
Die aktuellen und zugleich zukünftigen Herausforderungen im Krankenhausbereich sind sehr vielfältig. Sie reichen vom Fachkräftemangel, steigender Arbeitsbelastung; Bürokratie und Dokumentationsaufwand, digitale Transformation bis hin zum demografischen Wandel und krisenhaften Ereignissen. Hinzu kommen, finanziell betrachtet, weniger Investitionsmittel seitens der Kostenträger. In Summe führt das zu einer teilweise sehr angespannten Situation. Diese Entwicklungen werden zunehmend durch steigende Kosten, anhaltende Inflation und inadäquate Finanzierungsstrukturen, steigende Personal- und Sachkosten sowie Insolvenzen verstärkt.
Dabei sind die Diskussionen um den Erhalt von Kliniken jedoch meistens monetär-finanziell geprägt, da die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen maßgeblich über den Fortbestand solcher Einrichtungen entscheiden. Krankenhäuser sind aber in erster Linie nicht nur Unternehmen, sondern Organisationen, in denen medizinische und pflegerische Leistungen erbracht werden. Damit dienen sie der Daseinsvorsorge und schaffen gesellschaftlichen Mehrwert. Mit Hilfe des Social Return on Investement (SROI)-Perspektivesansatzes lässt sich diese gesellschaftliche Funktion auch im Krankenhauskontext abbilden. SROI-Logiken können sich beispielweise in Partizipation, Steuer- und Beitragsrückflüssen, Lebensqualität, Effekten auf Regionalentwicklung und Standortattraktivität sowie gesellschaftlicher Resilienz ausdrücken.
Abgrenzung zu ROI & Definition von SROI
Der traditionelle Return on Investment (ROI) ist eine betriebswirtschaftliche Kennzahl, mit der das Verhältnis zwischen Investitionskosten und finanzieller Rendite und damit die monetären Effekte misst, während der SROI darüber hinausgeht und zusätzlich soziale, ökologische und gesellschaftliche Wertschöpfungen quantifiziert und monetarisiert. Abbildung 1 visualisiert die zentralen Unterscheidungen.
Definition SROI

Folgende Definition basiert auf dem ‚europäischen Sozialstaatsverständnis‘ und kann eine Orientierung darstellen: „Social Return in Investment (SROI) ist ein Ansatz zur Bewertung des gesellschaftlichen Mehrwerts von sozialen Maßnahmen und sozialen (…) Organisationen. Er stellt den sozialen Mehrwert (Social Return) in Relation zu den aufgewendeten öffentlichen und privaten Fördermitteln (Investments).“
Zielsetzung, Perspektiven und Vorgehen:
Zielsetzung der Berechnung des SROI im Sozial- und Gesundheitswesen ist es – ausgehend von Input, Struktur und Prozessen – den Mehrwert und die Wertschöpfung von Leistungen messbar und bewertbar zu machen. Der „Weg“ der Wertschöpfung und die Kausalzusammenhänge sind beispielhaft in Abbildung 2 dargestellt.
Dabei kann der Mehrwert, bezogen auf das Krankenhaus, aus der Perspektive verschiedener Stakeholder betrachtet werden: Aus Sicht der Patientinnen und Patienten, der Klinik bzw. des Gesundheitsunternehmens, des Sozial- und Gesundheitssystems bzw. des Staates, der Gesellschaft insgesamt sowie der jeweiligen Region. Diese verschiedenen Stakeholder werden anhand von Perspektiven im mehrdimensionalen SROI-Ansatz berücksichtigt (siehe Abbildung 3), welcher durch die xit GmbH entwickelt worden ist. Die sechs SROIs adressieren dabei verschiedene Stakeholdertypen und aggregieren die Wirkungen im Hinblick auf diese Stakeholder.
Das übergeordnete Ziel des SROI ist es, die Wirkungen messbar zu machen und in Relation zum eingesetzten Input zu setzen. Bei den SROI 1 bis 4 wird die Wirkung monetarisiert, bei den SROI 5 und 6 in Lebensqualität ausgedrückt. Ausgehend von der beschriebenen Zielsetzung und im Hinblick auf eine mögliche Umsetzung stellt der SROI eine Methode dar, mit der die komplexen Wirkungen gesundheitlicher und sozialer Leistungen erfasst und – soweit möglich – in belastbaren Zahlen ausgedrückt werden kann.
Wirkungsbeispiele
Die sechs SROI-Perspektiven werden im Folgenden im Kontext eines Krankenhauses anhand von Kernfragen beschrieben und mit entsprechenden Wirkungsbeispielen als Hypothesen aus bestehenden SROI-Studien versehen.
Die Wirkungsbeispiele sind in den meisten Fällen hypothetisch aus bestehenden SROI-Projekten (in der Sozial- und Gesundheitswirtschaft) der xit GmbH auf den Krankenhauskontext übertragen und dienen einer ersten exemplarischen Veranschaulichung möglicher Wirkungen. International gesehen gibt es erste SROI-Projekte auch auf den Krankenhauskontext bezogen.
