
Der Wissenschaftsrat hat jüngst eine stärkere Berücksichtigung von Pflege-, Hebammen und Therapiewissenschaften durch den Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) und den Innovationsfonds gefordert. Wir sind hierzulande noch weit von den 2012 vom Rat empfohlenen und Ende Oktober erneut bekräftigten 20 Prozent entfernt und hinken international hinterher. Bislang sind erst knapp über zwei Prozent der Pflegenden hierzulande akademisch ausgebildet.
Bislang sind erst knapp über zwei Prozent der Pflegenden hierzulande akademisch ausgebildet.
Warum ist das so?
Pflege zu studieren ist in Deutschland immer noch nicht attraktiv genug und wird im Gegensatz zu den USA oder den skandinavischen Ländern von der Gesellschaft, den Kliniken und den Pflegekräften selbst nicht genug wertgeschätzt. Das hängt sicherlich auch mit den fehlenden Perspektiven zusammen: Zum einen gibt es zu wenig anschließend adäquate Einsatzmöglichkeiten in den Einrichtungen, zum anderen ist die Vergütung nach dem Studium meist immer noch identisch mit der nicht akademisch qualifizierter Pflegefachkräfte. Kein wirklicher Anreiz für Studierende dieser Fachrichtungen.
Es wird künftig möglich sein, Pflege zu studieren und seinen eigenen Lebensunterhalt zu bestreiten.
Immerhin eine Hürde, die bislang einem Studium der Pflege oftmals noch im Wege stand, wird hoffentlich bald Geschichte sein: Es wird künftig möglich sein, Pflege zu studieren und seinen eigenen Lebensunterhalt zu bestreiten. Denn mit dem Pflegestudiumsstärkungsgesetz, das gerade auch vom Bundesrat beschlossen wurde, sollen Studenten ab 2025 für die gesamte Dauer ihres Studiums – unabhängig von Träger und Bundesland – eine Ausbildungsvergütung bekommen. Die Finanzierung des praktischen Teils der hochschulischen Ausbildung soll dabei in das bestehende Finanzierungssystem der beruflichen Pflegeausbildung integriert werden. Ein wichtiger Schritt, um das Pflegestudium attraktiver zu machen und die Profession insgesamt aufzuwerten. Zukunftsweisend, um mehr Menschen für eine hochschulische Pflegeausbildung zu gewinnen. Um die Bachelor- und Masterabsolventen anschließend aber auch in der Praxis halten zu können, braucht es entsprechend attraktive Einsatzfelder, die sich von denen der fachschulisch ausgebildeten Pflegenden unterscheiden. Das ist momentan nicht der Fall.
Auch ist ein deutlich klareres Rollen- und Kompetenzprofil – auf internationalem Niveau – nötig.
Auch ist ein deutlich klareres Rollen- und Kompetenzprofil – auf internationalem Niveau – nötig. Der Mehrwert für die hochschulische Pflegeausbildung muss klar werden und dazu gehört beispielsweise ein Berufegesetz zu Advanced Practice Nursing (APN).
Es tut sich zwar seit ein paar Jahren bezüglich des klinischen Einsatzes von APNs einiges – auch dank des Engagements der Uniklinika in dem Bereich, dennoch bedarf es für die „Emanzipation des Pflegeberufes“, wie Pflegebeauftrage Claudia Moll (SPD) euphorisch das Pflegestudiumsstärkungsgesetz feierte, noch weit mehr. Mehr Kompetenzen beispielsweise durch die Übertragung – zumindest heilkundlicher – Tätigkeiten und eine flächendeckende Selbstverwaltung. Das sind Stellschrauben, an die sich die Politik trotz Koalitionsvertrag noch immer nicht gewagt hat.
Akademisierung der Pflege in den USA seit 1909
Um international anschlussfähig zu bleiben bzw. erst einmal zu werden, ist eine Akademisierung nicht wegzudenken. In den USA nahm die Akademisierung bereits 1909 ihren Anfang, in Großbritannien werden Pflegekräfte seit den 1950-er Jahren akademisch ausgebildet, in den Skandinavischen Ländern und Australien seit den 1980-er Jahren. Aus den Erfahrungen dieser Länder weiß man, dass mit der Akademisierung der Pflege auch mehr Anerkennung, mehr Ansehen und Zufriedenheit einhergehen und das Macht- und Hierarchiegefälle zu anderen medizinischen Berufen reduziert wird. Ein Weiter-so kann es in Deutschland nicht mehr geben – auch vor dem Hintergrund des Fachkraftmangels in der Pflege.
Der demografische Wandel, der Anstieg chronischer Erkrankungen und der technologisch-wissenschaftliche Fortschritt gehen auch an der Profession Pflege nicht spurlos vorbei. Die Anforderungen an die Pflegenden sind mittlerweile so komplex, dass es dringend notwendig ist, innovative Herangehensweisen, größere Handlungsautonomie und Entscheidungskompetenzen sowie begleitende wissenschaftliche Forschung in diesem Heilberuf zu etablieren. Wir brauchen künftig vielmehr Pflegekräfte, die Pflegehandlungen kritisch hinterfragen und für neue Technologien offen sind, die einfühlsame Fürsprecher für die Patienten sind und die die Profession Pflege weiterentwickeln und evidenzbasiert forschen. Mit Bachelorabschluss in der Regelversorgung am Bett, mit Masterabschluss auch in spezialisierte Rollen, wie die APN zum Beispiel im Bereich der Wundversorgung, Demenz, Community Health oder Diabetes Mellitus.
Nur so öffnen wir Türen für junge Menschen, auch morgen noch den Beruf zu ergreifen.
Akademisierung ist nachweislich ein Schlüssel zu einer hochwertigen Versorgungsqualität, weil ein höherer Anteil an akademisch ausgebildeten Pflegefachpersonen zu besseren Ergebnissen für die Patientinnen und Patienten führt. Auch Qualitätsentwicklung geht also nicht ohne Akademisierung. Und bessere Ergebnisse für die Patienten wünsche ich mir, wenn ich in die Lage komme, auf Pflege angewiesen zu sein! Daher ist die Akademisierung der Pflege der einzige sinnvolle und zukunftsweisende Weg zur Professionalisierung des Pflegeberufs. Nur so öffnen wir Türen für junge Menschen, auch morgen noch den Beruf zu ergreifen.
Dennoch muss auch allen Beteiligten klar sein, dass ein Mehr an Pflege-Studierenden auch dazu führen kann, dass sich die Ausbildungszahlen weiter rückläufig entwickeln. Denn mit dieser Option kannibalisiert das Pflegestudium die fachschulische Ausbildung. Dennoch ist es unbestritten, dass die Akademisierung und damit die Professionalisierung und Weiterentwicklung der Pflege weiter vorangetrieben werden muss!







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