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PflegekompetenzgesetzGesetzentwurf zur Pflegekompetenz soll noch im Sommer kommen

Am 20. März hatte das BMG zu einem zweiten Fachaustausch über die Eckpunkte des Pflegekompetenzgesetzes geladen. Wer bei der Ausarbeitung mit an Bord ist, wofür Lauterbachs Vorstoß so viel Zuspruch erhält und wann der Gesetzentwurf kommen soll.

Gabelung
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Symbolfoto

Bereits im Dezember stellte Gesundheitsminister Prof. Dr. Karl Lauterbach (SPD) einen weiteren Baustein seiner Pflegereform vor: das Pflegekompetenzgesetz. Gemeinsam mit der Profession Pflege, der Ärzteschaft und ausgewählten Verbänden wurden die Eckpunkte erarbeitet. Lauterbach betonte bereits damals – und am 20. März anlässlich des Fachaustausches noch einmal, dass „die Pflege deutlich mehr kann als sie darf“. Sein Ziel ist, dass die Pflege künftig „mehr selbstständig und ohne ärztliche Weisung entscheiden“ darf. Das will er im ersten, bereits bekannten Teil seiner Eckpunkte regeln. Dass Pflegekräfte gemäß ihrer Qualifikation künftig auch in der Versorgung mehr Kompetenzen bekommen sollen, stößt auf breite Zustimmung.

Viel Lob für den Vorstoß Lauterbachs

Während Lauterbach für seine Reformvorschläge im Krankenhaus viel Kritik erntet, sieht die Profession Pflege in diesem Gesetzesvorhaben „einen entscheidenden und historischen Schritt“ für die Pflege. So formulierte die Präsidentin des Deutschen Pflegerates Christine Vogler dieses „neue Zeichen der Politik für die Pflege in Deutschland“. Sie sieht darin die Chance, zahlreiche Prozesse zu vereinfachen und die Pflege zu entlasten und attraktiver zu machen. Um das volle Potenzial auszuschöpfen und greifbare Veränderungen in der Versorgung umzusetzen ist eine „gemeinschaftliche und zielgerichtete“ Zusammenarbeit von Bund, Ländern, Kassen und Verbänden unerlässlich. Der Minister scheint bei diesem Gesetz willens zu sein und sucht nach eigener Aussage den Austausch mit den Bundesländern. Er zeigte sich gestern zuversichtlich, dass bei diesem Gesetz kein Vermittlungsausschuss erforderlich werde. Er betonte zudem, wie wichtig es ihm sei, das Pflegekompetenzgesetz zusammen „mit den Praktikern zu entwickeln“.

Die Sprecherin der Fachgruppe Pflegewissenschaft und -praxis an der Evangelischen Hochschule Nürnberg, Prof. Dr. Susanne Schuster, sieht mit dem Pflegekompetenzgesetz die Profession an einem „Scheideweg“. Denn: „Das Gesetz schreibt künftig Pflegefachpersonen dringend zu definierende Aufgaben- und Kompetenzprofile zu, die den Beruf perspektivisch attraktiver machen. Dabei steht die Heilkundeübertragung im Fokus“, führte sie am Rande des Fachaustausches weiter aus. Sie plädiert dafür, die Motivation für die Heilkundeübertragung nicht zu stark auf die Arztentlastung zu legen, sondern gerade bei akademisch ausgebildeten Pflegefachpersonen zu prüfen, ob „bestimmte Tätigkeitsfelder komplett in den Bereich der Pflege“ fallen könnten und eine ärztliche Anordnung gegebenenfalls obsolet machen.

