
Von der Robotik bis zur Datenintelligenz: Der medizinische Sektor hat sich in den letzten Jahren durch stetige Innovationen und verbesserte Technologie vor allem im Hinblick auf positive Ergebnisse für Patientinnen und Patienten massiv weiterentwickelt. In den letzten Jahren kam für die moderne medizinische Praxis mit Extended Reality (XR), immersiven Technologien wie Virtual Reality (VR) und Mixed Reality (MR) noch eine weitere Dimension hinzu.
- Virtual Reality (VR) – Immersive Umgebung: VR schafft eine vollständig künstliche, digitale Umgebung, die die reale Welt ersetzt.
- Mixed Reality (MR) – Kombination von Real und Virtual: MR vermischt reale und virtuelle Welten, indem sie digitale Objekte in die reale Welt integriert.
- Extended Reality (XR) – Überbegriff: XR ist ein Sammelbegriff, der die Bereiche VR, AR (Augmented Reality) und MR umfasst.
Heute reichen XR-, VR- und MR-Anwendungsfälle vom präoperativen Training hochkomplexer chirurgischer Eingriffe an hyperpräzisen 3D-Modellen über die Schulung von Medizinern und Medizinerinnen in einer risikofreien Umgebung bis hin zur Verbesserung der Schmerzbehandlung und Rehabilitation. All dies trägt zu dem übergeordneten Ziel bei, Ergebnisse für Patientinnen und Patienten sowie die Qualität der Versorgung zu verbessern – bei gleichzeitiger Kostensenkung.
Verbesserung der medizinischen Aus- und Weiterbildung
Einer der wichtigsten Anwendungsfälle von XR in medizinischen Einrichtungen ist die Aus- und Weiterbildung von Fachpersonal: Angesichts einer alternden Bevölkerung, fortschreitender Techniken und knapper werdender Ressourcen steigt die Nachfrage nach neuen Methoden. Medizinisches Fachpersonal kann so schnell und effektiv aus- und weitergebildet werden. Immersive XR-Umgebungen versprechen Auszubildenden viel effektiveres „Learning by Doing“. Stetig wiederholbare Schulungen erfolgen in realistischen 3D-Simulationen, bei denen die Fähigkeiten aktiv in die Praxis umgesetzt werden, ohne Gefahr für Patientinnen und Patienten.
XR-Programme für mehr Selbstvertrauen
Es gibt viele Szenarien, in denen immersive Technologien von medizinischem Fachpersonal und Studierenden eingesetzt werden, um die Effizienz der Ausbildung zu verbessern. Die Chirurgie ist von Natur aus ein hochkomplexer Bereich, der ein hohes Maß an Kompetenz und Vertrauen in eigene Fähigkeiten verlangt. Eine kürzlich durchgeführte HTC-Studie unter 400 Fachleuten aus dem Gesundheits- und Sozialwesen ergab, dass 86 Prozent der Befragten zustimmen, dass XR-Schulungsprogramme den Auszubildenden Selbstvertrauen geben. Sie würden ihnen auch dabei helfen, das für erfolgreiche Behandlungen erforderliche Muskelgedächtnis zu entwickeln.
VR-basierte Schulungen als Standard
In Großbritannien setzt das University College London (UCL) mit seiner Arbeit mit dem Softwareentwickler ARuVR bereits einen beeindruckenden Standard für die VR-basierte Schulung fortgeschrittener minimal-invasiver Operationstechniken. In der Vergangenheit konnten Klinikerinnen und Chirurginnen, die an Ausbildungsprogrammen teilnahmen, Schulungsmöglichkeiten ausschließlich vor Ort nutzen. Zusätzlich zu Reise- und Zeitaufwänden und den damit verbundenen Kosten erforderte die Vermittlung komplexer chirurgischer Verfahren eine reale Operationsumgebung, was zusätzliche Kontaminationsrisiken mit sich brachte.
Das UCL und AruVR haben ein Programm entwickelt, das es Studierenden ermöglicht, in präzise immersive 3D-Trainingsszenarien einzutauchen und komplexe chirurgische Techniken zu erlernen – vollkommen orts- und zeitunabhängig. Ausbilder des UCL können ihre eigenen Inhalte erstellen sowie ändern und diese dann Studierenden in einer Art und Weise vermitteln, dass sie voll und ganz in das Erlebnis eintauchen können – sei es in einem stationären „Kino-Stil“ oder in 360-Grad-Ansichten. Studierende können dieses immersive Lernen sogar in zeitversetzten Sitzungen absolvieren, so dass sie es leichter in ihren meist hektischen Zeitplan einbauen und bei Bedarf wiederholen können.
