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Reha-KlinikenKann stationäre Reha Post-Covid-Kranken helfen?

Eine stationäre Reha kann Patientinnen und Patienten mit Post-Covid helfen, so die Ergebnisse einer Studie. Das betrifft jedoch nur mittelschwer Erkrankte. Außerdem sind in den Reha-Kliniken dazu einige Voraussetzungen nötig.

Yin Yoga
Cristina/stock.adobe.com – posed by model.
Achtsamkeitsübungen und Yoga waren Teil der multimodalen Konzepte der an der Studie beteiligten Reha-Kliniken.

Bleierne Erschöpfung, kognitive Einschränkungen, Belastungsintoleranz, Muskel- und Kopfschmerzen, Licht- und Geräuschempfindlichkeit, Atembeschwerden – diese und viele weitere Symptome machen Menschen mit Post-Covid das Leben schwer. Viele haben so starke Einschränkungen, dass sie ihren Beruf nicht mehr ausüben und nicht mehr am sozialen Leben teilhaben können. Post-Covid-Kranke, die noch berufstätig sind, opfern häufig ihr gesamtes Freundes- und Freizeitleben, um überhaupt noch arbeiten zu können. Hinzu kommt: Man sieht den Post-Covid-Erkrankten ihre Krankheit selten an, es gibt häufig keine auffälligen Blutwerte oder Organbefunde. Nach wie vor suchen Betroffene und ihre Angehörigen in Selbsthilfeforen nach Ärztinnen und Ärzten, die Post Covid ernst nehmen oder sich gar mit der schwersten Form, dem sogenannten ME/CFS, auskennen. Wer jemanden gefunden hat, kann sich glücklich schätzen.

Reha kann helfen  aber unter Voraussetzungen

Kann sich auch glücklich schätzen, wer eine geeignete Reha-Klinik gefunden hat? Eine, die sich mit der Krankheit auskennt? Eine Studie legt das nahe. Die erste Auswertung der kürzlich abgeschlossenen PoCoRe-Studie zeigt, dass eine stationäre Rehabilitation den Betroffenen helfen kann, körperlich und seelisch wieder auf die Beine zu kommen. Das teilte die Deutsche Gesellschaft für Psychosomatische Medizin und Ärztliche Psychotherapie e.V. (DGPM) am 1. Juli in einer Meldung mit. Um den Wiedereinstieg in den Beruf zu erleichtern, sei jedoch bei vielen Betroffenen eine ambulante Nachsorge und Wiedereingliederung notwendig, so die DGPM.

Sie entsprachen damit dem, was wir heute als mittelschweres Post-Covid-Syndrom bezeichnen würden.

Die hoffnungsvollen Ergebnisse gelten jedoch nur für mittelschwer von Post Covid Betroffene. Für schwer betroffene Patienten (wie mit schwerem ME/CFS) gibt es nach wie vor keine hilfreichen Reha-Konzepte. Und: Die beteiligten Reha-Kliniken hatten allesamt einen multimodalen Therapieansatz und Vorerfahrung. Im an der Studie teilnehmenden Reha-Zentrum Seehof gibt es beispielsweise seit September 2021 ein spezielles Programm zur Post-Covid-Reha, bisher wurden dort etwa 350 Patientinnen und Patienten mit Post-Covid behandelt.

1100 Menschen nahmen an der Studie teil

In der PoCoRe-(Post-Covid-Rehabilitation-)Studie wurden laut DGPM in sechs stationären Einrichtungen insgesamt knapp 1100 Menschen mit Post-Covid-Syndrom (PCS) behandelt. Die Studienteilnehmerinnen und -teilnehmer litten meist unter einer Kombination mehrerer Symptome, insbesondere unter einer ausgeprägten Fatigue, unter Atemproblemen und kognitiven Defiziten. „Sie entsprachen damit dem, was wir heute als mittelschweres Post-Covid-Syndrom bezeichnen würden“, sagt Studienleiter Professor Dr. med. Thomas Loew, Chefarzt der Abteilung für Psychosomatische Medizin am Universitätsklinikum Regensburg.

