungen anzustoßen. Von aufgekratzter Aufbruchsstimmung ist bei Ihr allerdings wenig zu bemerken. Ihr Ton ist ruhig, überlegt. Immer wieder erwähnt sie, wie wichtig es ist, alle Personen auf dem Weg in die Digitalisierung mitzunehmen. Neben Chancen auch die Risiken von künstlicher Intelligenz anzusprechen, sich kritisch damit auseinanderzusetzen.

Also eher kleine Schritte statt großer Sprünge? Das könnte für manche zögerlich klingen. Vielleicht auch für sie selbst, die es doch bisher gewohnt war, Projekte in Zeiträumen von Monaten und nicht Jahren zu denken. Aber letztlich, so ist Walczyk überzeugt, wird nur so der Wandel gelingen. Digitalisierte Prozesse und App-Lösungen nützen wenig, wenn niemand sie anwendet oder sie sich im Klinikalltag nicht bewähren. Ganzheitlich soll die digitale Entwicklung sein, den Menschen dienen. Das braucht Zeit.

Dass Sophia Walczyk sich einmal damit auseinandersetzen würde, Innovationen in Krankenhäuser zu bringen, hätte sie selbst nicht gedacht. Nach ihrem Wirtschaftsabitur in Meißen konnte sie sich erst nicht auf eine Berufsrichtung festlegen. Klar war nur, dass es sie in den Norden zog. An der Ostsee hatte sie Verwandtschaft, als Kind verbrachte sie die Sommerferien bei den Großeltern auf Rügen, lernte vom Großvater das Segeln. Abschalten bei Strandspaziergängen oder mit dem Segelboot raus aufs Meer zu fahren – das, was noch heute ihre Energiequelle und gleichzeitig ihr Ruhepol ist, wollte Sophia Walczyk zum festen Bestandteil in ihrem Leben machen. Ein Studium in Mecklenburg-Vorpommern war deshalb für sie nur folgerichtig, sie entschied sich für Wirtschaftswissenschaften mit Schwerpunkt Innovationsmanagement an der Universität Greifswald.

Sophia Walczyk wurde in Radebeul bei Dresden geboren. Nach dem Wirtschaftsabitur in Meißen studierte die heute 35-Jährige in Greifswald Wirtschaftswissenschaften mit Schwerpunkt Innovationsmanagement. Nach dem Studium fing sie 2017 in der Digitaleinheit der Rhenus Logistics in Berlin an. In der Sparte Rhenus Office Systems arbeitete sie daran, den papierlastigen Bereich digital aufzustellen. Sie half mit, eine Firma für die Digitalisierung von Patientenakten in die Rhenus-Gruppe einzugliedern, beriet Kliniken in diesem Bereich und baute ein Start-up mit auf, das Kliniken bei der Kodierung von Patientenakten mit Hilfe von KI unterstützt.

Im Mai 2022 zog es sie zurück nach Greifswald. An der Universitätsmedizin war Sophia Walczyk zunächst Referentin für Digitalisierung; seit September 2023 leitet sie die Stabsstelle für Digitale Innovation und Kommunikation und den Digital Health Hub.

Werkzeuge für den Wandel

„Du musst nicht wissen, was du willst. Du musst nur wissen, was du nicht willst“, zitiert sie ihren Großvater. Es ist ein Ratschlag, den sie befolgt hat. „Ich wollte nicht in klassische Krankenhaus-Sparten wie Controlling oder das Personalmanagement, wollte mich nicht durch Spezialisierung einengen“, erzählt sie.

Ich wollte nicht in klassische Krankenhaus-Sparten wie Controlling oder Personalmanagement.

Heute hat sie ein genaues Bild von dem, was sie erreichen möchte: Das Gesundheitswesen durch Digitalisierung optimieren. „Alle wollen dort etwas verändern, sie wissen nur nicht wie. Ich will die Werkzeuge für diesen Wandel anbieten.“ Zu dieser Erkenntnis kam Sophia Walczyk über Umwege. Nach dem Studium ging sie nach Berlin und fing 2017 bei Rhenus Logistics an, einem international agierenden Logistiker. Ursprünglich mit der Absicht, in die Hafenlogistik einzusteigen. Zunächst wurde sie jedoch Assistentin der Geschäftsführung in der Digitaleinheit der Rhenus Office Systems, die für die digitale Strategie des Papier- und Dokumentenmanagements zuständig war.