Durch virtuelle Schulungen konnte das UCL die Zahl der Studierenden, die chirurgische Eingriffe miterleben konnten, verdreifachen und gleichzeitig das Patientenrisiko minimieren – bei einer gleichzeitigen Kosten- und Zeitersparnis. Dabei wurde festgestellt, dass die Entwicklung von Fähigkeiten schneller war und das Wissen nachhaltiger behalten wurde.
Das Potential des virtuellen Trainings
Mithilfe immersiver Technologien gelang es dem akademisch medizinischen Zentrum NYU Langone in den USA im Jahr 2022, die landesweit höchsten Überlebensraten bei neurologischen und neurochirurgischen Eingriffen zu erreichen. Durch die Erstellung hochpräziser 3D-Modelle der Gehirne von Patientinnen und Patienten konnten Chirurg*innen Operationen in VR üben, und zwar überall und jederzeit. Hierdurch gelingt das Ausprobieren verschiedener Ansätze für anstehende Operationen, bevor sie sich für ihre bevorzugte Vorgehensweise entscheiden.
Sobald eine gewisse Routine erreicht wird, können Chirurg*innen diese immersiven 3D-Modelle verwenden, um Übungen zu wiederholen und alle physischen Bewegungen in Echtzeit und mit großer Genauigkeit nachzubilden . Das gilt sowohl für die Bewegung des eigenen Körpers als auch die Bedienung chirurgischer Instrumente. Die Ergebnisse sprachen für sich, und die NYU Langone konnte signifikante Verbesserungen in puncto Überlebensraten erzielen.
Auch die Medizinische Universität Warschau setzt auf VR-basiertes Training, um Studierende der Zahnmedizin beim Erlernen und Perfektionieren von Verfahren zu helfen, ohne Patient*innen dabei zu gefährden. Auszubildende üben in einer sicheren und präzisen VR-Umgebung und während sie sicherer in ihren Abläufen werden, verbessern sie ihre Wissensspeicherung und steigern Expertisen. Die Universität Warschau konnte dabei gleichzeitig physische und logistische Ressourcen reduzieren, die traditionell für diesen Ausbildungszweig benötigt werden.
Auswirkungen virtueller Therapien

Neben der Ausbildung und der Verfahrenspraxis werden XR-Technologien bereits heute in weiteren Bereichen des Gesundheitswesens mit großem Erfolg eingesetzt. Vor allem das Segment der digitalen therapeutischen Interventionen, die sowohl klinische Prozesse für als auch die allgemeine Gesundheit der alternden Bevölkerung verbessern.
MyndVR bietet etwa immersive therapeutische Erfahrungen, um älteren Erwachsenen zu helfen, die unter kognitivem Verfall leiden. Durch immersive Erlebnisse können Nutzerinnen und Nutzer Orte erkunden und Erinnerungen freisetzen, indem sie Städte besuchen, in denen sie früher gelebt haben, oder ihre Lieblingsurlaubsorte. Durch die Stimulierung ihres autobiografischen und episodischen Gedächtnisses ist XR zu einem leistungsstarken und ansprechenden Werkzeug für die Erinnerungstherapie geworden, das dazu beiträgt, Stress und Ängste abzubauen und gleichzeitig die soziale Interaktion durch Gespräche zu fördern.
Blick in die Zukunft
Die nächste Evolutionsstufe von VR-Headsets ist die Integration von Mixed Reality (MR). MR ermöglicht es, Objekte mit virtuellen Überlagerungen wahrzunehmen. Geräte, wie die VIVE XR Elite von HTC, verfügen über ein sogenanntes RGB-Passthrough, mit dem es gelingt, ein Headset zu tragen und dennoch reale Umgebungen zu sehen.
In anderen Bereichen gibt es bereits Schulungsszenarien, bei denen virtuellen Overlays verwendet werden, um Nutzer*innen zusätzliche, kontextbasierte Informationen anzuzeigen, sei es in Form von diagnostischen Referenzbildern oder Animationen, die nächste Schritte anleiten. Diese technischen Fortschritte werden dazu beitragen, die Akzeptanz in der gesamten Branche zu erhöhen. Unsere kürzlich durchgeführte Studie hat ergeben, dass 86 Prozent der befragten Fachkräfte im Gesundheits- und Sozialwesen, deren Organisationen noch keine XR-Schulungen durchführen, mit einer Umsetzung bis 2026 rechnen.
