Georg Thieme Verlag KGGeorg Thieme Verlag KG
Georg Thieme Verlag KGGeorg Thieme Verlag KG

Klinikum Braunschweig im Interview„Wir wollen unsere Marke stärker in der Bevölkerung verankern“

Raimar Goldschmidt ist Chief Digital Officer (CDO) des Klinikums Braunschweig und sein Chef erwartet viel von ihm. Goldschmidt soll die Vernetzung mit den Patienten vorantreiben, den zweiten Gesundheitsmarkt erobern und medizinische Dienstleistungen für die Mitarbeiter von Großunternehmen entwickeln.

Raimar Goldschmidt,Andreas Goepfert
Klinikum Braunschweig/Jörg Scheibe
Raimar Goldschmidt (l.) mit Klinikchef Andreas Goepfert.

Im August hat das Klinikum Braunschweig die Tochtergesellschaft skbs.digital gegründet, deren Geschäftsführer Sie sind. Sie sind einer der wenigen CDOs einer Kommunalen Klinik. Was ist Ihre Aufgabe?

Meine Aufgabe ist es einerseits, neue Geschäftsmodelle zu entwickeln, und andererseits patientenzentrierte Dienstleistungen digital abzubilden.

Was verstehen Sie genau unter patientenzentrierten Dienstleistungen?

In den zurückliegenden Jahren haben sich Kliniken darauf fokussiert, bestmögliche medizinische Leistungen zu erbringen. Das erwartet der Patient mittlerweile. Er wünscht sich aber auch konkrete Services rund um seine Krankheit. Ich kann über mein Smartphone eine Zugfahrkarte mit Sitzplatzreservierung kaufen oder bei Amazon mit wenigen Klicks Produkte vergleichen, kaufen und bezahlen, aber ein Krankenhaus muss ich für einen Termin immer noch anrufen.

Heißt das, in Zukunft können Patienten über Ihre Klinikwebseite OP-Termine buchen?

Wir bauen derzeit eine Online-Plattform auf und über diese soll auch eine Terminbuchung möglich sein. Zunächst nur für zwei Pilotkliniken. Wenn sich der Prozess bewährt, werden wir das auf alle anderen Abteilungen ausweiten.

Was wollen Sie darüber hinaus noch anbieten?

Vieles, das wir jetzt noch vor Ort machen, wollen wir im Patientenkontakt weiter nach vorne verlagern, etwa Speisenwahl oder Patientenaufklärung. Wir wollen aber auch auf nichtmedizinische Probleme der Patienten eingehen, etwa die Frage: „Wer kümmert sich um mein Haustier während ich in der Klinik bin?“

Wann soll das neue Portal an den Start gehen?

In den kommenden Wochen – auf jeden Fall vor Weihnachten.

Wenn Drittanbieter auf ihrem Portal Produkte und Dienstleistungen verkaufen, würde das Klinikum vom Umsatz einen Anteil erhalten – so wie das Amazon macht. Gibt es denn schon konkrete Pläne, welche Partner Sie ins Boot holen wollen?

Krankenkassen gehören natürlich dazu – sie bieten viele einer Behandlung nachgeordneten Dienstleistungen an, wie etwa Anti-Stress-Coaching, Raucherentwöhnung, Gewichtsreduktion. Das wären klassische Business-to-Consumer-Angebote. Wir denken aber auch über B-to-B-Angebote nach, beispielsweise in der Gensequenzierung: Wir betreiben ein entsprechend ausgestattetes Labor, welches Aussagen trifft, welche Chemotherapie für einen Patienten vorteilhaft wäre. Diesen Service möchten wir niedergelassenen Fachärzten anbieten: Wir holen die Probe beim Arzt ab, bereiten Sie auf, erstellen eine Therapie-Vorhersage und der niedergelassene Facharzt kann dann die Therapie durchführen.

Die Pathologie eignet sich für telemedizinische Angebote besonders gut, heißt es – warum?

Es gibt ja kaum Pathologen und deshalb sind Ferndiagnosen so attraktiv: Die Klinik entnimmt eine Gewebeprobe beim Patienten, scannt sie ein, überträgt sie digital und ein Haus mit pathologischer Expertise befundet. Dafür braucht man entsprechende Software und einen Spezialscanner – beides ist bereits auf dem Markt.

Braunschweigs Klinikchef Dr. Andreas Goepfert sagt, die neue Tochter skbs.digital soll dazu beitragen, dass das Klinikum Braunschweig in 5 Jahren bundesweit als Versorgungseinrichtung wahrgenommen wird. Was erwartet er von Ihnen?

Städtische Kliniken haben nicht den Ruf, den Unikliniken genießen, obwohl sie in vielen Abteilungen Highend-Medizin anbieten. Wir wollen uns hier weiter nach vorne schieben und unsere Marke in der Bevölkerung stärker verankern. Einerseits machen wir das durch Kompetenzaufbau, indem wir in die Bereiche Urologie, Onkologie oder Strahlentherapie investieren und Kooperationen eingehen – etwa mit der Uniklinik Göttingen. Andererseits wollen wir ein Service-Versprechen geben und den Patienten mit allen Dienstleistungen, die er braucht, begleiten.

Unter dem Dach einer starken Marke lassen sich auch Medizinprodukte verkaufen – eine Vision, die seit über 10 Jahren im Markt kursiert. Planen Sie einen Webshop, in dem die Bürger demnächst Rollstühle oder Verbandsmaterial der Marke „Klinikum Braunschweig“ kaufen können?

Im ersten Schritt planen wir keinen Shop. Aber ganz von der Hand zu weisen ist diese Idee auch nicht – schließlich zeigen Studien aus den USA, dass nur ganzheitliche Dienstleistungsangebote sich durchsetzen. Derzeit konzentrieren wir uns auf den Service-Aspekt, unser Marketingziel lautet: Der Patient soll bei Gesundheitsproblemen ans Klinikum Braunschweig denken.

Sie haben zu Beginn des Gesprächs von neuen Geschäftsmodellen gesprochen, die Sie vorantreiben möchten. Was meinten Sie damit?

Wir entwickeln zusammen mit großen Arbeitgebern medizinische Dienstleistungen im Rahmen von Gesunderhaltung, die diese Unternehmen ihren Mitarbeitern anbieten können. Dazu können kostenlose Checkups zählen, Gesundheitsberatung oder telemedizinische Angebote. Beispielsweise ließe sich telemedizinisch abklären, ob ein Kind so krank ist, dass es nicht in die Kita oder Schule kann. Oder ein Mitarbeiter wacht mit Rückenschmerzen auf und bekommt nach unserer telemedizinischen Beratung zügig einen Termin beim Facharzt (mit dem wir kooperieren).

Mitarbeiter bekommen Zusatzleistungen und eine schnellere Diagnose – das ist ein interessantes Modell, gerade an einem Industriestandort wie Braunschweig. Wer soll für diesen Service bezahlen, die Kassen oder die Unternehmen?

Firmen und Kassen müssten sich die Kosten für diesen Service teilen, schließlich profitieren beide: Die Kassen sparen Geld und die Unternehmen können die Mitarbeiterzufriedenheit erhöhen und ihren Krankenstand reduzieren. Derzeit sind wir mit beiden Seiten im Gespräch.

Dieser Artikel ist Teil der kma Klinik Management aktuell (Ausgabe Oktober 2018).

Sortierung
  • Derzeit sind noch keine Kommentare vorhanden. Schreiben Sie den ersten Kommentar!

    Jetzt einloggen