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BMG im VerzugAuch ohne Verordnung steht der Start der PPR 2.0

Die Anhörungsfrist für die PPR 2.0 ist abgelaufen, die Verordnung selbst ist immer noch nicht erlassen. Bislang liegt nur der Referentenentwurf vor. Warum es trotzdem wie geplant losgeht.

Krankenhaus
Gorodenkoff/stock.adobe.com
Symbolfoto

Die Softwarehersteller sind ebenso verstimmt wie die anderen Beteiligten. Die Pflegepersonalregelung (PPR) 2.0 liegt seit Januar 2020 auf dem Tisch des Bundesgesundheitsministeriums (BMG). Für den 30. November war die Verabschiedung der Verordnung angedacht.

Anfang der Woche wurde jedoch erst der Referentenentwurf veröffentlicht, aus dem hervorgeht, dass sich nichts an dem grundlegenden Zeitplan der verpflichtenden Datenlieferung für das 1. Quartal 2024 und somit für eine Datenerfassung ab dem 1. Januar 2024 ändert: Das Pflegepersonalbemessungsinstrument PPR 2.0 startet zum neuen Jahr auf Normalstationen für Erwachsene und Kinder sowie auf Intensivstationen für Kinder.

Das BMG antwortet auf Nachfrage von kma zur weiteren Timeline: „Die Anhörungsfrist für die Pflegepersonalbemessungsverordnung ist am 29. November 2023 abgelaufen. Das BMG wertet derzeit die eingegangenen Stellungnahmen aus und nimmt die gegebenenfalls als Ergebnis der Ressortabstimmung und Anhörung notwendigen Anpassungen vor. Wir sind bestrebt, die Verordnung so schnell wie möglich zu finalisieren.“

Wir sind bestrebt, die Verordnung so schnell wie möglich zu finalisieren.

Damit die Verordnung in den Häusern umgesetzt werden kann, müssen Softwarehersteller wie Apenio mit erheblichem Aufwand die Regelwerke in der Software umsetzen. Es braucht also Vorbereitungszeit. Übrigens genauso in den Krankenhäusern, wenn die Pflegenden auf die Erfassung der PPR 2.0 geschult werden müssen.

Sebastian Fraas, Geschäftsführer von Apenio, betont: „Wir müssen im Detail prüfen, ob nach der Verabschiedung der PPBV noch Änderungen an den Regelwerken vorgenommen wurden. Und: Das Regelwerk für die Kinder PPR 2.0 ist erst mit der Verordnung öffentlich und frei verfügbar, so dass wir jetzt sehr kurzfristig die Umsetzung dieser Inhalte angehen“. Man werde die Datenlieferung für das 1. Quartal ermöglichen, so Fraas weiter. „Aber auf der einen Seite die digitale Transformation in der Pflege mit Fördermitteln vorantreiben und auf der anderen Seite keine Konvergenzphase in der Umsetzung solcher Regelwerke zu ermöglichen, ist aus Sicht eines Softwareherstellers wirklich herausfordernd und nicht nachzuvollziehen.“ 

PPR 2.0 nicht perfekt, aber machbar

Viele Krankenhäuser haben trotz Abschaffung der PPR 1.0 in ihren Häusern intern mit dem Instrument weitergearbeitet, um überhaupt Anhaltspunkte zum Pflegeaufwand im Zusammenhang mit der Belegung zu haben. Dies diente vielerorts als zusätzliche Orientierungshilfe für die interne Personalverteilung, zum Beispiel von Pool-Personal.

So auch für die Regio Kliniken in Pinneberg und Elmshorn. „Wir haben die PPR 1.0 in unserem KIS integriert und konnten für die Erfassung des Pflegeaufwands einzelne Inhalte anpassen. Auch wenn wir das nicht für eigene Auswertungen nutzen konnten, hatten die Kolleg*innen bereits die Möglichkeit, beispielsweise eine aktivierende Ganzkörperwaschung im Sinne der PPR 2.0-Aufwandsstufe A4 auszuweisen, oder Leistungsumfänge für die Aufwandsstufe S4 darzustellen. Wir warten jetzt auf die aktuelle Version unseres KIS-Herstellers“, erklärt Christiane Neu, aus dem Bereich Pflegecontrolling und -entwicklung der Regio Kliniken.

Wir warten jetzt auf die aktuelle Version unseres KIS-Herstellers.

Die beiden Klinikstandorte haben mit vier Stationen auch an der Erprobungsphase der PPR 2.0 teilgenommen und hatten hierfür bereits die neuen Kriterien in der digitalen Einstufungsmaske hinterlegt. Daher wird die Einführung der PPR 2.0 für die Kolleg*innen der Regio Kliniken nicht eine so große Herausforderung sein. Sie sind die Einstufung gewohnt. Christiane Neu schätzt jedoch die Einführung für Kliniken als schwieriger ein, die bisher nicht mit der PPR gearbeitet und die noch keine IT-gestützte Dokumentation haben. Das deckt sich mit den Kritikpunkten des Abschlussberichts.

