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Krankenhausreform„Dieser Gesetzentwurf ist ein Stoppschild für die Pflege“

Seit Ende September liegt er zur Prüfung bei den Ländern: der Referentenentwurf zur Krankenhausreform. Viel diskutiert, vielfach angepasst. Doch aus Sicht der Pflege besteht weiter Verbesserungsbedarf. Vielen geht der Entwurf nicht weit genug. Ein Stimmungsbild.

Kritik
Domoskanonos/stock.adobe.com
Symbolfoto

Man hätte meinen können, mit den neuen Versorgungsformen, die die Krankenhausreform vorsieht, wäre die Profession Pflege mit ihrem Know-how erstmals anerkannt worden. Insbesondere durch die Level Ii-Krankenhäuser, die nach den vom Bundesgesundheitsministerium (BMG) im Juli vorgelegten Eckpunkten auch unter pflegerischer Leitung hätten stehen können. Im aktuellen Gesetzentwurf, der momentan von den Ländern geprüft wird, liest sich davon allerdings nichts mehr.

Dennoch schürte das Ministerium auf dem Deutschen Pflegetag Hoffnung. Prof. Tom Bschor, Leiter und Koordinator der Regierungskommission für eine moderne und bedarfsgerechte Krankenhausversorgung am BMG, gab in einem Vortrag zu, „dass ein Problem der Pflege im Krankenhaus die verkrusteten Strukturen aus dem 19. Jahrhundert“ seien.

Pflegerische Leitung soll möglich sein

Bschor beteuerte, „dass sich alle – auch alle Ärzte – in der Kommission einig sind, dass die Pflege in ihren Kompetenzen und ihren Aufgabenbereichen deutlich aufgewertet werden muss“. Die Pflege müsse selbstständig arbeiten können, ohne Anordnung von Ärzten und sie müsse eine akademische Schiene bekommen.

Auf Nachfrage von kma bestätigte Bschor, dass die Level Ii-Krankenhäuser in pflegerischer Leitung sein können und dafür die gesetzlichen Grundlagen geschaffen werden müssen. Er bat, die aktuelle Diskussion als noch nicht abgeschlossen zu sehen, schließlich handle es sich erst um einen Gesetzentwurf. Zudem beteuerte er, die Regierungskommission werde weiter darauf dringen, dass die Pflege ihren Platz in der Reform bekommen werde.

kma hat auch mit Pflegeexperten gesprochen, um zu zeigen, wie die Profession selbst zu dem Gesetzentwurf steht. Vielen geht er nicht weit genug:

„Die Krankenhausstrukturreform hat zum Ziel die Versorgung zu sichern, die Versorgungsqualität zu erhöhen und bürokratische Hürden abzubauen. Angesicht der derzeitigen Lage der klinischen Versorgung sieht auch der DPR Reformbedarf und begrüßt strukturelle Veränderungen im Krankenhausbereich.

Um die angestrebten Ziele zu erreichen, muss allerdings ein viel größerer Blick auf die Verbesserung der interprofessionellen Zusammenarbeit als wesentlicher Erfolgsfaktor gerichtet werden. Interprofessionelle Zusammenarbeit bedeutet Interaktion, Abstimmung in Prozessen und Strukturen und das Einbringen der Fachlichkeit aller Beteiligten, damit gemeinsame Ziele erreicht werden können.

In diesem Kontext besteht großer Handlungsbedarf, um die rechtlichen Voraussetzungen auch für Pflegefachpersonen zur Ausübung ihrer heilkundlichen Tätigkeiten zu schaffen. In allen pflegerischen Versorgungsbereichen müssen angemessene Qualifikationsmixe von Pflegefachpersonen in der Zukunft gesichert werden. Vor allem in Primärversorgungszentren, die einen wesentlichen Beitrag zur Verbesserung der regionalen Versorgungsqualität beitragen können, müssen zur Qualitätssicherung unter anderem behandlungsprozessleitende Aufgabenfelder beziehungsweise Aufgabenkomplexe für akademisierte Pflegefachpersonen geschaffen werden.

Angemessene Qualifikationsmixe von Pflegefachpersonen müssen gesichert werden.

Diese Strukturen und eine Stärkung der sektorenübergreifenden Zusammenarbeit können durch den Einsatz von Community Health Nurses enorm unterstützt werden. Insbesondere braucht es den Einbezug der Pflegewissenschaft bei Bewertung, Setzung und Entwicklung nötiger Qualitätsindikatoren und -kriterien, wenn wir heute und auch in Zukunft Versorgungssicherheit gewährleisten wollen.

Eine Strukturreform im Krankenhausbereich ohne Schaffung dieser Voraussetzungen kann die angestrebten Ziele nicht erreichen. Die Qualität in der Versorgung kann nur dann verbessert werden, wenn über einzelne Sektoren hinausgedacht und geplant wird.