Dort kam Walczyk beruflich mit dem Gesundheitswesen in Berührung. Ein Unternehmen für die Digitalisierung von Patientenakten in der Nähe von Hamburg sollte in die Rhenus Gruppe eingegliedert werden. Zwei Jahre lang unterstützte sie die Geschäftsführung vor Ort bei der Umstrukturierung der Prozesse, lernte alles über die Digitalisierung von Patientenakten. In Krankenhäusern erfasste sie den Ist-Zustand der Prozesse und leitete daraus Digitalisierungsstrategien ab. „Bei diesen Prozessaufnahmen habe ich festgestellt, wie wichtig es ist, das Krankenhauspersonal zu entlasten“, erzählt die Managerin. Einen wichtigen Hebel, dies zu erreichen, sieht sie in der Digitalisierung und Automatisierung.

Aus einem Pilotprojekt zur digitalen Kodierung mit Hilfe künstlicher Intelligenz ging schließlich ein Start-up der Rhenus Gruppe hervor – die Medical AI Analytics and Information GmbH. Sophia Walczyk war maßgeblich am Aufbau des neuen Unternehmens beteiligt und übernahm dort auch ihre erste Führungsrolle.

Interprofessionelle Teamplayerin

Durch ihren täglichen Kontakt zu Kliniken und der Arbeit in einem interdisziplinären Team stellte sie fest: Die Häuser haben ähnliche Probleme. Einzelne Bereiche kommunizieren nicht miteinander, vorhandene Systeme funktionieren nicht reibungslos, Standards werden nicht genutzt und kaum jemand hat eigene Lösungsansätze für die Bewältigung des riesigen Dokumentationsaufwands. Zumal kaum Zeit vorhanden ist, um neben dem operativen Geschäft Projekte durchzuführen und sich vertieft mit dieser Thematik auseinanderzusetzen.

Walczyk wollte deshalb, statt weiter auf Seite der Industrie nur in begrenztem Umfang Unterstützung anbieten zu können, ins Gesundheitswesen wechseln und direkt helfen, Probleme zu lösen. Gleichzeitig zog es sie wieder zurück an die Küste. In dieser Situation habe sich gezeigt, dass KI funktionieren kann, scherzt Sophia Walczyk. Der LinkedIn-Algorithmus spielte ihr zum Jahreswechsel 2021 die Stellenausschreibung als Referentin für Digitalisierung an der Universitätsmedizin Greifswald aus. Die Kernaufgaben dieser Stelle: das Vernetzen von Akteuren in Mecklenburg-Vorpommern, das Voranbringen des Transformationsgedankens und innovativer Projekte. Im Mai 2022 fing sie in der Uniklinik der Hansestadt an.

Diese traditionelle starre Krankenhauswelt mit dem Start-up-Bereich zu verbinden, dadurch neue Ansätze zu finden und Impulse zu schaffen, ist mir wichtig.

Das Verknüpfen von Altem und Neuem reizt Sophia Walczyk: „Diese traditionelle starre Krankenhauswelt mit dem Start-up-Bereich zu verbinden, dadurch neue Ansätze zu finden und Impulse zu schaffen, ist mir wichtig.“ Ebenso elementar ist für sie ein ganzheitliches Denken. Die Sicht der Personen, die tatsächlich digitale Lösungen anwenden – wie Patientinnen und Patienten oder Mitarbeitende – werde noch nicht ausreichend berücksichtigt. Das gilt auch für Klinikbereiche außerhalb der eigenen Arbeitssphäre.