Zudem kritisiert Neu, dass wesentliche Tätigkeiten und Interventionen fehlen, auch wenn die PPR 2.0 nicht das Gesamtbild der Pflege widerspiegeln kann. Sie führt an, dass das Thema Beratung in der PPR 2.0 gar nicht berücksichtigt ist, obwohl es eine aufwandsrelevante pflegerische Kernaufgabe ist. „Wir haben auch die Rückmeldung bekommen, dass aufwendige Interventionen wie das Anlegen eines Kompressionsverbands nicht hinterlegt und damit nicht abbildbar ist“, führt sie weiter aus.

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Die Regio Kliniken warten – wie alle anderen Häuser – jetzt auf die neue Software der KIS-Hersteller. Christiane Neu ist zuversichtlich, dass – sobald die Softwarehersteller geliefert haben – auch die Häuser bei ihnen startklar sind. An beiden Klinikstandorten soll es dann noch Schulungen der Key-User geben, damit die korrekte Umsetzung auf den Stationen unterstützt wird. Aber grundsätzlich seien sie vorbereitet und bezüglich des Handlings erwartet sie keine Probleme. „Wir werden die Key-User natürlich auch noch dahingehend schulen, worauf sie explizit achten sollen, wenn sie die Eingruppierung vornehmen. Parallel haben wir unsere Pflegeprozess-Schulungen, in denen wir die PPR 2.0 natürlich auch einbauen“, sagt Neu.

Empfehlung aus dem hohen Norden: Endlich starten

„Ich persönlich würde sagen, wir sollten endlich mit der PPR 2.0 starten, weil sonst unnötig zusätzliche Zeit verloren geht. Die PPR 2.0 könnte schon seit drei Jahren laufen. Und ich hoffe sehr, dass das jetzt zügig passiert. Dass die PPR 2.0 weiterentwickelt werden muss, ist uns und auch vielen anderen bewusst“, erklärt die Expertin für Pflegeentwicklung der Regio Kliniken, die mit ihren Kolleginnen und Kollegen natürlich auf eine weitere Konkretisierung der PPR 2.0 hofft.

Dass die PPR 2.0 weiterentwickelt werden muss, ist uns und auch vielen anderen bewusst.

Sie weiß jedoch auch, dass nicht alle Häuser so gut vorbereitet sind, wie sie und dass es das Jahr des Übergangs zwingend braucht. „So lange brauchen wir die PPUGV in jedem Fall. Zudem brauchen wir sie als Grundlage für die Mindestbesetzung – auch für die normative Regelung der Nachtdienstbesetzung, weil die PPR 2.0 nur den Personalbedarf für den Tagdienst ermittelt“, ergänzt Sandra Nobmann, pflegewissenschaftliche Mitarbeiterin der Regio Kliniken. Personaluntergrenzen werden zwar als durchaus sinnvoll betrachtet, können aber nicht den Pflegeaufwand der Patientinnen und Patienten abbilden.

Nobmann appelliert an die Kliniken, die nicht weiter mit der PPR 1.0 gearbeitet haben, sich zeitnah mit der Grundsystematik des Bemessungsinstruments auseinanderzusetzen. Sie weiß aber auch aufgrund der Erfahrungen mit der PPR 1.0 aus den 1990er-Jahren, wie wichtig die richtige Eingruppierung für eine valide Personalbemessung ist. Nobmann warnt jedoch davor davon auszugehen, dass mit Einführung der PPR 2.0 die Problematik des Fachkräftemangels gelöst sein wird: „Die PPR 2.0 rechtfertigt erstmals einen aufwandsbezogenen Pflegepersonalbedarf. Zusätzliches Personal wird hierdurch jedoch auch nicht automatisch zur Verfügung stehen.“

Pflegeaufwand für die Personalbemessung berücksichtigen

Für Nobmann und ihre Kolleg*innen bleibt es zudem spannend, wie mit dem Thema Qualifikationsmix umgegangen wird. „Fokussiert man sich auf Personalstellen für dreijährig examiniertes Pflegepersonal oder wird auch ein Stück weit den Kliniken erlaubt, die VK so zu besetzen, wie sie es für die Aufgabenteilung für richtig halten? Denn auch eine MFA kann Vitalzeichen kontrollieren und bewerten. Nicht alle Maßnahmen, die in der PPR 2.0 abgebildet werden, müssen zwingend von einer Pflegefachperson durchgeführt werden, die eigentlich die Steuerung des Pflegeprozesses als Hauptaufgabe hat“, erklärt die Pflegeexpertin.

Die Expert*innen der Regio Kliniken erwarten, dass mit der Einführung der PPR 2.0 endlich der Pflegeaufwand bei den Patient*innen für die Personalbemessung berücksichtigt wird, was in der PPUGV nicht der Fall ist. Perspektivisch sehen sie mit der Einführung der PPR 2.0 auch eine Möglichkeit, die Arbeitsorganisation auf den Stationen neu zu gestalten. Denn oft ist es in den Häusern noch so, dass die Einteilung des Pflegepersonals nach primär räumlichen Kriterien erfolgt. Mit der PPR 2.0 könnte man die Einteilung anhand des Pflegeaufwands und der Komplexität der Fälle neu steuern. Die Regio Kliniken sind sich aber auch ziemlich sicher, dass das Pflegebudget zukünftig an den Personalbedarf, der mit der PPR 2.0 ermittelt wird, gekoppelt sein wird, und Pflegepersonalkosten nicht mehr unendlich lange zu 100 Prozent refinanziert werden.

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