Einige dieser Forderungen sind in Entwürfen zum Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz vorformuliert beziehungsweise wurden angekündigt. Jetzt gilt es, diese auch umzusetzen und die Grundpfeiler für eine zukünftige, qualitativ hochwertige und interprofessionelle ausgerichtete Versorgung zu schaffen.“

„Die Krankenhausreform soll unkontrollierte Klinikschließungen vermeiden und dafür Sorge tragen, dass eine flächendeckende und qualitativ hochwertige Patientenversorgung stattfindet. Eine Umstrukturierung der Krankenhausorganisation sowie eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen, um gut ausgebildetes Personal einzusetzen, sehe ich als wichtigen Schritt und mit Blick auf den demografischen Wandel unabdingbar. Jedoch sehen Vorstellung und Realität anders aus.

Die Reform wurde zum größten Teil aus der ärztlichen Perspektive entwickelt und lässt somit die Expertise der Pflege hintenüberfallen. Es ist – trotz der Absichtserklärungen von Prof. Bschor auf dem Deutschen Pflegetag – immer noch nicht genau geklärt, wer die zukünftigen Level Ii-Krankenhäuser leiten soll beziehungsweise darf. Auch im vorliegenden Arbeitspapier zum neuen Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz gibt es keine Antwort dazu.

Prof. Bschor hat auf dem Deutschen Pflegetages dazu zwar verlautbaren lassen, dass die Verantwortung im Bereich der Pflege liegen könnte. Was das in der Praxis dann jedoch bedeutet, und ob die Leitung in den Händen des Pflegemanagements oder von wissenschaftlich qualifizierten Pflegefachpersonen liegen soll und wie die Weisungsbefugnis gegenüber anderen Berufsgruppen aussieht, bleibt abzuwarten.

Viele Themen, die immer wieder angestoßen werden, sind noch offen.

Die Krankenhausstrukturreform ist an der Praxis vorbeigeplant worden, und es ist eine Zumutung der regierenden Politik in Zeiten dringend notwendiger Reformen, dass immer wieder kleine Puzzlesteine ins System geworfen werden, die für mehr Unsicherheit sorgen, als dass sie Klarheit bringen. Viele Themen, die immer wieder angestoßen werden, sind noch offen. Die Implementierung der PPR 2.0 wirft immer noch viele Fragezeichen auf. Digitalisierungsmaßnahmen im Rahmen des Krankenhauszukunftsgesetzes sind überwiegend Bruchstücke statt Meilensteine.

Was wir jetzt brauchen, sind Transparenz und Verlässlichkeit in den politischen Aussagen, um eine massive Verbesserung der Arbeits- sowie Rahmenbedingungen für eine qualitativ hochwertige Patientenversorgung herbeizuführen.“

„Mit der Krankenhausstrukturreform sollen die Krankenlandschaft angepasst und die Krankenhausfinanzierung umgestellt werden. Am Ende wird es deutschlandweit weniger Krankenhäuser geben, dafür soll es eine bessere Vernetzung mit ambulanten Strukturen, zum Beispiel in regionalen Gesundheitszentren (RGZ), Primärversorgungszentren (PVZ), integrierten Gesundheitszentren oder ambulant-stationären Zentren geben. Eine Krankenhausreform (SGB V) allein reicht daher nicht, es braucht gleichermaßen eine Reform der Pflegeversicherung (SGB XI), wenn die Planung aufgehen soll. Ansonsten ist es lediglich eine Verschiebung von Leistungen zwischen den Sektoren, die jedoch ähnliche Probleme haben, sowohl finanziell wie personell.

Unverändert bleibt die Zuständigkeit der Länder für die Vorhaltung einer bedarfsgerechten Krankenhausstruktur sowie der auskömmlichen Finanzierung der Investitionskosten. Dafür waren die Länder aber auch bisher schon zuständig; sie sind dieser Aufgabe jedoch nicht hinreichend nachgekommen. Ich frage mich, warum dies nun auf einmal anders sein soll.

Indirekt findet Rationierung bereits heute statt.

Insgesamt wird nicht mehr Geld ins System gegeben, sondern es findet eine Umverteilung zwischen den Krankenhäusern / Leistungsgruppen statt. Gleichzeitig nimmt der Versorgungsbedarf aufgrund einer immer älter werdenden Gesellschaft zu. Man fragt sich, wie das ohne Rationierung beziehungsweise Leistungskürzungen funktionieren soll. Denn so hat sich Bundesgesundheitsminister Prof. Karl Lauterbach gegenüber dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) am 15. Juni 2023 geäußert: „Mit mir wird es keine Leistungskürzungen geben.“ Ich bin äußerst skeptisch, dass dies gelingt. Schon heute sind zahlreiche Betten geschlossen, Servicezeiten werden verkürzt, und es gibt immer längere Wartezeiten auf elektive Eingriffe. Indirekt findet Rationierung bereits heute statt.

