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Implementierung von InnovationenWie Pflegefachkräfte für digitale Technik motiviert werden können

Eine Studie hat die Einstellung von Pflegefachkräften gegenüber digitaler Technik untersucht. Die Ergebnisse liefern Pflegedienstleitungen Hinweise dazu, mit welchen Argumenten sie Pflegekräfte zur Nutzung von digitalen Geräten motivieren können.

Die erfolgreiche Implementierung digitaler Technik im Krankenhaus hängt wesentlich von der Akzeptanz der Mitarbeitenden ab. Die Wissenschaftlerinnen Lisa Korte und Prof. Dr. Sabine Bohnet-Joschko von der Universität Witten/Herdecke haben in einer aktuellen Studie im Rahmen des Projekts „ATLAS Digitale Gesundheitswirtschaft“ untersucht, wie Führungskräfte in der Krankenhauspflege ihre Mitarbeitenden überzeugen können, die Installation von digitalen Innovationen bei ihrer Arbeit zu unterstützen. 299 Pflegefachpersonen, die vor allem über soziale Medien angesprochen wurden, haben sich an der Befragung beteiligt.

Argumente zur Motivation

Die Wissenschaftlerinnen haben die Befragung als sogenannte Vignettenstudie angelegt. Dabei wird eine fiktive Situation beschrieben und mit unterschiedlichen Faktoren variiert. Im vorliegenden Fall kündigt eine Pflegedienstleitung in einer realistisch formulierten Ansprache an, eine digitale Innovation einzuführen. Mit bestimmten Argumenten versucht sie, die Pflegefachkräfte zur Nutzung dieser neuen Technologie zu motivieren. Als Innovationen wählten die Studienautorinnen zwei Technologien, die bei der digitalen Pflegedokumentation verwendet werden und einen unterschiedlichen Neuheitsgrad haben: Tablets und Datenbrillen. Tablets sind eine aus dem privaten Umfeld vertraute Technik. Pflegefachkräfte können sie ständig mit sich führen und für die Dokumentation nutzen. Die Datenbrille hingegen ist noch wenig bekannt. Sie projiziert Patienteninformationen auf die Brillengläser und kann so die Pflegefachkräfte bei ihrer Arbeit am Patienten unterstützen. Eine weitere aktuelle Innovation, Pflegeroboter, haben die Studienautorinnen verworfen. In mehreren Gesprächen im Vorfeld der Studie hatte sich herausgestellt, dass es in den deutschen Krankenhäusern eine ablehnende Haltung des Pflegepersonals gegenüber Servicerobotern gibt.

„Motivation ist ein großer Einflussfaktor in pflegerischen Teams im Krankenhaus“, erklärt Lisa Korte, die die Studie im Rahmen ihrer Doktorarbeit geplant und durchgeführt hat. Durch die Variation von Motiven (intrinsische und extrinsische) und Werten (Effizienz und Patientenorientierung) hat sie untersucht, wie die Pflegedienstleitung die Pflegefachkräfte am ehesten davon überzeugen kann, eine der beiden Digitaltechniken zu verwenden. Als Formulierungen und Begriffe wurden in den unterschiedlichen fiktiven Ansprachen „interessante Tätigkeit“ (intrinsisches Motiv) und „Erweiterung der beruflichen Kompetenzen und Möglichkeiten“ (extrinsisches Motiv) sowie „mehr Zeit für die einzelnen Patientinnen und Patienten“ (Patientenorientierung) und „schnellere Aufgabenerledigung“ (Effizienz) verwendet. Außerdem haben die Studienautorinnen Fragen zu soziodemografischen Daten, zur Person, zum beruflichen Hintergrund, der Arbeitszufriedenheit, zur Einrichtung und zu beruflichen Merkmalen gestellt.

Hohe Bereitschaft zur Nutzung

Bei der Auswertung stellte sich heraus, dass sich überwiegend jüngere Pflegefachkräfte an der Umfrage beteiligt hatten, wovon ein großer Teil in der Intensivpflege arbeitet. Entsprechend hoch war die Bereitschaft, digitale Innovationen zu nutzen. Die Studie förderte auch Stereotypen zutage, die die jungen Mitarbeitenden ihren älteren Kollegen zuschreiben – wie zum Beispiel, dass diese eine Abwehrhaltung gegenüber digitalen Technologien hätten. Die Studienautorinnen konnten dieses Vorurteil nicht bestätigen. „Ältere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zeigen ebenfalls eine hohe Technikbereitschaft“, stellt Korte fest. Sie vermutet, dass die Älteren einfach unsicherer seien, weil sie im Alltag weniger Berührungspunkte mit digitalen Technologien hätten als Jüngere. Die insgesamt hohe Bereitschaft der Pflegefachpersonen zur Nutzung von Technik widerspricht einigen bisherigen Studien sowie dem gesellschaftlichen Bild, wonach diese eine Digitalisierung ihres Arbeitsalltags generell ablehnen würden.