„Jeder denkt in seiner Blase.“ Diese Denkmuster will sie durchbrechen und holt dafür Personen aus allen Bereichen an den Tisch, um Prozesse neu zu denken. So wie beim ersten Healthcare Hackathon Mecklenburg-Vorpommern im vergangenen Juni, bei dem innovative Lösungen für existierende Probleme des Gesundheitswesens erarbeitet werden sollten. Sophia Walczyk organisierte die Veranstaltung. In einem halben Jahr Vorbereitungszeit führte sie tägliche Telefonate mit klinischem Personal und Unternehmen, um Themenfelder und Ideen zu sammeln. Und stellte die Teams zusammen, um die eingereichten Probleme bestmöglich lösen zu können. „Es ist erstaunlich, welche digitalen Lösungen in kurzer Zeit entstehen können, wenn interprofessionelle Teams zusammenarbeiten“, sagt sie.

Kommunikatorin für Transformation

Niederschwellig. Das ist das erste Wort, das Sophia Walczyk im Zusammenhang mit Innovationen im Gesundheitswesen nennt. Es muss an der Basis angesetzt werden, um Vertrauen und Akzeptanz für die Veränderungen durch Digitalisierung zu wecken. Das erste Projekt, das sie 2022 an der Universitätsmedizin umgesetzt hatte, war ein Weiterbildungsprogramm namens „DigitalLotse:in im Gesundheitswesen“. Interessierte aus dem stationären und ambulanten Bereich konnten lernen, wie beispielsweise eine App aufgebaut ist oder Datenschutz umgesetzt wird. Das sollte dazu befähigen, mehr digitale Kompetenz zu erlangen, die zunehmende Digitalisierung am Arbeitsplatz souverän zu meistern und andere anzuleiten.

Um die Digitalisierung im Krankenhaus voranzubringen, braucht es einen Organisationswandel. „Da sind wir im Gesundheitswesen im Vergleich zur Industrie mindestens fünf Jahre zurück“, sagt sie. Alles, was sie aktuell ansteuert, ist in der Industrie bereits seit Jahren ein Thema: die Änderung der Kommunikationswege, neue Arten des Zusammenarbeitens – losgelöst von hierarchischen Strukturen. „Ich glaube, allein das ist schon eine Innovation für Krankenhäuser“, bemerkt Walczyk.

Sophia Walczyk
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Ich sehe das Thema Kommunikation als Schlüssel für die Transformation, beides ist untrennbar miteinander verbunden.

Ihr Wechsel von der Industrie ins Gesundheitswesen bedeutet für sie vor allem eins: Alles dauert länger. Als Ursache sieht sie starre Verwaltungsstrukturen: „Die sind nicht mehr zeitgemäß und trotzdem werden sie nur langsam verändert.“ Sieht sie ein Problem, nennt sie es beim Namen. Und versucht, Ängste vor Veränderungen zu nehmen. Dafür braucht es auch eine bessere Kommunikation. Als die Stabsstelle Digitale Innovation und Kommunikation gegründet wurde, überzeugte sie mit ihrem Konzept für den Aufbau einer digitalen Kommunikation an der Universitätsmedizin und wurde als Leiterin mit der Aufgabe betraut. Website, Intranet und Social Media-Management sollen in Zukunft dazu beitragen, moderner und effizienter miteinander zu kommunizieren, bürokratische Hürden und die Kluft zwischen Berufsgruppen zu überwinden. „Ich sehe das Thema Kommunikation als Schlüssel für die Transformation, beides ist untrennbar miteinander verbunden.“

Teamarbeit stellt sie dabei über alles: Alle müssen gemeinsam an einem Strang ziehen, mit einbezogen werden. Als sie davon erzählt, zeichnet sie mit ihren Händen einen Kreis. Das „große Ganze“, da ist es wieder. Das gilt ebenso für das Dreierteam, das sie mit dem Leiter der IT und dem Leiter des medizinischen Prozessmanagements bildet. Die Veränderung der IT-Strukturen sowohl auf medizinischer wie auf pflegerischer Seite und zusätzlich die digitale Kommunikation müssen aus ihrer Sicht einen Gleichklang ergeben. „Ich sage immer, digitale Transformation im Gesundheitswesen ist eine Lebensaufgabe“, bemerkt sie und lacht. Sophia Walczyk ist bereit, diese Aufgabe anzugehen.

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