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NotfallmedizinWie Dr. Roboter im Flug Leben rettet

Im Krieg und nach Unfällen in unzugänglichen Gebieten sind oft keine Ärzte zur Stelle. Forscher haben einen Roboter entwickelt, der bei bestimmten Verletzungen mit der Notfallbehandlung beginnt. Was die maschinellen Helfer zukünftig können sollen.

Robotisches Modul
TUM
Robotisches Modul für den medizinischen Notfall.

Der Roboter beginnt mit der Notfallbehandlung bereits in der Luft: Telemedizinisch gesteuert, kann er Patienten mit einem lebensbedrohlichen Spannungspneumothorax bereits auf dem Evakuierungsflug entlasten und erstversorgen. Das medizinische Robotersystem haben Forschende der Technischen Universität München (TUM) entwickelt. Es ist innerhalb des vom Europäischen Verteidigungsfonds finanzierten Projektes iMEDCAP entstanden und eignet sich sowohl für den zivilen Einsatz als auch für Kriegsverletzte.

Spannungspneumothorax

Bei einem Spannungspneumothorax sammelt sich – zum Beispiel nach einem Verkehrsunfall oder einer Schussverletzung – Luft zwischen dem Rippenfell und der Lunge an. Diese Luft kann nicht entweichen und staut sich zunehmend. Dadurch entsteht Druck im Brustkorb, der die Lunge zusammendrückt und schließlich auch das Herz und die großen Blutgefäße beeinträchtigt. Der Puls steigt, der Blutdruck fällt und schließlich bricht der Kreislauf zusammen.

„Dieser Spannungspneumothorax ist lebensgefährlich“, sagt Carolin Müller, Forscherin in der Klinik und Poliklinik für Unfallchirurgie des TUM Klinikums. Wird er nicht behandelt, versterben die Betroffenen innerhalb von Minuten. „Er wird oft übersehen, ist aber leicht zu behandeln, indem eine Dekompressionsnadel in den Brustkorb gestochen wird, damit die eingeschlossene Luft entweichen kann.“

Roboter übernimmt die Erstversorgung

In unzugänglichen Gebieten kann das künftig ein Roboter übernehmen, für dessen Arm die Forschenden einen Aufsatz entwickelt haben. Dieser „Endeffektor“ kombiniert eine Dekompressionsnadel, also ein „Nadel-Katheter-System“ wie man es auch für einen Venenzugang nutzt, mit einem Ultraschallgerät. Nur zwei Positionen, der „Monaldi“- und der „Bülau“-Punkt im zweiten und fünften Zwischenrippenraum, kommen für den Einstich der Nadel in Frage. Per Ultraschall lassen sich diese Punkte zweifelsfrei bestimmen. Zudem kann das System diagnostizieren, ob tatsächlich ein Pneumothorax vorliegt.

Mithilfe des neuen Mechanismus, den Müller zusammen mit Forschenden aus dem Lehrstuhl für Mikrotechnik und Medizingerätetechnik (MiMed) der TUM entwickelt hat, dringen die Nadel und der sie umgebende Katheter durch die Haut in den Brustkorb ein. Während die Nadel wieder herausgezogen wird, verbleibt der Katheter im Körper und die Luft kann entweichen. So wird lebenswichtige Zeit gewonnen.

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Eine Drohne, die rettet

Mit dem bereits im Test befindlichen Avilus-Fluggerät „Grille” können schwerverletzte Patientinnen und Patienten ferngesteuert und möglichst schnell aus Gefahrenzonen und Krisengebieten evakuiert werden. Die zukünftig in der Drohne angebrachten Roboterarme ermöglichen eine Behandlung bereits während des Flugs. Dazu schaltet sich eine Ärztin oder ein Arzt zu. Die in der Ferne getroffenen notfallmedizinischen Entscheidungen kann der Roboterarm durch Interventionsmodule umsetzen und so Menschenleben retten.

Unsere robotischen Module sind in der Lage, einige der Handgriffe zu übernehmen, die direkt nach einem Unfall nötig sind.

Weitere robotische Module entwickelt die MiMed-Forschungsgruppe Rescue-Robotics unter Leitung von Christoph Parhofer derzeit. Dabei geht es um Module, die eigenständig über einen sogenannten ossären Zugang Medikamente über den Knochen verabreichen, durch Anlegen eines Tourniquet genannten Abbindesystems starke Blutungen der Arme und Beine stoppen oder im Falle eines militärischen Ernstfalls mit Einsatz von Chemiewaffen beispielsweise Atropin spritzen können. „Unsere robotischen Module sind in der Lage, einige der Handgriffe zu übernehmen, die direkt nach einem Unfall nötig sind“, sagt MiMed-Lehrstuhlinhaber Prof. Tim Lüth, „wichtig ist, dass die Anwendung robust ist und nicht ausfällt, wenn es um Sekunden geht.“

Forschungsprojekt iMEDCAP

Das Forschungsprojekt iMEDCAP wird vom European Defense Fund seit dem Start am 1. Dezember 2023 für drei Jahre mit insgesamt 25 Millionen Euro gefördert. Fokus liegt auf der „Entwicklung von intelligenten militärischen Fähigkeiten zur Überwachung, medizinischen Versorgung und Evakuierung von ansteckenden, verletzten und kontaminierten Personen“. Unter Leitung des TUM-Lehrstuhls für Flugsystemdynamik sind 24 Organisationen aus neun Ländern an den Forschungen beteiligt, darunter das Bundesministerium für Verteidigung, Institute der Bundeswehr sowie das Start-up AVILUS, das u.a. Drohnen für medizinische Evakuierungen entwickelt und von fünf Promovierenden der TUM mitgegründet worden ist.

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