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Mikrozensus-BefragungJeder vierte Arzt oder Ärztin ist zugewandert

Statistiker belegen den sich verschärfenden Ärztemangel mit neuesten Zahlen. Hilfe kommt aus dem Ausland: Nahezu jeder vierte Mediziner hat eine Einwanderungsgeschichte. Warum Brandenburg vom Bund eine schnellere Anerkennung der Abschlüsse fordert.

 

Mehrere Arztkittel hängen auf braunen Kleiderbügeln im Schrank.
Frank/stock.adobe.com
Symbolfoto

Viele Ärztinnen und Ärzte in Deutschland dürften in den kommenden Jahren altersbedingt ihre Kittel an den Nagel hängen: Gut 31 Prozent der Human- und Zahnmediziner sind 55 Jahre oder älter, teilte das Statistische Bundesamt am 27. Mai in Wiesbaden mit. Der Anteil dieser Altersgruppe habe damit hier deutlich höher gelegen, als bei allen Erwerbstätigen (26 Prozent). 

Zwar sei die Zahl der Ärzte in der Human- und Zahnmedizin binnen zehn Jahren bis 2023 um gut 23 Prozent auf 502 000 gestiegen, doch sei auch die Altersgruppe 55plus größer geworden. Zehn Jahre zuvor habe der Anteil noch bei 26 Prozent gelegen. Dagegen ist der Anteil der Medizinerinnen und Mediziner im mittleren Alter gesunken: 48 Prozent waren 35 bis 54 Jahre alt, 2013 waren es noch 54 Prozent. Der Anteil junger Berufskolleginnen und -kollegen unter 35 Jahren hat sich kaum verändert und lag zuletzt bei 21 Prozent.

115 000 Ärztinnen und Ärzte nach Deutschland zugewandert

Den Statistikern zufolge ist die Zahl der ausländischen Ärztinnen und Ärzte in den vergangenen zehn Jahren deutlich gestiegen. 2023 lag er mit 62 000 bei gut zwölf Prozent. Zehn Jahre zuvor habe er noch mit 29 000 bei sieben Prozent gelegen. Dass viele Ärzte aus dem Ausland nach Deutschland kommen, zeige die Einwanderungsgeschichte: In der Medizin hätten im vergangenen Jahr 115 000 zugewanderte Mediziner und damit knapp ein Viertel aller Ärzte gearbeitet. Ein Teil von ihnen besitze mittlerweile die deutsche Staatsbürgerschaft.

Die Zahl der Studienanfänger in der Humanmedizin ist dem Bundesamt zufolge in den vergangenen Jahren kontinuierlich gestiegen. Im Wintersemester 2022/2023 begannen 14 300 Menschen ein Studium der Humanmedizin. In der Zahnmedizin blieben die Zahlen weitestgehend konstant. Im gleichen Wintersemester lag die Zahl der Studienanfänger wie zehn Jahre zuvor bei 1900.

Ärztinnen und Ärzte arbeiteten überdurchschnittlich lang

Die Arbeitszeiten von Ärztinnen und Ärzten in der Human- und Zahnmedizin sind – ähnlich wie bei Erwerbstätigen insgesamt auch – in den vergangenen Jahren gesunken. Ein Grund für diese Entwicklung ist der gestiegene Anteil der Teilzeitarbeit. Dennoch zählen Ärztinnen und Ärzte nach wie vor zu den Erwerbstätigen mit überdurchschnittlich langen Arbeitszeiten. 2023 leisteten sie normalerweise im Durchschnitt 40,7 Stunden pro Woche (46,2 Stunden in Vollzeit, 25,9 Stunden in Teilzeit). Das waren rund sechs Stunden pro Woche mehr als bei Erwerbstätigen insgesamt, die durchschnittlich 34,4 Stunden pro Woche arbeiteten (40,3 Stunden in Vollzeit, 20,9 Stunden in Teilzeit).

