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PflegepersonalregelungBoykott – die PPR 2.0 hängt im Bundesrat fest

Im Gesundheitsausschuss des Bundesrates haben Bayern und Hamburg in letzter Minute ihre Bedenken zur Verordnung der PPR 2.0 geäußert. Neun Bundesländer haben sich daraufhin dagegen ausgesprochen, die Rechtsverordnung am 22. März zu erlassen. Wie es jetzt weitergeht.

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Rechitan Sorin/stock.adobe.com
Symbolfoto

Seit über vier Jahren liegt die PPR 2.0 auf dem Tisch im Bundesgesundheitsministerium (BMG). Der ursprünglich für den 1. Januar 2024 geplante Start der Einführungsphase wurde bereits auf den 1. Juni verschoben. Dafür sollte das neue Personalbemessungsinstrument in den Kliniken am 22. März vom Bundesrat verabschiedet werden. Auf den letzten Metern vor der Zielgeraden haben Bayern und Hamburg im Gesundheitsausschuss nun Bedenken und weiteren Beratungs- und Abstimmungsbedarf angekündigt.

„Der Erlass der Rechtsverordnung steht nicht auf der Tagesordnung der nächsten Sitzung“, bestätigte zum 13. März ein Sprecher des Bundesrates auf Nachfrage von kma. Die nächste Möglichkeit, die Verordnung zu verabschieden, wäre nun die Sitzung am 26. April. Bis dahin muss entweder ein Kompromiss mit dem BMG gefunden werden, das die Rechtsverordnung noch einmal überarbeitet, oder der Bundesrat stimmt der Verordnung unter bestimmten Bedingungen zu, die in der Regel auch mit dem Ministerium abgestimmt werden. Alternativ kommt der Erlass der Rechtsverordnung auch in der nächsten Sitzung nicht auf die Tagesordnung.

Eines ist jedoch klar: Die PPR 2.0 wird nicht zum 1. Juni eingeführt. Das BMG will sich nicht dazu äußern.

Pflege als politischer Spielball?

Während die Pflege seit fast fünf Jahren für die Einführung des neuen Personalbemessungsinstruments in Krankenhäusern kämpft, gerät sie einmal mehr zwischen die politischen Fronten. „Mit diesem Vorgehen wird auf Kosten der Pflegeprofession und der Versorgungssicherheit in Deutschland Politik betrieben“, erklärt Christine Vogler, Präsidentin des Deutschen Pflegerates (DPR). „Es scheint, dass die Verordnung als politischer Spielball im Rahmen der Krankenhausreform missbraucht wird. Das wäre äußerst schädlich und kontraproduktiv“, zeigt sich Vogler enttäuscht.

Trotz Intervention des DPR in der vergangenen Woche – nach Bekanntwerden des Bayerischen Antrags, der grundlegend die Wirksamkeit der PPR 2.0 in Frage stellt – haben sich neun Bundesländer für die Verschiebung des Themas ausgesprochen. Offenbar hat die Tatsache, dass auch das Land Hamburg weiteren Beratungs- und Abstimmungsbedarf sieht, dazu geführt, dass die Mehrheit der Länder sich gegen die Einschätzung des Pflegefachverbandes DPR gestellt hat, den Antrag aus Bayern „strikt abzulehnen“.

Es ist beschämend, die vermeintliche Bürokratie als Argument gegen die Verbesserung der Arbeitsbedingungen und die Sicherstellung der Versorgung zu verwenden.

Der DPR wirft Bayern vor, wortbrüchig zu werden, indem man sich gegen das in der Konzertierten Aktion Pflege festgelegte Pflegepersonalbemessungsverfahren stellt. Vogler spricht sogar von einer „massiven Desinformation“. Sie zeigt sich zudem verwundert über den Antrag aus Bayern, da der Freistaat er jüngst selbst die Notwendigkeit zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen gefordert und in der letzten Bundesratssitzung einen Antrag auf Abbau von Leasingpersonal gestellt hatte. „Es ist beschämend, die vermeintliche Bürokratie als Argument gegen die Verbesserung der Arbeitsbedingungen und die Sicherstellung der Versorgung zu verwenden. Die Argumente Bayerns gegen die Verordnung sind unbegründet und vor allem kein Grund zur Ablehnung dieser“, zeigt sich Vogler entrüstet ob der jüngsten Entwicklungen.

