
Medikamentenverwechslung? Falsch interpretierte Symptome? Auf Initiative des Verbands der Ersatzkassen (vdek) gibt es für Versicherte aller Kassen künftig die Möglichkeit, kritische Vorfälle und Probleme bei Behandlungen in Kliniken und Praxen über das Webportal „Mehr Patientensicherheit“ online zu melden. Die Angaben sollen anonymisiert und beispielhafte Fälle veröffentlicht werden, um daraus generelle Verbesserungen der Versorgung zu erzielen. Es baur auf dem international angerkannten Modell „CIRS“ (Critical Incident Reporting System) für Lern- und Berichtssysteme auf.
Mit dem Portal wollen wir die Erfahrungen der Versicherten in den Mittelpunkt rücken; sie sind oft die einzigen, die den Behandlungsprozess von Anfang bis Ende erleben.
„Die Perspektive der Patientinnen und Patienten ist äußerst wertvoll, um systembedingte Fehlerrisiken systematisch zu erkennen und abzubauen", sagte der Patientenbeauftragte der Bundesregierung, Stefan Schwartze (SPD), zum Start des Angebots am Donnerstag in Berlin.
Solche Berichtssysteme seien bewährt und ein wichtiger Bestandteil des Qualitäts- und Risikomanagements in Gesundheitseinrichtungen, sagte Ulrike Elsner, Vorstandschefin des Ersatzkassenverbands, dem unter anderem die Techniker Krankenkasse, die Barmer und die DAK-Gesundheit angehören. Wissen und Erfahrung von Versicherten und Angehörigen würden bisher jedoch kaum genutzt. Dabei seien sie oft die Einzigen, die den kompletten Behandlungsprozess erlebten.
Früwarnsystem auf Basis anonymisierter Aufbereitung
Die Meldungen sollen von Experten der Deutschen Gesellschaft für Patientensicherheit analysiert und dann in anonymisierter Form inkl. Handlungsempfehlung aufbereitet werden – etwa auch mit „Tipps des Monats“ oder einem „Fall des Monats“. Auch der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA), die Bundesärztekammer und Hersteller von Pharmazeutika und Medizintechnik werden in Zukunft über die Ergebnisse informiert, teilte der vdek mit. Der Geschäftsführer der Deutschen Gesellschaft für Patientensicherheit, Marcus Rall, sprach von einer Art „Frühwarnsystem“. Es gehe nicht darum, Einzelfälle zu verfolgen, sondern anhand dieser zu lernen, noch bevor Schäden eintreten. Auch auf positive Beispiele würde geachtet.
Das Portal ist den Angaben zufolge zunächst als Pilotprojekt bis Ende 2025 angelegt und hat ein Budget von rund 300 000 Euro. Gerechnet wird mit 600 Fällen, die bearbeitet werden. Der Patientenbeauftragte Schwartze sagte, das Portal sei kein Ersatz für individuelle Beschwerden. Wenn Versicherte Behandlungsfehler vermuten, können sie sich auch bei Gutachtern und Schlichtern der Ärzte und bei den Kassen melden, die dann Gutachten in Auftrag geben.
Deutsche Stiftung Patientenschutz sieht kaum Mehrwert
Die Deutsche Krankenhausgesellschaft begrüßte das neue Portal, da nun auch der ambulante Sektor mit einbezogen werde. Wichtig sei aber, dass es zu Verbesserungen führe und nicht zu einem „weiteren Meckerkasten oder Pranger“ werde. Die Deutsche Stiftung Patientenschutz erklärte, neben vielen Internetbewertungen, dem anonymen Meldesystem der Krankenhäuser und den Anlaufstellen für Behandlungsfehler von Krankenkassen und Ärztekammern sowie den Patientenbeauftragten gebe es nun noch ein neues Portal. Doch der Mehrwert sei bescheiden.
Angesichts von mehr als 17 Millionen Klinikbehandlungen und 650 Millionen Behandlungen bei niedergelassenen Ärzten ließen die geplanten 600 Meldungen kaum Rückschlüsse zu. Ein Härtefallfonds würde Licht ins Dunkel bringen. Versprechungen der Koalition dazu seien aber in der Versenkung verschwunden.





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