MR kann der Ausbildung und der Verfahrenspraxis eine zusätzliche, neue Dimension verleihen. Indem beispielsweise komplexe 3D-Modelle der Anatomie in eine reale Umgebung gebracht werden, gelingt Nutzer*innen eine Interaktion bis ins kleinste Detail, sodass sie Probleme vorhersehen und die effektivste Vorgehensweise im Vorhinein detailliert festlegen können. Diese patientenindividuelle Visualisierung trägt durch die gemeinsame Betrachtung eines medizinischen 3D-Bilds und Verfahrensdurchspielung dazu bei, ein besseres Verständnis für Behandlungsansätze zu vermitteln.
Remote-Chirurgie rückt in greifbare Nähe
In nicht allzu ferner Zukunft werden auch 100 Prozent Remote-Operationen durchführbar sein. Schon heute wird hochentwickelte Robotik mit hoher Präzision eingesetzt, und in Verbindung mit schnellem Internet mit hoher Bandbreite und immersiven VR-Headsets wird eine vollständige Remote-Chirurgie in greifbare Nähe rücken. Dies gilt insbesondere für Notfallszenarien und hochspezialisierte Eingriffe, bei denen Expert*innen möglicherweise räumlich weit von ihren Patienten und Patientinnen entfernt sind.
Wie bei allen Technologien müssen auch der Einführung von XR in einer Organisation einige wichtige Überlegungen vorangestellt werden. Und angesichts der Verantwortung, die medizinische Einrichtungen für die Pflege und das Wohlergehen der Patient*innen tragen, sollten Technologien auf die möglichst sicherste und effektivste Weise eingesetzt werden. Das bedeutet, die richtige Mischung aus Hard- und Software ist entscheidend, um Bedürfnissen der Anwender*innen gerecht zu werden – seien es qualifizierte Chirurg*innen, Auszubildende oder Patient*innen.
Immersive Technologien wie VR und MR können eine wichtige Unterstützung bieten und dazu beitragen, die Ergebnisse für Patient*innen zu verbessern. Gleichzeitig wird die Effizienz gesteigert und Zeit und Geld gespart, und das in einer Zeit, in der die medizinischen Fachkräfte mit immer weniger Ressourcen immer stärkerem Druck ausgesetzt sind.
Milimetergenaues Tracking
Der Einsatz von immersiven Technologien im medizinischen Bereich hat in den letzten Jahren vor allem deshalb einen Schub erhalten, da XR-Hardware immer zugänglicher und vielseitiger wird. Ein Beispiel dafür sind Headsets. Moderne Headsets sind leistungsstarke und zugleich leichte Stand-alone-Geräte. Sie benötigen keine externe Hardware für die Stromversorgung des Computers oder das Tracking und lassen sich damit über einen längeren Zeitraum bequem tragen. Dies senkt einerseits die Einrichtungskosten und erhöht gleichzeitig Flexibilität und Mobilität, da diese Geräte in nahezu jeder Umgebung eingesetzt werden können.
Auch die Einrichtung ist für Unternehmen einfacher geworden, da das Gerätemanagement über MDM-Plattformen funktioniert. Headsets wie die VIVE Focus 3 von HTC sind beispielsweise in der Lage, 3D-Bilder in hochauflösender 4K-Auflösung mit millimetergenauem Tracking der Bewegungen darzustellen. Durch die Sicherheits- und Datenschutznormen ISO27001 und ISO27701 ist ein Einsatz ohne rechtliche Bedenken möglich.
In einem Bereich, in dem Präzision von entscheidender Bedeutung ist, kann medizinisches Fachpersonal feine Bewegungen in hochdetaillierten 3D-Modellen verfolgen, um Genauigkeit und Immersion zu verbessern. Mithilfe moderner Tools und Software-Oberflächen ist es auch deutlich weniger komplex geworden, Anwendungen zu entwickeln, die verschiedene chirurgische Instrumente durch den Controller oder andere externe Tracker darstellen, um die Immersion zu erhöhen und realistischere Szenarien zu schaffen.





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