Auch innerhalb der Human- und Zahnmedizin unterscheiden sich die Arbeitszeiten je nach Fachrichtung teils erheblich. In der Chirurgie arbeiteten Fachärztinnen und Fachärzte in Vollzeit im Schnitt 49,8 Stunden pro Woche und damit sechs Stunden mehr als Fachärztinnen und Fachärzte im Bereich Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie (43,9 Wochenstunden in Vollzeit). Zahnärztinnen und Kieferorthopäden arbeiteten im Schnitt 43,0 Stunden pro Woche in einer Vollzeitbeschäftigung.

Brandenburg fordert Bund auf, Anerkennungen zu beschleunigen

Angesichts des Fachkräftemangels im Gesundheitswesen fordert Brandenburgs Sozial- und Gesundheitsministerin Ursula Nonnemacher von der Bundesregierung eine Beschleunigung und Optimierung der Anerkennungsverfahren für ausländische Fachkräfte. Die Vereinheitlichung, Standardisierung und Beschleunigung dieser Verfahren genieße zwar sowohl auf Landes- als auch auf Bundesebene hohe Priorität, sagte sie auf einer Informationsveranstaltung zur „Anerkennung und Anwerbung ausländischer Fachkräfte im Gesundheitsbereich“ am 27. Mai in Potsdam. Maßgeblich sei jedoch das Bundesrecht, daher „bleibt der Bund hier der entscheidende Akteur“.

Dabei ist es besonders wichtig, den ausländischen Kolleginnen und Kollegen aufgeschlossen und vorurteilsfrei entgegenzukommen und eine Kultur des Pluralismus, der Toleranz und Kompromissfähigkeit zu leben.

„Zuwanderung ist ein wichtiger Baustein für die Fachkräftesicherung in den Gesundheits- und Pflegeberufen“, erklärte Nonnemacher bei der Informationsveranstaltung. Eine flächendeckende medizinische Versorgung in Brandenburg sei ohne ausländische Kolleginnen und Kollegen mittlerweile nicht mehr vorstellbar. Die neue Sprache, unser zum Teil kompliziertes Rechtssystem sowie die sich oftmals unterscheidende Kultur seien zwar anfangs Herausforderungen, und auch die Anforderungen an die Qualifikationsnachweise seien zu Recht sehr hoch. Doch in der Regel würden die ausländischen Gesundheitsfachkräfte diese Hürden erfolgreich überwinden und dann effektiv in der Gesundheitsversorgung in Brandenburg tätig werden. „Dabei ist es besonders wichtig, den ausländischen Kolleginnen und Kollegen aufgeschlossen und vorurteilsfrei entgegenzukommen und eine Kultur des Pluralismus, der Toleranz und Kompromissfähigkeit zu leben.“

Bezogen auf alle tätigen Mitglieder der Landesärztekammer Brandenburg hatten Ende vergangenen Jahres 28 Prozent der Medizinerinnen und Mediziner im stationären Bereich eine ausländische Staatsbürgerschaft. Im ambulanten Bereich beläuft sich dieser Anteil auf vier Prozent. Die meisten ausländischen Ärztinnen und Ärzte kommen aus Polen, Syrien, der Russischen Föderation und Rumänien.

Mikrozensus

Die Angaben zu erwerbstätigen Ärztinnen und Ärzten nach Alter und Staatsangehörigkeit sowie der normalerweise geleisteten Wochenarbeitszeit stammen aus dem Mikrozensus. Der Mikrozensus ist eine Stichprobenerhebung, bei der jährlich rund 1 Prozent der Bevölkerung in Deutschland befragt wird. Alle Angaben beruhen auf Selbstauskünften der Befragten. Um aus den erhobenen Daten Aussagen über die Gesamtbevölkerung treffen zu können, werden die Daten an den Eckwerten der Bevölkerungsfortschreibung hochgerechnet. Die Daten beziehen sich auf die Berufsgruppe 814 „Ärzte/Ärztinnen in der Human- und Zahnmedizin“ der Klassifikation der Berufe 2010 (KldB 2010), sowie auf Personen ab 15 Jahren in privaten Hauptwohnsitzhaushalten.

 

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