Es gibt bereits Apps, die auf das Erkennen genetischer Erkrankungen mittels Gesichtserkennung oder von Depressionen mittels Stimmanalyse abzielen. Was macht das mit uns und unserer Gesellschaft, wenn wir unsere Gesundheit zunehmend Maschinen anvertrauen?
Das ist eine sehr gute Frage, die man allerdings nur grundsätzlich beantworten kann. Wir vertrauen schon heute in fast uneingeschränktem Maße bestimmten Technologien. Die sind manchmal mit unsichtbaren digitalen Komponenten und manchmal ganz ohne sie aufgebaut. Es gibt ein Urvertrauen in bestimmte Maschinenprozesse, das selten hinterfragt wird. Nun wird aber durch die zunehmenden Möglichkeiten dieser Maschinen auch die Frage immer dringlicher, inwieweit wir ihnen eigentlich vertrauen können.
Voraussetzung dafür ist – und das ist dann wieder eine Chance für Radiologen – ein tiefes Verständnis dieser Maschinen. Erst auf dieser Grundlage können wir überhaupt bewerten, ob Vertrauen möglich ist oder nicht. Das heißt, eine Aufgabe der Radiologen wird in Zukunft darin bestehen, eine tiefe Kenntnis darüber zu entwickeln, wie Maschinen zu Aussagen, Bewertungen, Ergebnissen kommen. Das ist aus meiner Sicht die Basis dafür, dass wir Menschen den Maschinen auch in Zukunft vertrauen können.
Wie sieht aus Ihrer Sicht die Zukunft für die Radiologie aus?
Das ist eine sehr große Frage. Ich denke, wir werden eine Maschinenlandschaft haben, die so intelligent ist, dass Radiologen auch weiterhin die Aufgabe zukommt, zu erklären, zu interpretieren, einzuordnen und zwischen Maschinen und Menschen, die sich nicht im Detail auskennen, zu vermitteln. Wenn es ideal läuft, entwickelt sich das Berufsbild der Radiologen ziemlich intensiv weiter, mit Fokus auf einem tiefen Verständnis der Technologie selbst, und einer empathischen Erklärungsfähigkeit. Das ist keine steil geschossene Zukunftsvision, sondern das, was aus meiner Sicht am realistischsten ist. Wenn es nicht ideal läuft, dann befürchte ich, dass es schlimme Grabenkämpfe geben wird, weil natürlich ein Teil der radiologischen Tätigkeiten durch künstliche Intelligenz ersetzt werden kann. Diejenigen, die ihren beruflichen Schwerpunkt in genau diesem Bereich sehen und in keiner der vielen anderen Aufgaben, für die es ebenfalls Radiologen braucht, die werden sich in ihrem Arbeits- und Fähigkeitsspektrum massiv attackiert fühlen.
Und wie kann man sich dagegen wappnen, von künstlicher Intelligenz überrollt zu werden?
Man kann dem nur vorbeugen, indem man versucht, die Kompetenzen zu verstärken und auszubauen, die eine Maschine nicht ersetzen kann. Kompetenzen, die die Maschine wird substituieren können, sollten nicht in den Vordergrund gestellt werden. Das passiert zwar nicht von heute auf morgen. Aber es ist ziemlich klar, dass von den acht oder neun verschiedenen Aspekten einer Tätigkeit zwei oder drei besonders anfällig dafür sind, maschinell ersetzt zu werden. Wenn man nun genau auf diese seinen Fokus legt, dann glaube ich schon, dass man sehr viel leichter Schwierigkeiten bekommt.





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