Besonders die schnelle körperliche Erschöpfung und die Gedächtnis- und Konzentrationsstörungen machten den Betroffenen zu schaffen. Die Studienteilnehmenden waren im Durchschnitt 50 Jahre alt, der Frauenanteil lag bei 72 Prozent. Rund 60 Prozent waren zum Zeitpunkt der Aufnahme arbeitsunfähig – davon bestand bei 80 Prozent die Arbeitsunfähigkeit seit mehr als sechs Monaten. 

Reha-Kliniken mit multimodalen Konzept

Die subjektive Behandlungszufriedenheit der Studienteilnehmerinnen und -teilnehmer war sehr hoch: „Rund 90 Prozent der Teilnehmerinnen und Teilnehmer bewerteten die Qualität der Behandlung als gut bis ausgezeichnet, würden selbst wiederkommen und die Reha auch weiterempfehlen“, bilanziert Studienleiter Loew. 

Aber: Die beteiligten Kliniken hatten alle multimodale, spezifische Konzepte zur Rehabilitation des PCS und die Therapieangebote und vor allem die Bewegungstherapie wurden auf die individuelle Belastbarkeit der Betroffenen abgestimmt. Das verdeutlichte Professor Dr. med. Volker Köllner am 27. Juni beim 9. Long-Covid-Forum der Bundesarbeitsgemeinschaft Selbsthilfe. Köllner ist Ärztlicher Direktor und Chefarzt der Abteilung Psychosomatik am Reha-Zentrum Seehof der Deutschen Rentenversicherung, einem der teilnehmenden Zentren.

Es braucht eine Post-Covid-Reha in hierfür spezialisierten Zentren.

Ein wichtiger Umstand, der die Belastungsintoleranz, die sogenannte PEM, adressiert, unter der viele Betroffene leiden. Überschreiten sie ihre ohnehin meist stark herabgesetzte Belastbarkeits-Schwelle durch körperliche oder geistige Aktivitäten, droht – meist mit einer zeitlichen Verzögerung – die Verschlechterung aller Symptome. Hier hilft nur ein strenges Energie- und Belastungsmanagement, auch Pacing genannt. Doch auch diszipliniertes Pacing kann die gefürchteten Crashs (eine Phase starker Symptomverschlechterung) nicht immer verhindern.

Es bringt nichts, die Patienten jeweils über die Innere, die Neurologie oder die Psychosomatik aufzuteilen.

Ein multimodales Konzept für Post-Covid-Patientinnen ist in Reha-Kliniken jedoch nicht selbstverständlich. Bisher gibt es auch keine bundesweite Übersicht über Reha-Einrichtungen, die mit einem solchen Konzept für diese Patienten arbeiten. Betroffene müssen sich in den einzelnen Reha-Kliniken selbst informieren, ob die Klinik ein entsprechendes Angebot vorhält. Für Menschen mit eingeschränkten kognitiven Fähigkeiten und minimaler Energie kann das eine Herkulesaufgabe sein.

Wir bräuchten eigentlich eine Liste von Kliniken, am besten sogar zertifiziert.

 „Es braucht eine Post-Covid-Reha in hierfür spezialisierten Zentren“, sagte Köllner beim 9. Long-Covid-Forum. „Es bringt nichts, die Patienten jeweils über die Innere, die Neurologie oder die Psychosomatik aufzuteilen.“ Ob bei solch einem integrierten Konzept der Psychosomatiker den Hut auf habe oder der Internist oder der Neurologe sei laut Köllner nicht das Entscheidende, sondern wichtig sei, dass es eine gute interdisziplinäre Kooperation gibt, dass die Patientinnen und Patienten ernst genommen werden und ein auf sie zugeschnittenes Behandlungskonzept da ist. „Wir bräuchten eigentlich eine Liste von Kliniken, am besten sogar zertifiziert“, sagt Köllner. Das mahne er auch immer bei der Rentenversicherung an.

Was sind die therapeutische Module der Reha?