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Der DPR fordert die Länder dringend auf, der Pfegepersonalbemessungsverordnung (PPBV) im Bundesrat schnellstmöglich zuzustimmen. „Sie ist entscheidend, um den Pflegeberuf attraktiver zu machen (…) und der wesentlichste Punkt, um die pflegerische Versorgung sicherzustellen.“ Vogler widerlegt eines der Argumente der Bayern gegen die PPBV und betont, dass die PPR 2.0 bereits heute digital und benutzerfreundlich umgesetzt werden kann. Es sei unverständlich und enttäuschend, warum überhaupt über die PPBV diskutiert werde, da die PPR 2.0 Ergebnis langjähriger Entwicklungen und Erprobungen sei.

Nichtstun löst die Probleme nicht.

„Nichtstun löst die Probleme nicht. Wir haben keine Zeit mehr zu verlieren. Vielleicht ist der politische Druck noch nicht groß genug, um die ernste Situation der gefährdeten Versorgung umfassend anzuerkennen. Eine mehrmonatige Verschiebung oder das Scheitern der Verordnung sind daher inakzeptabel“, erklärt die DPR-Präsidentin.

Auch die Gewerkschaft Verdi, die zusammen mit dem DPR und der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG) die PPR 2.0 entwickelt hat, sieht im Antrag Bayerns einen „Affront gegen die Beschäftigten der Krankenhäuser“. Verdi-Bundesvorstandsmitglied Sylvia Bühler sagte: „Diese Politik ist verlogen und unverantwortlich.“

Hintergrund

Die PPR 2.0 ist Teil des bereits am 1. Januar 2023 in Kraft getretenen Krankenhauspflegeentlastungsgesetzes. Sie wurde in 2023 bereits in Modellversuchen erprobt und sollte ursprünglich zum 1. Januar dieses Jahres verbindlich eingeführt werden. Seit 2019 kämpfen DKG, Verdi und der DPR für die Einführung der PPR 2.0.

Der Deutsche Berufsverband für Pflegeberufe (DBfK) Nordwest e.V. kritisiert ebenfalls den Angriff Bayerns auf die PPR 2.0. Sandra Mehmecke, Geschäftsführerin des DBfK Nordwest, kritisiert, dass die Pläne durchgezogen werden müssten und nicht Spielball politischer Kuhhändler werden dürften: „Wir appellieren an alle Akteure, einmal eingeschlagene sinnvolle Wege nicht im Rahmen politischer Wankelmütigkeit wieder zur Diskussion zu stellen. Hierzu fehlen der professionellen Pflege in Deutschland Zeit und Kraft!“

Die Deutsche Krankenhausgesellschaft geht nicht davon aus, „dass das Abstimmungsergebnis sich aus einer Kraftprobe zwischen Bund und Ländern ergibt, sondern wie in der Begründung erwähnt, dass noch fachliche Bedenken bestehen“, erklärt Prof. Henriette Neumeyer, stv. DKG-Vorstandsvorsitzende. Nichtsdestotrotz bedauere auch die DKG die Entscheidung, denn auch sie sieht die Einführung der PPR 2.0 als überfällig an. Neumeyer betont noch einmal die Sorge der DKG, „dass mit der PPBV kein Ansatz in Richtung eines Ausstieges aus der PpUGV gezeigt wurde und somit Doppelbürokratie auf unbestimmte Zeit die Folge wäre“. Auch sie fordert die Akteure auf, schnell Gespräche zu führen, „um eine tragfähige Lösung zu erzielen“.

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