
Es benötigt Präzision, Konzentration, Geduld, Erfahrung und viel Fachwissen. Wenn es darum geht, einen Krebspatienten von einem Tumor zu befreien, kommt es nicht zuletzt auf genaue Schnitte an und darauf, Gewebestrukturen präzise zu erkennen. Etwa bei der Entfernung eines Lebertumors: Handelt es sich bei dem Gewebe wirklich um eine Metastase? Oder ist es vernarbtes Gewebe? Oder gar ein kleines Karzinom inmitten einer Zirrhose-Leber?
Während einer Operation die intrahepatischen Läsionen zu erkennen, könne sehr anspruchsvoll sein, so PD Dr. Carina Riediger, Viszeralchirurgin und geschäftsführende Oberärztin am Universitätsklinikum Carl Gustav Carus Dresden. Zwar würden im Vorfeld solcher Viszeral-Eingriffe Bilder angefertigt, meist mit Magnetresonanztomographie (MRT) oder Computertomographie, die dann intraoperativ mit Ultraschallbildern ergänzt würden. „Das ist State-of-the-Art”, so Riediger.
Das Problem ist jedoch, dass sich damit vitales Tumorgewebe nicht immer zweifelsfrei von Narbengewebe unterscheiden lässt. Vor allem Lebermetastasen, die unter Chemotherapie kleiner geworden sind, oder Leberzellkarzinome, die sich in einer Zirrhose-Leber befinden, können so nicht immer ausreichend detektiert werden. Das kann Folgen haben für den Patienten: Unter Umständen werden Metastasen, die während einer OP nicht gefunden werden, erst Wochen nach der Operation wieder sichtbar, nämlich dann, wenn sie ohne weitere Chemotherapie wieder größer werden. Diese müssen dann in einer erneuten Operation entfernt werden – für den Patienten eine erhebliche Belastung.
Pionierleistung: Leberresektion mit intraoperativer MRT
Carina Riediger geht deshalb neue Wege: Sie hat erstmals – zusammen mit einem Team aus Radiologen, Anästhesisten und weiteren Chirurgen – bei einer Leberresektion intraoperative MRT (iMRT) angewendet. „Die iMRT ermöglicht es uns, relevante Strukturen auch unter schwierigen Gegebenheiten wie Vernarbungen, therapiebedingten Schäden oder anderen Veränderungen des Lebergewebes besser zu erkennen”, sagt die Ärztin und Privatdozentin, die das neue Vorgehen erstmals in einem wissenschaftlichen Fachbeitrag beschrieben hat. „Auch haben wir die Option, innerhalb des Operationsfeldes relevante Bereiche zu markieren oder das Ergebnis der Tumorresektion zu kontrollieren, um den Eingriff bei Bedarf sofort fortzusetzen.“
Die Dresdner arbeiten dafür mit einer sogenannten Kombisuite: zwei OP-Sälen, ausgestattet mit einer digitalen OP-Integrationsplattform und einem angrenzendem Raum mit einem 3-Tesla-MRT. Im konkreten Fall wurde ein 61-jähriger Leberkrebspatient während des laufenden Eingriffs vom OP-Saal in den MRT-Raum geschoben – dank spezieller Tische und einem Transferboard war das innerhalb einer Viertelstunde möglich, ohne dabei die Position des Operierten verändern zu müssen.
Heidelberg war iMRT-Vorreiter
MRT-Scans, angefertigt während einer laufenden OP, setzen sich in der chirurgischen Welt, wenn auch zunächst vorrangig an Unikliniken, immer weiter durch. Eingeführt wurde das iMRT-Verfahren in Deutschland bereits Mitte der Neunziger Jahre in Heidelberg. Neurochirurgen hatten damals erkannt, wie wertvoll es ist, schon im Verlauf eines Eingriffs am Hirn hochwertige Bilder zu erzeugen. Selbst Ärzte mit sehr viel operativer Erfahrung schaffen es nicht immer, Gliome komplett zu resezieren. Während des Eingriffs mag es für den Operateur so aussehen, als hätte er das Krebsgewebe komplett entfernt; im postoperativen MRT aber kann sich später dennoch häufig ein Resttumoranteil zeigen. Das liegt zum einen an der schwierigen Differenzierbarkeit der einzelnen Gewebetypen, zum anderen an den sehr kleinen Zugangswegen im Hirn, die eine komplette Visualisierung kaum möglich machen. Kurz nachdem die iMRT-Methode am Bostoner Brigham and Women‘s Hospital entwickelt worden war, führte deshalb auch das Heidelberger Universitätsklinikum das Verfahren in seiner Hirnchirurgie ein. Heute ist hier ein 1,5 Tesla-Hochfeld-MRT, nach Angaben der Klinik eines von nur 10 iMRT deutschlandweit, im Einsatz; seit 2009 arbeiten die Heidelberger damit. Gerade bei Patienten mit solchen Gliomen, die kein Kontrastmittel aufnehmen und somit schwierig zu erkennen sind, sei es „von besonderem Nutzen”, so das Klinikum. Auch bei der Operation von Hypophysentumoren werde iMRT bereits routinemäßig angewandt.
