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Medical Device RegulationDie Unruhe in der Medizintechnikbranche wächst

Einer der Gründe für die wachsende Kritik der Branche ist der mit dem Inkraft­treten der MDR neu organisierte Zertifizierungsprozess. Die bisherige Listung der sogenannten Benannten Stellen, die für die Zulassung zuständig sind, ist hinfällig. Die Benannten Stellen müssen sich nun unter viel strengeren Regeln neu zertifizieren lassen, weshalb aufgrund der deutlich höheren Anforderungen die Zahl der Benannten Stellen in der EU von derzeit 59 drastisch sinken wird. Aktuell haben laut BVMed erst 21 Stellen ein Antrag zur Neubenennung gestellt. Bei 11 davon sei „eine Auditierung erfolgt – und nicht eine einzige hat bislang die Zulassung bekommen“, schilderte Dr. Joachim Wilke, Direktor Regulatory Intelligence bei Medtronic und Leiter des BVMed-Arbeitskreises Regulatory und Public Affairs, die aktuelle Situation.  

Harter Brexit könnte die Situation weiter verschärfen

Bis Ende Mai 2019 würden erst 2 Benannte Stellen notifiziert sein. „Dann sind bereits zwei Drittel der Übergangsfrist verstrichen und ein Flaschenhals bei den Neuzertifizierungen absehbar. Die Übergangsfristen sind zu kurz und so nicht umsetzbar“, ergänzte Marc Michel, Geschäftsführer des fränkischen Endoprothetetik-Herstellers Peter Brehm und Vize-Vorstandschef bei BVMed. Zum Ende der Übergangsfrist im Mai 2020 rechnet der Branchenverband mit bestenfalls mit 25 Benannten Stellen – und selbst diese Zahl könnte möglicherweise der nahende Brexit durchkreuzen. Weil fünf der bisherigen Benannten Stellen in Großbritannien liegen, könnten die se bei einem harten Brexit im kommenden Frühjahr auch noch entfallen. Tritt dieser Fall tatsächlich ein, würden nach Verbandangaben rund ein Drittel aller derzeit existierenden Zertifikate schlagartig ihre Gültigkeit verlieren.

Doch auch der Aufwand für die MDR-Neuzertifizierung von teilweise seit Jahrzehnten verkauften Produkten ist immens und bringt viele Firmen der überwiegend mittelständisch geprägten Branche an ihre personellen Grenzen. Der Umfang der technischen Dokumentation und der klinischen Überprüfung ist für den neuen Zertifizierungsprozess enorm gewachsen. „Die technische Dokumentation für ein Medizinprodukt der Klasse 3 war bislang rund 600 Seiten stark. Nach MDR beträgt der Umfang etwa 6 000 Seiten“, kritisierte der BVMed-Vorstandsvorsitzende Dr. Meinhard Lugan.

Firmen müssen umfassende klinische Daten liefern

Ferner müssen die Firmen umfassende klinische Daten liefern, was den Unternehmen erhebliche Probleme bereitet. Sie müssen als Partner große Kliniken finden, die die geforderten wissenschaftlichen Ergebnisse liefern. Gerade bei Nischen- und Spezialprodukten hätten Kliniken daran aber kein Interesse, weil diese Studien aufgrund der geringen Zahl wissenschaftlich nicht verwertbar seien, sagte BVMed-Vize Marc Michel. Da dies für diese Produkte MDR möglicherweise das Aus bedeuten könnte, forderte Michel für die Produkte entweder eine „Fast Track Lösung“ oder Bestandsschutz.

Wie groß die Sorgen in den Firmen sind, belegen auch die Zahlen der Deloitte-Befragung. Danach würden 40 Prozent der Firmen bereits auf dem Markt befindliche Medizinprodukte aufkündigen, jedes 2. Unternehmen ist der Meinung, dass Produkte oder Produktlinien aufgrund der erhöhten Anforderungen eingestellt werden müssen. Die vehementen Warnungen der Industrie finden inzwischen aber offenbar Gehör bei der Bundes­regierung und der EU-Kommission. Es gibt  erneute Gespräche – mit dem Ziel, die Folgen der Umsetzung der MDR für die Medtechbranche abzumildern. Ausgang offen.

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