SROI-Perspektive 1: Institutionelle Transferanalyse
Welche direkten und indirekten finanziellen Transfers erfolgen zwischen dem Krankenhaus, öffentlichen Kostenträgern (zum Beispiel Krankenkassen, Länder, Kommunen) und dem Staat, und wie hoch ist der Rückfluss pro investiertem Euro?
Krankenhäuser zahlen Gewerbesteuer, Grundsteuer und Umsatzsteuer für wirtschaftliche Aktivitäten. Diese Rückflüsse mindern die Nettokosten der öffentlichen Hand für die Krankenhausfinanzierung.
Durch die Löhne und Gehälter des Krankenhauspersonals werden Einkommensteuer und Solidaritätszuschlag fällig, die direkt an die öffentliche Hand zurückfließen.
Aus der Einstellung von Personal und die Ausbildung leisten Krankenhäuser Sozialversicherungsbeiträge, die als direkter Rückfluss an die öffentliche Hand gelten.
Der SROI 1 ist relativ einfach aus vorhandenen Daten zu erheben und stellt insbesondere eine fiskalische Berechnung („Finanzministerperspektive“) dar, die darauf abzielt, die öffentlichen Aufwendungen für Krankenhäuser nicht als Einbahnstraße darzustellen.

SROI-Perspektive 2: Individuelle Transferanalyse
Welche öffentlichen Mittel fließen pro Patient in die Behandlung (z. B. über Krankenkassen oder Reha-Kosten), und welcher monetäre Gegenwert entsteht durch Wiedererlangung der Arbeitsfähigkeit oder Reduktion von Sozialleistungen?
Patienten, die durch erfolgreiche Behandlungen im Krankenhaus schneller wieder arbeiten können oder erfolgreich eingegliedert werden, zahlen früher wieder Steuern und Sozialabgaben an die öffentliche Hand.
Chronisch kranke Patienten, die durch regelmäßige Behandlungen in Kliniken eine Verschlimmerung ihrer Krankheit verhindern, verursachen langfristig geringere Kosten / Folgekosten für das Gesundheitssystem.
Menschen mit (psychosomatischen) Erkrankungen, die durch eine klinische Behandlung ihre Arbeitsfähigkeit wiedererlangen, profitieren überdurchschnittlich von Reha-Maßnahmen und leisten wieder Sozialversicherungsbeiträge, statt Erwerbsminderungsleistungen zu beziehen.
Der SROI 2 konzentriert sich auf die Zielgruppen, nicht auf die Institution Krankenhaus. Er stellt diese eingebunden im Kreislauf der öffentlichen Finanzen dar.
SROI-Perspektive 3: Alternativenbetrachtung / Opportunitätserträge
Welche Kosten würden bei Wegfall der Klinik entstehen, z.B. durch höhere Notfallversorgung, verlängerte Krankenhausaufenthalte oder Ersatzangebote mit geringerer Wirksamkeit?
Ohne die spezialisierte Notfallversorgung eines Krankenhauses könnten in einer Region vermehrt schwerwiegende Gesundheitsfolgen und damit höhere gesellschaftliche Folgekosten entstehen.
Das Fehlen eines regionalen Krankenhauses würde für Patienten längere Transportwege bedeuten, was zu höheren Transportkosten und verzögerten Behandlungen mit potenziellen Gesundheitsfolgeschäden führen könnte.
Durch gezielte Krankenhaus-Sozialarbeit kann für ältere Patient/innen eine Rückkehr ins eigene Zuhause organisiert werden. Ohne diese Unterstützung steigt die Zahl der Einweisungen in stationäre Pflegeheime, was für die Sozialversicherungsträger wesentlich teurer ist.
Der SROI 3 stellt Wirkung und Funktion der Institution in den Mittelpunkt. Es wird die Frage nach den Alternativen bzw. den gesellschaftlichen Opportunitätskosten gestellt, wenn es diese Institution nicht gäbe.
SROI-Perspektive 4: Wirkung auf regionale Wirtschaft
Welchen Beitrag leistet die Klinik zur regionalen Wirtschaft durch Arbeitsplätze, lokale Einkäufe oder Standortattraktivität?
Ein Krankenhaus schafft als einer der großen Arbeitgeber in der Region direkte und indirekte Beschäftigungseffekte und generiert dadurch regionalwirtschaftliche Impulse, die zusätzlich zu ihren eigenen Mitarbeitern weitere induzierte Arbeitsplätze in der Region schaffen.
Die von einem Krankenhaus erzeugten direkten und indirekten Einkommen können zu einer erhöhten Kaufkraft in der Region führen und damit den lokalen Wirtschaftskreislauf stärken.
Ein Klinikum induziert durch seine unmittelbare Nachfrage nach Leistungen und Investitionen in der regionalen Wirtschaft einen signifikanten wirtschaftlichen Impuls, der durch Multiplikatorprozesse verstärkt wird.