Leipzig setzt auf intraoperative MRT- und CT-Bildgebung
Ein sichtbares Zeichen für intraoperative Bildgebung setzte in diesem Jahr auch das Universitätsklinikum Leipzig, als es Anfang September einen Erweiterungsbau des Zentralen OP-Bereichs in Betrieb nahm. Drei zusätzliche OP-Säle ergänzen die schon vorhandenen zwölf Säle, jeder ausgestattet mit intraoperativer Bildgebung, in Verbindung mit Navigationstechniken – „die Voraussetzung für eine computergestützte Hochpräzisionschirurgie der Extraklasse”, rühmt sich das Haus. In einem der neuen OP-Säle steht nun ein 3-Tesla-MRT und ein dazugehöriger radiologischer Arbeitsplatz. Auch hier können durch die direkte Verbindung des Operationsbereichs mit dem MRT während eines Eingriffs Kontrolluntersuchungen durchgeführt werden, um zu prüfen, ob ein Tumor maximal erkannt und erfasst wurde.
Dass intraoperative Bildgebung auch für orthopädische und unfallchirurgische Eingriffe eine Rolle spielt, zeigt der Blick in den zweiten in Leipzig neu fertiggestellten OP-Saal: Hier steht ein mobiler Computertomograph (CT) samt 3D-C-Bogen. Er soll vor allem für komplizierte Eingriffe an der Wirbelsäule, am Becken oder an Gelenken eingesetzt werden, auch hier erlaubt das System eine Bildkontrolle noch während der Operation. „Dabei fließen die Daten des CT direkt an das ebenfalls integrierte Navigationssystem zur computergestützten Planung für das korrekte Setzen der Implantate – ein entscheidender Faktor für deren langfristige Stabilität und den Schutz wichtiger anatomischer Strukturen”, so die Klinik.
Intraoperative Sonografie: Weniger Nachoperationen bei Brustkrebs
Doch auch die Sonografie hat weiterhin ihre Berechtigung im OP-Saal, sie werde sogar immer häufiger für Präzisionschirurgie genutzt, weiß die Deutsche Gesellschaft für Ultraschall in der Medizin (DEGUM) und beschreibt das Verfahren so: „Der Operateur legt dabei eine steril bezogene Ultraschallsonde im offenen Körper auf das betroffene Organ und erkennt exakt, wo der Tumor liegt. Er schneidet damit präzise nur das Gewebe heraus, das entfernt werden muss. Die Sonografie wird also dafür genutzt, Operationsinstrumente ultraschall-gesteuert zielgenau in Organe zu bringen, ohne angrenzende Gewebe zu zerstören.”
Bei Brustkrebs konnte etwa in einer 2019 veröffentlichten Studie nachgewiesen werden, dass durch die ultraschall-assistierte Tumorresektion im Vergleich zur konventionellen signifikant weniger Patientinnen nachoperiert werden mussten. Nicht tastbare Knoten müsse der Operateur bisher „quasi blind”, nur mit einem kleinen Markierungsdraht gekennzeichnet, entfernen, so DEGUM-Neupräsident Markus Hahn vom Department für Frauengesundheit am Universitätsklinikum Tübingen. Mithilfe eines Ultraschallkopfes aber, der während der Operation auf die Brust gelegt wird, kann der Operateur nun exakt den Tumor entfernen, ohne unnötig gesundes Gewebe entfernen zu müssen. „Ein Ultraschallgerät sollte Bestandteil jedes Brustoperationssaals sein“, fordert Hahn, der auch Leiter der Experimentellen Senologie in Tübingen ist.
Auch die Viszeralchirurgin Carina Riediger aus Dresden betont in ihrem Beitrag, wie sinnvoll Ultraschall grundsätzlich während eines Eingriffs ist, auch wenn die Studienlage mit Blick auf Leberchirurgie dazu nicht ganz eindeutig sei. Manche Untersuchungen zeigen die Überlegenheit von intraoperativem Ultraschall gegenüber einem präoperativem MRT oder CT; hier ließen sich während einer OP zusätzliche Läsionen entdecken, die weder ein vorheriges CT noch ein MRT vorher gezeigt hätten. Andere Zahlen wiederum deuten auf eine höhere Genauigkeit von MR-Scans hin, die vor einer OP erstellt worden sind. Auch ihr und ihrem Team ginge es mit ihrem Vorstoß am Dresdner Uniklinikum nicht darum, dass bei Leber-OPs das iMRT den Ultraschall ersetzen solle. Vielmehr sei iMRT als zusätzliches Instrument zu sehen. Riediger schätzt, dass bei fünf bis zehn Prozent der Patienten mit Lebermetastasen ein Eingriff mit einem iMRT in Frage kommt. Eine weitere Studie soll nun die Vorteile der Methode untermauern.
Mit diesen Anstrengungen könnte nicht zuletzt auch der Weg frei werden für weitere Anwendungsgebiete: Die erhöhte Genauigkeit, wie sie die intraoperative Bildgebung bietet, wäre nach Riedigers Einschätzung auch für andere Eingriffe relevant. So könnte etwa die Weichgewebschirurgie bei Eingriffen im Becken von der Methode profitieren. Auch hier könnte es fortan möglich sein, selbst kleinste Tumore und Metastasen während der OP genau zu erkennen und direkt komplett zu entfernen, eine zweite Operation würde sich damit erübrigen. Und mehr als das, nämlich tumorfrei aus einer OP aufzuwachen, mit der Aussicht, nicht erneut operiert werden zu müssen, kann man einem Patienten kaum wünschen.





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