
Ärztepräsident Dr. Klaus Reinhardt hat mehr Verlässlichkeit bei der Digitalisierung im Gesundheitswesen eingefordert. „Ärztinnen und Ärzte sind guten Willens und offen für digitale Anwendungen“, sagte der Chef der Bundesärztekammer bei der Eröffnung des Deutschen Ärztetags am 16. Mai 2023 in Essen. Viele seien aber nach wie vor frustriert, weil die Technik nicht stabil funktioniere. „Politik und Industrie sollte klar sein, dass Arztpraxen und Kliniken keine Versuchslabore für unausgereifte Technik sind“, so Reinhardt.
Mit Blick auf den Neustart mit elektronischen Patientenakten (ePA) für alle Versicherten mahnte der Ärztepräsident, das Vertrauen der Patienten und Patientinnen auf einen verantwortungsvollen Umgang mit ihren Daten sicherzustellen. Das setze einfache Widerspruchsmöglichkeiten voraus. Die Bundesregierung plant, dass alle gesetzlich Versicherten bis Ende 2024 automatisch eine E-Akte bekommen – außer, man lehnt dies aktiv ab. Bisher muss man aktiv einwilligen, wenn man eine möchte.
Reinhardt forderte eine grundlegende finanzielle Stabilisierung der gesetzlichen Krankenversicherung. Dazu könnten unter anderem auch Teile der Genusssteuern auf Tabak und Alkohol als zweckgebundene Gesundheitsabgabe verwendet werden. Zudem sollte die Mehrwertsteuer für Arzneimittel von 19 Prozent auf sieben Prozent gesenkt werden.
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hielt Reinhardt eine mangelnde Einbeziehung von Gesundheitsakteuren in politische Vorhaben vor, etwa bei der Neuaufstellung der Kliniken. Es sei ein Fehler, das Engagement der eigenen ärztlichen Kolleginnen und Kollegen als Lobbyismus zu diskreditieren. Bereits im Vorfeld des Ärztetags übte Reinhardt pauschale Kritik an den Reformplänen von Lauterbach: „Ich nehme ihm ab, dass er Dinge wirklich positiv verändern will. Ich kann aber beim bestem Willen keinen roten Faden bei seinen Reformen erkennen. Kaum etwas passt zusammen, vieles bleibt Stückwerk“, sagte Reinhardt der „Rheinischen Post“.
Reinhardt kritisierte auch den Umgang mit den Praxen der niedergelassenen Ärzte. Statt deren Einsatz etwa mit einem Bonus für medizinische Fachangestellte zu würdigen, werde der Rotstift angesetzt. „Stärken Sie die Praxen“, forderte er.
Präsidentschaftswahlen
Während des viertägigen Treffens wählen die 250 Delegierten auch die Führung der Bundesärztekammer neu. Der seit 2019 amtierende Präsident Reinhardt (62) tritt erneut an. Gegen ihn kandidiert die Vorsitzende des Ärzteverbandes Marburger Bund, Dr. Susanne Johna (57). Sie wäre die erste Frau an der Spitze der Bundesärztekammer, die die Interessen von 550 000 Ärztinnen und Ärzten in Deutschland vertritt. Die Wahlen sind am 18. Mai vorgesehen.





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