Während des meist fünfwöchigen Reha-Aufenthalts nahmen die Post-Covid-Patientinnen und -Patienten der PoCoRe-Studie an interdisziplinären Therapiemodulen teil, die sowohl die körperlichen als auch die psychischen und kognitiven Probleme adressierten, so die DGPM. Wobei Post Covid und ME/CFS keine primär psychische Ursache haben (Anm. der Red.). Schon 2014 schreibt die renommierte Immunologin und ME/CFS-Forscherin Professorin Carmen Scheibenbogen et al.: "Eine nicht unerhebliche Zahl von Patienten mit dem chronischen Fatigue Syndrom entwickelt jedoch eine reaktive Depression, da die Erkrankung bei vielen Patienten so schwer verläuft, dass sie berufsunfähig sind und sich kaum noch selbst versorgen können". Und: "Die soziale und finanzielle Sicherung kann wie bei anderen nicht zu beweisenden Erkrankungen schnell bedroht sein." Eine möglicherweise eintretende depressive Symptomatik ist also Folge und nicht die Ursache der anhaltenden Fatigue. 

In den teilnehmenden Reha-Kliniken der PoCoRe-Studie wurde die Therapie flankiert von Informations- und Aufklärungsveranstaltungen. Zu den therapeutischen Modulen zählten kognitives Training, Atemtherapie, Achtsamkeitsübungen, psychotherapeutische Einzel- und Gruppengespräche, Yoga oder Qi Gong sowie ein individuell angepasstes Bewegungstraining. „Besonders letzteres wurde im Vorfeld zuweilen kritisch gesehen“, sagt Köllner.

Voraussetzung dafür ist allerdings, dass die Intensität des Trainings der individuellen Belastbarkeit angepasst wird.

Die Befürchtung, ein Bewegungstraining würde die Betroffenen überfordern, die Fatigue verstärken und letztlich einen völligen Zusammenbruch herbeiführen, habe sich jedoch nicht bestätigt. „Vielmehr haben sich objektiv messbare Parameter wie die Gehstrecke, die in sechs Minuten zurückgelegt werden konnte, im Verlauf der Reha signifikant von 493 auf 534 Meter verbessert“, berichtet Köllner, der auch die Forschungsgruppe Psychosomatische Rehabilitation an der Charité leitet. Voraussetzung dafür sei allerdings, dass die Intensität des Trainings der individuellen Belastbarkeit angepasst wird.

Was bedeuten Post Covid, ME/CFS und Long Covid?

Menschen mit Post Covid und stark reduzierter Belastbarkeit sind keine homogene Gruppe. Wie Charite-Studien gezeigt hatten, lassen sich unter Post-Covid-Betroffenen mit stark reduzierter Belastbarkeit zwei Gruppen unterscheiden: Ein Teil der Patientinnen und Patienten erfüllt das Vollbild eines ME/CFS. Patienten in der zweiten Gruppe haben zwar ähnliche Symptome, ihre Beschwerden nach körperlicher Anstrengung sind jedoch meist nicht so stark ausgeprägt und halten weniger lang an.

Post Covid

Laut WHO bezeichnet der Begriff Post Covid gesundheitliche Beschwerden, die noch mehr als zwölf Wochen nach Beginn der SARS-CoV-2-Infektion vorhanden sind und nicht anderweitig erklärt werden können. Die britische National Institute for Health and Care Excellence (NICE) verwendet dafür den Begriff Post-Covid-Syndrom.

ME/CFS

ME/CFS ist eine schwere neuroimmunologische Erkrankung, die zu einem hohen Grad körperlicher Behinderung führen kann. Nach Angaben der Deutschen Gesellschaft für ME/CFS sind weltweit etwa 17 Millionen Menschen betroffen. In Deutschland wurde die Zahl ME/CFS-Betroffener vor der Corona-Pandemie auf etwa 250 000 geschätzt, darunter 40 000 Kinder und Jugendliche. Expertinnen gehen davon aus, dass sich die Zahl der Erkrankten durch Covid-19 verdoppelt hat. Die WHO stuft ME/CFS seit 1969 als neurologische Erkrankung ein.

Laut einer Studie der Aalborg Universität aus dem Jahr 2015 ist die Lebensqualität von ME/CFS-Erkrankten im Durchschnitt niedriger als die von Multiple Sklerose-, Schlaganfall- oder Lungenkrebspatientinnen und -patienten. Ein Viertel aller Patientinnen und Patienten kann das Haus nicht mehr verlassen, viele sind bettlägerig und auf Pflege angewiesen. Schätzungsweise über 60 Prozent sind arbeitsunfähig, so die Deutsche Gesellschaft für ME/CFS.

