
Die Pflege-Gesetze standen bei Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) nicht auf der politischen Agenda, als es darum ging, wichtige Gesetze noch vor den Neuwahlen zu verabschieden. Doch was heißt das genau? Alle Gesetzesvorlagen, die bis zur Vertrauensfrage nicht verabschiedet worden sind, „verfallen“ dann gemäß der Diskontinuität. Dass die Pflege-Gesetze im Zuge eines „Omnibusverfahrens“ noch an bereits in der Abstimmung befindliche Gesetze – wie von Christine Vogler, Präsidentin des Deutschen Pflegerates (DPR), gefordert – angedockt werden, ist nahezu ausgeschlossen.
Die Ampel kann nicht erwarten, dass man aus ihren zusammenbrechenden Trümmern versucht, irgendetwas Neues zu gestalten.
Es scheint auch immer unwahrscheinlicher, dass die Rumpf-Regierung mit der Opposition für sie wichtige Gesetze noch verabschiedet – zumal die Pflege-Gesetze bislang hier nicht auf dieser Agenda standen. Alexander Dobrindt (CSU) äußerte sich jüngst im ZDF bei Dunja Hayali hierzu: „Die Ampel kann nicht erwarten, dass man aus ihren zusammenbrechenden Trümmern versucht, irgendetwas Neues zu gestalten. Da wird man sich schon anstrengen müssen, ob es irgendwelche Gemeinsamkeiten gibt.“ Er stellte klar, dass die CDU/CSU nur die Dinge mitgeht, die vereinbart sind – wie das Deutschlandticket. Das jedoch erst, wenn die Vertrauensfrage vom Bundeskanzler gestellt wurde.
Kein Wunder also, dass die Branche wie bereits berichtet daher das Pflegekompetenzgesetz, das Pflegefachassistenzeinführungsgesetz und das APN-Gesetz vor dem vorläufigen Aus sieht. „Diese wichtigen Gesetze werden auf die Wartebank gestellt“, beklagte Vogler. „Zeit ist eine Ressource, über die die Profession Pflege schon lange nicht mehr verfügt. Sie fehlt an allen Ecken und Enden, aber am dringendsten bei der konsequenten Verbesserung der Rahmenbedingungen. Die pflegepolitischen Gesetzesvorhaben, die von der Bundesregierung angeschoben wurden, dulden schlichtweg keinen weiteren Aufschub", prangerte auch die Präsidentin der Vereinigung der Pflegenden Bayerns (VdPB), Kathrin Weidenfelder, jüngst an.
Pflege kann mehr – und muss jetzt wieder warten
Das Pflegefachassistenzeinführungsgesetz war am weitesten im politischen Prozess gediehen und sollte eigentlich bereits in den Bundestag gehen. Die Eckpunkte des Pflegekompetenzgesetzes liegen seit einem Jahr vor. Hier wurde der mit vielen weiteren Punkten angereicherte Referentenentwurf im September vorgelegt. Doch dann kam der Koalitionsbruch und mit ihm nun die Unsicherheit, wie es mit der Profession Pflege und den geplanten Gesetzen von Bundesgesundheitsminister Prof. Karl Lauterbach (SPD) weitergehen wird.
Vogler betont immer wieder die Wichtigkeit dieser Gesetze – allen voran die des Pflegekompetenzgesetzes: „Bundesgesundheitsminister Lauterbach hat es immer wieder gesagt: `Pflege kann mehr als sie momentan darf.´ Die Pflege wartet seit Jahren darauf, endlich Kompetenzen gesetzlich festgeschrieben zu bekommen und damit ihre Handlungsmöglichkeiten zu erweitern.“ Es erschüttere sie, dass „wir so weit in der Gesetzgebung“ waren und die jahrelange Arbeit aller Beteiligten nun brach liege.

Das Pflegefachassistenzeinführungsgesetz stand kurz vor der Beratung im Bundestag.
Auf dem Deutschen Pflegetag sprach sie daher von einer „Katastrophe für die Pflege“. Denn die handwerkliche Arbeit zu den drei Pflege-Gesetzgebungsverfahren ist weit vorangeschritten: „Das Pflegefachassistenzeinführungsgesetz stand kurz vor der Beratung im Bundestag. Das Pflegekompetenzgesetz sollte zu Beginn des Novembers vom Bundeskabinett als Gesetzentwurf beschlossen werden. Die Stellungnahmen waren abgegeben, die ersten mündlichen Anhörungen hatten stattgefunden. Alle Parteien und die Verbände waren sich beim Pflegekompetenzgesetz weitgehend einig. Beide Gesetze sollten zügig verabschiedet werden und dann mit dem Pflegefachassistenzeinführungsgesetz spätestens am 1. Januar 2027 und dem Pflegekompetenzgesetz spätestens am 1. Januar 2026 vollständig in Kraft treten. Denn sie benötigen auch Vorlaufzeit zur Umsetzung. Die Vorarbeiten zum APN-Gesetz waren fertig“, erklärt die DPR-Präsidentin auf Nachfrage von kma den Stand der Gesetze.
Um welche Gesetze geht es?