Erwartungsgemäß waren die befragten Pflegefachkräfte motivierter, das ihnen vertraute Tablet zu verwenden als die eher noch unbekannte Datenbrille. So gab es zum Beispiel Befürchtungen, dass die Datenbrille bei der Arbeit stören oder die Kommunikation mit Kollegen und Patienten beeinträchtigen könnte. Bei der Einführung einer Technologie mit höherem Neuigkeitsgrad empfehlen die Studienautorinnen daher den Pflegedienstleitungen, verstärkt mit Motiven und Werten zu argumentieren. Obwohl die Patientenorientierung für die Pflegefachkräfte eine wichtige Rolle spielt, waren diese motivierter, wenn die fiktive Ansprache der Pflegedienstleitung sich auf die Effizienz fokussierte, die mit der einzuführenden Technologie verbunden war. Die überwiegend jungen Pflegekräfte sehen in der Digitalisierung die Möglichkeit, ihr Arbeitspensum in der vorgegebenen Zeit zu erledigen und rechtzeitig in den Feierabend zu gehen. Korte vermutet, dass dies mit dem Kultur- und Wertewandel zusammenhängt, im Rahmen dessen die Gesellschaft im Allgemeinen versucht, eine Work-Life-Balance zu gewährleisten.

Digitalisierung bringt Effizienz und Struktur

Ein weiteres Ergebnis: Zwischen der intrinsischen und extrinsischen Motivation stellten die Autorinnen der Studie keine nennenswerten Unterschiede fest. Den meisten der Befragten ist bewusst, dass sich die Arbeitsprozesse durch die Digitalisierung ändern und sie die entsprechenden Kompetenzen hierfür benötigen. Die Digitalisierung in der Pflege verbinden sie mit einer schnelleren Dokumentation, nicht aber mit einer Zeitersparnis, die den Patienten zugutekommt. Das liegt den Autorinnen zufolge auch daran, dass die Pflegefachkräfte die Digitalisierung als ein Instrument erleben, das Effizienz und Struktur in ihren Arbeitsalltag bringt. Pflegedienstleiter sollten, so die Autorinnen, diese Merkmale bei ihrer Argumentation für neue digitale Technologie berücksichtigen.

Die Studie stellte auch eine allgemein hohe Arbeitsunzufriedenheit fest, die sicher auch im Zusammenhang mit den Belastungen in der Pandemie einzuordnen ist. Darüber hinaus gibt es einen Zusammenhang zwischen einer geringeren Motivation zur Nutzung digitaler Technologien und der Anzahl der Berufsjahre der Teilnehmer. Die Autorinnen vermuten, dass diese Befragten schlechte Erfahrungen mit der Digitalisierung gemacht haben, beispielsweise durch unergonomische Bedienkonzepte oder häufige technische Störungen, und dass es an Schulungsangeboten und Unterstützung fehlte.

Die Ergebnisse unserer Studie zeigen, dass die Pflegefachkräfte in den Krankenhäusern generell eine hohe Bereitschaft zur Nutzung digitaler Technologien haben.

„Die Ergebnisse unserer Studie zeigen, dass die Pflegefachkräfte in den Krankenhäusern generell eine hohe Bereitschaft zur Nutzung digitaler Technologien haben“, fasst Prof. Dr. Sabine Bohnet-Joschko, Inhaberin des Lehrstuhls für Management und Innovation im Gesundheitswesen und Leiterin des Projekts ATLAS zusammen. „Gute Führung im Gesundheitswesen ist immer Führung von Veränderung.“

Vignettenstudie
Die Studie wurde im International Journal of Environmental Research and Public Health publiziert: doi.org/10.3390/ijerph191710775

Projekt ATLAS
Das Projekt „Innovation und digitale Transformation im Gesundheitswesen“ (ATLAS ITG) wird vom Bundesland Nordrhein-Westfalen gefördert: atlas-digitale-gesundheitswirtschaft.de

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