Long Covid

Post Covid und Long Covid werden in der öffentlichen Diskussion oft synonym verwendet. Long Covid bezeichnet korrekterweise gesundheitliche Beeinträchtigungen im Anschluss an eine Sars-CoV-2-Infektion, die über die akute Krankheitsphase von vier Wochen hinausgehen.

Erschöpfung und kognitiven Einschränkungen bessern sich nur wenig

Studienleiter Loew sagt: „Am Ende lagen die Durchschnittswerte nahe an der normalen körperlichen Belastbarkeit.“ Auch die Lungenfunktion und andere Messwerte wie Laktat, pCO2 und pO2 als Indikatoren für Kondition und Atmung hätten sich deutlich verbessert, ebenso wie psychische Symptome. Die Effekte bei Fatigue und kognitiven Einschränkungen hingegen waren geringer. 

Von zentraler Bedeutung für die Betroffenen ist die Frage, wann sie wieder in ihren Beruf einsteigen können. „Wann wie viele der Teilnehmenden ihre Arbeit schlussendlich wieder voll oder teilweise aufnehmen können, wissen wir noch nicht, weil die Nachbeobachtungsphase noch läuft“, sagt Köllner. Doch bereits jetzt lassen sich aus den Daten Prädiktoren ableiten, die eine erste Einschätzung erlauben, wie sich die Arbeitsfähigkeit entwickelt. So war die Chance, dass sich Patientinnen und Patienten sechs Monate nach Ende der Reha selbst wieder als arbeitsfähig einstuften, um so größer, je höher zu Beginn der Maßnahme die Fähigkeit war, Aufmerksamkeit („Alertness“) zu aktivieren und je stärker sich dieses Vermögen während des Aufenthalts verbesserte. Keine Rolle spielten dagegen Alter und Geschlecht.

Das größte Problem für die sozialmedizinische Prognose sind die Fatigue und die kognitiven Einschränkungen, die trotz aller Verbesserungen noch bestehen.

„Das größte Problem für die sozialmedizinische Prognose sind die Fatigue und die kognitiven Einschränkungen, die trotz aller Verbesserungen noch bestehen“, sagt Köllner. Sie müssten durch eine gezielte Reha-Nachsorge und eine langfristig angelegte Begleitung bei der beruflichen Wiedereingliederung adressiert werden. In der Reha-Nachsorge gibt es laut Köllner noch zu wenige PCS-spezifische Angebote.

Wo sind die Grenzen der stationären Reha? 

„Unserer Heilverfahren sind relativ durchstrukturiert“, sagte Prof. Köllner beim 9. Long-Covid-Forum. „Wir sind darauf angewiesen, dass jemand rehafähig ist und zum Beispiel den Weg zum Speisesaal bewältigt und auch wieder zurück und zu unseren Anwendungen kommen kann." Menschen, die von einem schweren ME/CFS betroffen sind, die überwiegend bettlägerig sind, seien quasi nicht rehafähig. 

Köllner und sein Team konnten dennoch etwas für diese Patienten tun: ihren Zustand genau feststellen und dokumentieren, bei Rentenanträgen helfen oder mit Physiotherapie zum Beispiel Kontrakturen infolge des langen Liegens vermeiden. Für die schwer Betroffenen müssen alternative Programme mit längeren Behandlungszeiten entwickelt werden, zum Beispiel analog zum Phasen-Modell der Neurologischen Reha, sagt Köllner.

Teilnehmende Kliniken der PoCoRe-Studie:

  • Reha-Zentrum Teltow, Klinik Seehof der DRV Bund, (Prof. Dr. Volker Köllner)
  • Reha-Zentrum Todtmoos, Klinik Wehrawald der DRV Bund (Dr. med. Gerhard Sütfels)
  • Schmieder – Klinik Konstanz (Prof. Dr. Michael Jöbges)
  • Schmieder – Klinik Gailingen (Christoph Herrmann)
  • Westerwaldklinik, Waldbreitbach (Dr.n med. Stefan Kelm)
  • Gelderland-Klinik, Geldern (Matthias Gasche)
  • Klinik Donaustauf (Prof. Dr. Loew) (Ambulante Vergleichsgruppe)

Studienzentrum

  • Abteilung Psychosomatische Medizin, Universitätsklinikum Regensburg (Prof. Dr. med. Thomas Loew)
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