Pflegekompetenzgesetz
Dieses Gesetz soll Pflegefachpersonen mehr Entscheidungskraft in der Praxis geben und ihnen mehr Kompetenzen im Alltag zugestehen – und diese auch gesetzlich verankern. Das Pflegekompetenzgesetz soll also bundeseinheitliche Regelungen zur Ausübung von heilkundlichen Leistungen bieten. Entsprechend ausgebildete Pflegefachpersonen sollen mit diesem Gesetz beispielsweise die Möglichkeit bekommen, Leistungen für die häusliche Krankenpflege zu verordnen, die Pflegebedürftigkeit festzustellen und eine Empfehlung für Pflege- und Hilfsmittel aussprechen zu können.
Dies geht vielen Berufsverbänden wie dem DPR und dem Deutschen Berufsverband für Pflegeberufe (DBfK) nicht weit genug und es wurden noch Nachbesserungen gefordert. Positiv reagierten die Verbände auf die geplante Beteiligung der Pflegeberufe an der Gestaltung der Gesundheits- und Pflegeversorgung sowie der Zusage, maßgebliche Organisationen der Pflege zu stärken und weiterhin finanziell zu unterstützen. In den Regelungen zu den neuen Wohnformen ist eine gute Verbindung von pflegenden Angehörigen und professionellen Pflegepersonen geschaffen worden. Ungeachtet dessen sollte das Berufsbild der Community Health Nurse laut Koalitionsvertrag eingeführt werden, was jedoch nicht im Gesetz thematisiert wird.
APN-Gesetz
Das APN-Gesetz soll das Pflegekompetenzgesetz ergänzen und dazu dienen, das APN-Profil einzuführen bzw. die Rolle der APNs zu stärken und damit die fachliche Anbindung der professionell Pflegenden festzuschreiben. Das Berufsbild der Community Health Nurse, einer speziellen Ausrichtung der Advanced Practice Nurse, wird damit ebenfalls festgelegt und dem letzten Koalitionsvertrag damit nachgekommen.
Pflegefachassistenzeinführungsgesetz
Mit diesem Gesetz hat man sich erstmals auf eine bundesweit einheitliche Ausbildung im Bereich der Pflegeassistenz geeinigt. Ab 2027 sollte eine Ausbildungszeit von 18 Monaten greifen und die bis dahin 27 unterschiedlichen landesrechtlichen Pflegehilfe- und Pflegeassistenzausbildungen ablösen.
Das Gesetz dient dazu, Pflegefachassistenzpersonen besser und einheitlich zu qualifizieren, damit sie künftig mehr Verantwortung im Pflegeprozess übernehmen können. Es sieht zudem für Personen mit Berufserfahrung Verkürzungsmöglichkeiten vor und eine angemessene Ausbildungsvergütung. Dieses Gesetz vereinfacht auch die Anerkennung ausländischer Pflegekräfte und erleichtert den Einstieg in den Pflegeberuf.
Die Hoffnung stirbt zuletzt
Auch Vera Lux, Präsidentin des DBfK, sorgt sich darum, dass die wichtigen Pflege-Gesetze jetzt nicht mehr verabschiedet werden. Sie setzt auf Karl-Josef Laumann (CDU), der „hoffentlich in den Koalitionsverhandlungen mit an Bord sein wird“ und bleibt optimistisch. Der NRW-Minister betonte auf dem Deutschen Pflegetag, dass die Gesetze eine gute Grundlage seien und eine künftige Regierung diese zügig verabschieden könnte. „Wir müssen als Profession Pflege nachhaltig – egal, welche Regierung kommt – darauf hinwirken, wie wichtig die Pflege-Gesetze sind und Druck machen, dass diese Gesetze zeitnah von der neuen Regierung beschlossen werden,“ sagte Lux und ist damit ganz nah bei den Forderungen des DPR und der VdPB. Dafür sei es wichtig, die Profession Pflege zu den big five Wahlkampfthemen zu machen, forderte Peter Koch, Vorsitzender des Pflegebündnisses Mittelbaden e.V. und Vorstandsmitglied im Bundesverband Pflegemanagement.
Worst Case
DPR-Präsidentin Vogler äußerte sich bereits kurz nach dem Ampel-Aus: „Alle Fraktionen sind sich einig bei den Pflege-Gesetzen. Ihre Notwendigkeit wird von allen gesehen. Der DPR fordert daher, dass die neue Regierung umgehend die Vorarbeit bezüglich der Pflege-Gesetze aufnimmt und diese Gesetze – ohne sie neuerlich zu hinterfragen und zu diskutieren – verabschiedet.“
Sie zeichnete auch den Weg vor, den Deutschland einschlägt, sollten diese dringend notwendigen Pflege-Gesetze nicht schnell verabschiedet werden: „Dann geraten wir in eine verheerende Sackgasse und riskieren eine Versorgungskrise ungeahnten Ausmaßes. Wir werden die pflegerische Versorgung der Menschen im Land dann nicht mehr sicherstellen können.“ Weidenfelder ergänzt, dass die Gesetze auch noch Zeit bräuchten, „bis sie flächendeckend ihre volle Wirkung entfalten“, und warnte davor, „dass Pflegepolitik jetzt zum Spielball parteipolitischer Scharmützel wird“.








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