Der SROI 4 betrachtet die Institution aus der Perspektive eines Wirtschaftsförderers und analysiert die Beschäftigungs- und Einkommenswirkungen in der Region. Dabei wird das Krankenhaus als (wirtschaftlich) handelndes Unternehmen verstanden.
SROI-Perspektive 5: Wirkungen auf Lebensqualität der Leistungsnehmer
Wie verbessert die Klinik die physische, psychische und soziale Lebensqualität der Patienten, gemessen an Indikatoren wie Schmerzreduktion, psychischer Stabilisierung oder Teilhabefähigkeit?
Patienten mit (chronischen) Erkrankungen erfahren durch spezialisierte klinische Behandlungen eine deutliche Verbesserung ihrer Symptomatik und damit ihrer Lebensqualität, wie dies auch bei der Suchtberatung nachgewiesen wurde.
Die psychosoziale Betreuung während des Krankenhausaufenthalts führt zu einer besseren Krankheitsbewältigung und höheren Zufriedenheit der Patienten, ähnlich wie bei Suchtberatungsstellen, wo die Wirkung auf die Lebensqualität der Klienten untersucht wurde.
Krankenhausbasierte Unterstützungsangebote fördern die soziale Integration, indem sie Patient/innen helfen, Beziehungen zu stabilisieren oder Konflikte im sozialen Umfeld zu bewältigen. Das betrifft sowohl familiäre als auch nachbarschaftliche und berufliche Beziehungen, was zu einer höheren Lebenszufriedenheit führt.
Der SROI 5 ist ein nicht-monetärer SROI und zieht individuelle Lebensqualität gewissermaßen als „sozialen Maßstab“ heran: Wie wirkt das Krankenhaus auf die Lebensqualität der Patientinnen? Der SROI 5 stellt daher die Perspektive der Versorgungsqualität in den Mittelpunkt.
SROI-Perspektive 6: Wirkungen auf die kollektive Lebensqualität
Welchen gesamtgesellschaftlichen Nutzen generiert die Klinik durch Public-Health-Effekte, Sicherheitsgewinne (z.B. bei Suchtpatienten) oder sozialen Zusammenhalt?
Ein regionales Krankenhaus schafft ein Gefühl der Sicherheit und der Daseinsvorsorge in der Bevölkerung und könnte so zum allgemeinen Wohlbefinden in der Region beitragen.
Die Präsenz einer spezialisierten Klinik erhöht die Attraktivität einer Region als Wohn- und Arbeitsort, was zu einer verbesserten sozialen Struktur führt, ähnlich wie bei anderen sozialen Einrichtungen, die nichtmonetäre Effekte auf gesellschaftlicher Ebene erzeugen.
Krankenhäuser sind Teil der kritischen Infrastrukturen und spielen eine Schlüsselrolle für die regionale und gesellschaftliche Resilienz, da sie im Krisenfall die medizinische Versorgung sicherstellen und die Funktionsfähigkeit des Gemeinwesens erhalten.
Der SROI 6 stellt die Frage nach der Wirkung einer Institution auf die Lebensqualität einer Gesellschaft im Allgemeinen. Der Fokus liegt dabei auf der Rolle der Daseinsvorsorge „Krankenhausversorgung“ für die Bevölkerung einer Region.

Bedeutung, Limitation, Ausblick und Fazit
Wenngleich die Forschung über die letzten Jahre zugenommen hat, benötigt es weiterer Untersuchungen, Validierung und Vertiefung, um den SROI im Kontext des Gesundheitswesens anzuwenden. Dies hängt insbesondere mit der Komplexität der SROI-Messung zusammen, aber auch mit noch fehlenden Standards bezogen auf den Krankenhauskontext, als auch mit der Monetarisierung von Leistungen. Darüber hinaus sind natürlich auch die finanziellen Aspekte und die Qualität der medizinischen und pflegerischen Leistungen relevant.
Der SROI kann in unterschiedlichen Kontexten eingesetzt werden. Als Instrument der öffentlichen und/oder politischen Diskussion stellt er die gesellschaftliche Wirkung des Krankenhauses in wenigen, anschlussfähigen Kennzahlen dar. Je nach Kommunikationsziel und Adressatenkreis ist die SROI-Perspektive zu wählen. Als Analyseinstrument können insbesondere der SROI 3 und der SROI 5 dienen, die Hinweise zur Verbesserung der Ressourcenallokation geben. Der SROI 5 kann über die medizinisch-pflegerische Perspektive hinaus auch als Instrument des organisationalen und professionellen Lernens dienen.
Ausgehend von der beispielhaften Darstellung möglicher Wirkungen hat eine SROI-Messung im Krankenhausbereich dennoch Relevanz und Bedeutung. Eine SROI-Messung ermöglicht eine ganzheitliche Bewertung von Gesundheitsprogrammen und -einrichtungen, welche über die reine ökonomische Betrachtung hinausgehen.





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