Die Profession Pflege ist bei der Strukturreform nicht aktiv eingebunden. Der Deutsche Pflegerat mahnt dies immer wieder an, leider mit wenig Erfolg. Insbesondere die Rolle der Pflege in Level Ii-Krankenhäusern bleibt offen. Von der ersten Idee, dass diese Einrichtungen auch von Pflege geleitet werden können, ist man wieder abgerückt. Übrig bleibt ein undurchsichtiges Konstrukt, wo die Arztdominanz erhalten und die Rolle der Pflege nach wie vor traditionell mit wenig Autonomie angedacht ist. Wieder einmal wird die Chance nicht genutzt, das Potenzial der professionellen Pflege für die Sicherstellung der Versorgung auszuschöpfen. In Anbetracht der Herausforderungen in Bezug auf die Versorgungsbedarfe der Zukunft ist dies gegenüber der Gesellschaft und den Patienten und Patientinnen unverantwortlich. Es braucht eine Krankenhausreform, das ist unbestritten. Inwieweit allerdings die genannten Ziele der Krankenhausreform tatsächlich erreicht werden, bleibt abzuwarten.“

Kommt die Krankenhausreform wie derzeit angedacht, hat die Profession Pflege wieder einmal das Nachsehen. Der Deutsche Pflegerat (DPR) sieht die Reform als „Stoppschild für die Profession Pflege“. Auch der Bundesverband Pflegemanagement sowie andere Pflegefachverbände, wie etwa der Deutsche Berufsverband für Pflegeberufe, findet ähnlich deutliche Worte und äußern scharfe Kritik. Der VPU hebt vor allem die guten Ansätze hervor:

„Zur Sicherstellung einer qualitativ hochwertigen, flächendeckenden und bedarfsgerechten Krankenhausversorgung verfolgt das Eckpunktepapier der Krankenhausreform drei Ziele, die der Verband der PflegedirektorInnen der Universitätskliniken (VPU) grundsätzlich positiv bewertet. Hier ist insbesondere die überregionale Koordination von Versorgungsleistungen durch Uniklinika sowie weitere Maximalversorger zu nennen. Dieses Versorgungsinstrument ist vor dem Hintergrund der gesellschaftlichen Herausforderungen ein wesentliches Element.

Von zentraler Bedeutung ist die Rolle der Uniklinika bei der Erfüllung der überregionalen Koordination und zur Verfügungstellung von finanziellen Mitteln. Zudem sieht das Bundesgesundheitsministerium in der Reform die Veröffentlichung von Daten des Leistungsangebots und von Qualitätsaspekten des stationären Versorgungsgeschehens vor. Zur Umsetzung werden die Krankenhäuser in Versorgungsstufen (Level) zugeordnet. Die Krankenhäuser müssen bei der Veröffentlichung keine Konsequenzen erwarten. Der entsprechende Gesetzentwurf des Krankenhaustransparenzgesetzes (Drucksache 20/8408) wurde auch Ende September bereits an die (Pflege-)Verbände zur Stellungnahme versandt.

Allein die Tatsache kann sich positiv auf die Stärkung der Pflegeprofession auswirken.

Grundsätzlich ist die Transparenz des Leistungsangebotes und der Versorgungsqualität und -strukturen zu begrüßen. Auch ist die Einteilung der Krankenhäuser in Level hinsichtlich der Stärkung und Verdeutlichung von Versorgungsstrukturen relevant. In der Reform werden Plankrankenhäuser nach § 108 Nummer 2 SGB V, sprich sektorenübergreifende Versorger nach Level Ii-Krankenhäuser, definiert. Diese Einrichtungen sollen eine wohnortnahe medizinische Versorgung sicherstellen. Gemäß Krankenhausdefinition der Reform kann eine pflegerische Leitung zur Führung des Geschäfts eines Level Ii-Krankenhauses vorgesehen werden. Allerdings obliegen dem ärztlichen Personal die fachlich-medizinischen Entscheidungen. Die pflegerische Leitung besitze keine fachliche Weisungsbefugnis gegenüber dem ärztlichen Personal, heißt es zur Erklärung. Auch wenn dieser Schritt hinter den Erwartungen zurückbleibt, kann sich allein die Tatsache, dass für Pflegefachpersonen die Möglichkeit der Übernahme einer Leitung eines sektorübergreifenden Standortes besteht, positiv auf die Stärkung der Pflegeprofession auswirken.“

Es bleibt spannend, wie es weitergeht und ob die Profession Pflege mit ihren Kompetenzen – wie von Prof. Bschor versprochen – noch in den Entwurf eingearbeitet wird. Die sechs Wochen Bearbeitung durch die Länder enden bald, zeitgleich werde aber weiter an dem Entwurf gearbeitet, heißt es aus dem BMG. Wir dürfen also künftig mit weiteren Aktualisierungen des Gesetzentwurfes rechnen. Für die Pflege spannend werden vor allem die Paragrafen 115 g und 115 h.

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