Was das Pflegekompetenzgesetz vorsieht: Die wichtigsten Punkte im Überblick

  • Erweiterung der Befugnisse im Rahmen der häuslichen Krankenpflege und Einbeziehung Pflegefachpersonen in die Feststellung der Pflegebedürftigkeit – inkl. eigenständiger Vergabe von Pflegegraden
  • Aufhebung der §§ 63 und 64 Modellprogramme zugunsten einer erweiterten Wahrnehmung von Versorgungsaufgaben in der Regelversorgung, v.a. in der Wundversorgung, bei Diabetes und Demenz
  • Etablierung der Berufsbilder der Community Health Nurse und der APN im stationären und ambulanten Setting sowie Einführung entsprechender Befugnisse in der Versorgung, bspw. Verordnung von häuslicher Krankenpflege, Hilfsmitteln und bestimmten Arzneimitteln
  • Etablierung einer zentralen berufsständischen Vertretung der Profession Pflege auf Bundesebene (Bundespflegekammer)
  • Stärkung des Amtes der Pflegebevollmächtigten durch gesetzliche Verankerung
  • Möglicherweise Beteiligungsrechte bei berufsständischen und pflegerischen Fachfragen auf Bundesebene, wie pflegerische und interprofessionelle Leitlinien und Versorgungspfade sowie strukturierte Behandlungsprotokolle
  • Verankerung der Pflege im Katastrophenschutz
  • Übernahme der Leitung von Level Ii-Kliniken durch entsprechend ausgebildetes Pflegefachpersonal

Mehr Kompetenz, mehr Verantwortung – und Haftung?

Mit einem Mehr an Kompetenz gehe aber auch mehr Verantwortung einher, so insistierte bereits Ende Januar die Vorsitzende des Marburger Bundes, Dr. Susanne Johna, auf dem Kongress Pflege. Bereits damals betonte Vogler, dass die Pflege sich dessen bewusst sei und diese gerne übernehmen würde. Sie plädiert dafür, dass es zumindest für diejenigen, die es wollen, dich Chance geben müsse, das Berufsbild auszuweiten und mehr Verantwortung zu übernehmen.

Im Zusammenhang mit der Anerkennung von mehr Kompetenzen kam gestern auch die Frage auf, wie sich das auf die Haftungsproblematik auswirkt. Der Minister machte deutlich: „Wenn Pflege mehr darf, dann haftet Pflege natürlich auch entsprechend mehr.“ Lauterbach glaube aber nicht, dass dies generell zu einem Haftungsproblem für Pflegekräfte führen wird. Im Übrigen würden auch Ärzte weiterhin haften.

Neuer Teil des Gesetzes: „Stambulante“ Versorgung

Bereits seit Februar ist bekannt, dass Lauterbach an einem zweiten Teil zu dem Gesetz arbeitet. Seit dem 20. März ist es amtlich, es gibt einen zweiten Teil in den Eckpunkten: „Wir brauchen eine neue Form der Versorgung für Menschen, die in ihrer Häuslichkeit bleiben wollen, aber gepflegt werden müssen – bis hin zum Lebensende, auch wenn dann gegebenenfalls höhere Pflegegrade vorliegen.“ Lauterbach kritisierte „unser derzeit zu starres Pflegesystem“, das nur die Wahl lasse zwischen einem Pflegeheim oder dem Verbleib zuhause. Er selbst nennt diese Versorgungsmischform bzw. „Zwischenlösung“, die bislang hierzulande fehlt, „stambulante“ Versorgung und ist überzeugt, dass sie auch „ökonomisch attraktiv“ ist. Dieser Part wurde in den neuen, zweiten Teil des Pflegekompetenzgesetz aufgenommen und schließt eine Lücke, die bereits seit über zehn Jahren klafft, ist sich der Minister sicher.

Wir brauchen eine neue Form der Versorgung für Menschen, die in ihrer Häuslichkeit bleiben wollen, aber gepflegt werden müssen.

Dem Deutschen Pflegerat kommt im gesamten Beratungsprozess eine koordinierende Rolle zu. Für Vogler ist für den Erfolg des Gesetzes eine intensive und integrative Zusammenarbeit aller Heilberufe bei vollem Einbezug der Profession Pflege maßgeblich. Gleichzeitig sei eine einheitliche und durchlässige Bildungsstruktur in der Pflege sowie eine Konkretisierung des Berufsbildes der akademischen Pflege entscheidend, ergänzte Schuster, bevor es in den Fachaustausch ging.

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