
Die Rahmenbedingungen in den Kliniken stellen sich derzeit wie Folgt dar: Es gibt das ungedeckelte Pflegebudget und jeder Personalaufbau in den Kliniken ist dadurch refinanziert. Theoretisch. Praktisch fehlt es an Pflegekräften und die Kostenträger erweisen sich als zähe Verhandlungspartner, die um jeden Cent kämpfen. Es ist daher kein Geheimnis, dass die aktuellen Entwicklungen Experten vermuten lassen, dass es dieses Pflegebudget nicht mehr allzu lange geben wird. Daher braucht es dringend ein Personalbemessungsinstrument, das das Personal abbildet, welches auf Dauer refinanziert wird: Die PPR 2.0 steht hier in den Startlöchern.
Derzeit gelten auch noch die Pflegepersonaluntergrenzen, die eine Mindestpersonalbesetzung darstellen und dem Schutz der Patienten dienen. Der GKV-Spitzenverband erhebt jedes Quartal die Zahlen und es zeigt sich, dass seit Einführung der Pflegepersonaluntergrenzen 2019 anhaltend durchschnittlich 15 Prozent aller Schichten unterbesetzt sind. „Das ist ein pflegerisches Niveau in der Personalbesetzung, das sich keiner wünscht“, mahnte Dr. Mechthild Schmedders vom GKV-Spitzenverband Ende September auf dem Deutschen Pflegetag. Daher ist es zwingend notwendig, ein Pflegepersonalbemessungsinstrument zu implementieren, stimmt auch die Kostenträger-Seite zu. Die Frage, ob die PPR 2.0 dazu taugen, lässt aber noch immer die Gemüter hochkochen. Während der GKV-Spitzenverband das bezweifelt, gibt es auch gute Gründe, die für die Einführung sprechen, die zu Beginn 2024 verpflichtend kommen soll.
Der Zeitplan
Schauen wir zuerst auf den Zeitplan: Die Erprobungsphase – zumindest für bettenführende Stationen der nicht-intensivmedizinischen somatischen Versorgung von Erwachsenen und Kindern sowie der intensivmedizinischen Versorgung von Kindern – ist beendet. Im Abschlussbericht wurde deutlich, dass es noch an einigen Stellen Schwierigkeiten mit den PPR 2.0 gibt, vor allem bei Kliniken mit papiergestützter Dokumentation. Daher bezweifelt niemand, dass eine wissenschaftliche Weiterentwicklung nach § 137l SGB V zwingend notwendig ist. Jetzt sind die Vertragsparteien – also der GKV-Spitzenverband, die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) und der Verband der Privaten Krankenversicherungen – gefragt und müssen bis Ende 2024 die Ergebnisse der Weiterentwicklung an das Bundesgesundheitsministerium (BMG) mitteilen.
Für intensivmedizinische Stationen ist die Ausschreibung und Beauftragung der Erprobungsphase fristgemäß zum 30.10.2023 erfolgt. Das weitere Vorgehen und die Timeline dazu wird derzeit zwischen den Vertragspartnern abgestimmt.
Ziele der Erprobungsphase
- Datenerhebung des derzeitigen Erfüllungsgrades der Soll- und Ist-Besetzung nach der PPR 2.0 und der Kinder PPR 2.0
- Überprüfung der Anwendungsreife der PPR 2.0 und der Kinder PPR 2.0
- Beurteilung des Schulungs- und Dokumentationsaufwandes bei der Einführung der PPR 2.0 und der Kinder PPR 2.0
- Beurteilung der Praktikabilität und des täglichen Zeitaufwandes bei der Nutzung
Ab 2024 schließt dann die verpflichtende Einführungsphase an – zumindest mit einem „Rumpf, der dann im Laufe der Zeit ausgebaut und spezifiziert werden soll“, erklärt Arne Evers, Pflegedirektor des St. Josefs-Hospitals in Wiesbaden, der bereits das Instrument im ersten Pretest begleitet hat. Ausnahmen wird es wohl für Einrichtungen mit Entlastungstarifverträgen geben, da hier bereits die PPR 2.0 bei den Verhandlungen der Verträge zugrunde lag.
Wann das Verordnungsverfahren abgeschlossen sein wird, ist derzeit noch nicht absehbar.
Die Einführungsphase kann vom BMG per Rechtsverordnung erlassen werden. Diese Rechtsverordnung sollte ursprünglich bis 30.11.2023 stehen, damit sie dann zum 01.01.2024 in Kraft treten kann; der Zeitplan ist jedoch sehr ambitioniert und wackelt. Auf Nachfrage im BMG wurde kma mitgeteilt, dass sich der Entwurf der Rechtsverordnung zwar aktuell in der Ressortabstimmung befindet und eine möglichst zeitnahe Anhörung der Länder und Verbände geplant sei. „Wann das Verordnungsverfahren abgeschlossen sein wird, ist derzeit noch nicht absehbar. Das BMG strebt an, die Verordnung so schnell wie möglich zu erlassen, wenn alle angesichts der Komplexität der Materie notwendigen Abstimmungen abgeschlossen sind“, erklärt ein Ministeriumssprecher. In dieser Verordnung sollen dann Vorgaben zur Ermittlung der Anzahl der eingesetzten Pflegekräfte und der auf Grundlage des Pflegebedarfes einzusetzenden Pflegekräfte gemacht werden.
Die Konvergenzphase ab 2025 kommt einer Erweiterung der Rechtsverordnung gleich und stellt das Scharfstellen der PPR 2.0 zur schrittweisen Anpassung der Ist-Personalbesetzung an den konkret erforderlichen Erfüllungsgrad der Soll-Personalbemessung dar. Ziel der Konvergenzphase: Personalaufbau. Da der Zeitplan sehr eng ist, sollen die Häuser die Zeit bekommen, sich und die technischen Voraussetzungen mit entsprechendem Vorlauf so zu gestalten, dass 2025 möglichst keine Sanktionen erfolgen. Dazu gehört laut Verdi auch, jetzt – sofern sich Einrichtungen noch nicht damit befasst haben – betriebliche Ausfallkonzepte zu etablieren, damit es dann 2025 nicht zu Sanktionen kommt, sollten Kliniken die bedarfsgerechte Personalausstattung nicht erreichen. Bis dahin ist es aber noch ein weiter Weg.
Start zum 1. Januar oder nicht?
Einer der Kritikpunkte, der auch im Abschlussbericht der Erprobungsphase erwähnt wurde, ist neben dem fehlenden Qualifikationsmix, dass die PPR 2.0 das Fehlen der Zeit für menschliche Zuwendung nicht hinreichend erfasst. Schmedders vom GKV-Spitzenverband reichen die Kritikpunkte aus dem Bericht, um dafür zu plädieren, die PPR 2.0 zum jetzigen Zeitpunkt nicht einzuführen.
Die DKG hält dagegen, gibt jedoch Schmedders Recht, dass der Qualifikationsmix im Krankenhaus derzeit in den PPR 2.0 zu wenig berücksichtigt wird. Peer Köpf von der DKG ist jedoch sicher, dass das bei der Weiterentwicklung des Instruments berücksichtigt werden wird. Im Gegensatz zu den Kostenträgern bewertet die DKG die Ergebnisse aus der Erprobungsphase eher positiv; Optimierungs- und Schulungsbedarf wird jedoch auch von den Krankenhäusern gesehen – gerade im Hinblick auf die Einstufungsklarheit. Generell fordert die DKG einen längeren Vorlauf und damit keine Scharfschalten zum 1. Januar 2024.
Alle drei Parteien, die an der PPR 2.0 mitgearbeitet haben – Verdi, DKG und DPR – haben jedoch nie gesagt, dass die PPR 2.0 perfekt sind. Es wurde immer betont, dass die PPR 2.0 das Instrument ist, das zügig umgesetzt und dann im Prozess weiterentwickelt werden kann. Niemand spricht die Notwendigkeit dieser Weiterentwicklung ab.
„Wichtiger Schritt“
Fakt ist aber, dass der Gesetzgeber verantwortlich für die Vorgaben der Personalausstattung in den Krankenhäusern ist, die sich am Pflegebedarf orientieren, und schon viel zu viel Zeit vergeudet wurde. Denn: Die Personalsituation verbessert sich nicht. Verdi sieht daher – wie die DKG und der DPR – die PPR 2.0 als „wichtigen Schritt, um die bedarfsgerechte Personalbemessung in den Krankenhäusern umzusetzen“. Verdi sieht im Übrigen auch den Bedarf der Qualifizierung der Beschäftigten in Bezug auf die Dokumentation, auch um den Erfüllungsgrad der schichtgenauen PPR 2.0 transparent und damit für alle nachvollziehbar zu machen. Die Gewerkschaft spricht sich – wie de DKG – daher für einen längeren Vorlauf in den Kliniken von mindestens zwei Monaten aus.
Unser Ziel ist es, den Erfüllungsgrad der PPR 2.0 nah an die Sollausstattung zu bringen.
Verdi, DKG und DPR sind sich perspektivisch im Übrigen einig, dass die PPUGV ausgesetzt werden können, wenn ein Erfüllungsgrad der PPR 2.0 von 80 Prozent erreicht ist. Dann kann auch die doppelte Dokumentation entfallen. Solange es noch keine PPR 2.0 für die Nachtschichten gibt, müssen selbstverständlich die Untergrenzen hier weitergelten. Zudem setzt sich der DPR dafür ein, dass es beim InEK eine pflegewissenschaftliche Abteilung gibt, die die Datenerhebung und Weiterentwicklung begleitet. „Perspektivisch brauchen wir ein Institut für die Personalbedarfsentwicklung in der Pflege“, fordert der DPR, denn der kontinuierliche Weiterentwicklungsprozess laut § 137 l ist nicht nach zwei Jahren abgeschlossen.
Die Ergebnisse der ersten Erhebung zeigen deutlich, dass es einen erhöhten Personalbedarf gibt – nichts Neues, aber erstmal schriftlich verbrieft. Nun geht es darum, welche Lösungen fernab von Einstellungen erarbeitet werden, um für die Patienten eine bessere Betreuungssituation herzustellen.
Auf eines sei an dieser Stelle noch hingewiesen: Die PPR 2.0 wurden aus der Idee geboren, um möglichst schnell ein Instrument zu implementieren, um den Personalbedarf zu ermitteln. Sie liegen seit Januar 2020 auf dem Tisch des BMG und es sind jetzt fast vier Jahre vergangen, die nicht genutzt wurden. Es wird endlich Zeit ins Tun zu kommen und nicht noch länger zu warten, fordert der DPR daher in der Diskussion um die Ergebnisse des Abschlussberichts. Das deckt sich mit den Rückmeldungen der Softwarehersteller, die alle in den Startlöchern stehen. Sobald die Rechtsverordnung erlassen ist und sie wissen, was kommt. Sie werden dann innerhalb weniger Monate alles anpassen, so dass die PPR 2.0 vollständig automatisch ausgeleitet werden kann – zumindest dort, wo digital dokumentiert wird. Nicht zu vergessen, dass es auch noch viele Kliniken gibt, die die PPR von damals weiter erfassen.








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