
Der Änderungsantrag zum Medizinforschungsgesetz (MedFG) durch das Bundesgesundheitsministerium erhitzt die Gemüter in der Klinikbranche. Die Häuser sollen dazu verpflichtet werden, alle Vierteljahre Daten zu den beschäftigten Krankenhausärzten mit Zuordnung zu Leistungsgruppen zu übermitteln. Das stößt dem Klinikverbund Hessen sauer auf. Er fürchtet „neue und unnötige Bürokratie“. Seine Kritik: Die Leistungsgruppen, die ab 2027 Grundlage der Krankenhausplanung werden sollen, seien wesentlich differenzierter als Fachabteilungen. Zudem könne eine Ärztin oder ein Arzt in mehreren Leistungsgruppen tätig sein.
Im Bundesgesundheitsministerium sind offensichtlich Kenntnisse über die praktische Arbeit und Organisation im Krankenhaus nicht vorhanden.
Vorstandsvorsitzender Achim Neyer formuliert drastisch: „Diese Regelung zeigt erneut den überzogen theoretischen Ansatz im Bundesgesundheitsministerium, wo offensichtlich Kenntnisse über die praktische Arbeit und Organisation im Krankenhaus nicht vorhanden sind.“ Die exakte zeitliche Zuordnung ärztlicher Tätigkeiten bedeute zum einen einen „unfassbaren bürokratischen Aufwand“ und sei de facto unmöglich. Zudem fehle es bisher noch an der endgültigen Definition der Leistungsgruppen, die erst 2025 feststünden. Wiederum erst 2027 werde darüber entschieden, welche Leistungsgruppen in dem jeweiligen Krankenhaus überhaupt erbracht werden dürften.
„Es wird so getan, als hätten die Ärztinnen und Ärzte und andere Krankenhausbeschäftigte nichts anderes zu tun und könnten nebenher noch zusätzlich dokumentieren, in welcher Leistungsgruppe sie gerade tätig sind. Und das neben den sowieso heute bereits überbordenden Dokumentationen für die Abrechnung und den Medizinischen Dienst“, moniert Neyer. Die ohnehin knappe Zeit fehle für die Patientenversorgung. Ärztinnen und Ärzten missfällt schon jetzt, wie viel Zeit administrative Tätigkeiten in Anspruch nehmen; ein Fakt, der häufig als Grund für den Berufsausstieg genannt werde, wie der Verband der öffentlichen und kommunalen Krankenhäuser in Hessen hervorhebt. Die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) verweist in einer eigenen Stellungnahme auf eine Untersuchung des Marburger Bunds, laut dem Ärzte pro Tag drei bis vier Stunden damit verbringen, „den Bürokratie- und Dokumentationswahnsinn abzuarbeiten“.
Massive Kritik auch an Verfahrensablauf
Reinhard Schaffert, Geschäftsführer des Klinikverbunds Hessen: „Ich halte die Einführung umstrittener Regelungen im parlamentarischen Verfahren über Änderungsanträge mit extrem kurzer Stellungnahmefrist für eine bewusste Methode des Bundesgesundheitsministeriums, um die Diskussion klein zu halten.“ Teil von parlamentarischen Verfahren sei die Diskussion von Formulierungen, um Dinge zu verbessern.
Wenig Verständnis zeigt er im konkreten Fall jedoch dafür, dass „relevante Regelungen bewusst nicht in den eigentlichen Gesetzentwurf aufgenommen, sondern erst nachträglich als Änderungsantrag eingebracht wurden“. Dies sei zwischen den Zeilen aus einigen Äußerungen von Mitarbeitern des Bundesgesundheitsministeriums hervorgegangen. Er hält dies „nicht zuletzt auch für ein bedenkliches Demokratieverständnis“. Das Vorgehen sowie die zunehmende Tendenz, Gesetzentwürfe als eilbedürftig zu definieren und möglichst rasch durch den Bundestag zu bringen, führe letztlich auch zu handwerklich schlechten Gesetzen, deren Umsetzung für die Betroffenen auch immer wieder mehr Probleme aufwerfe, als das Gesetz zu lösen versuche.
Auch DKG im Widerstand
Ebenso kritisch äußert sich die DKG. Ihr Vorsitzender Dr. Gerald Gaß führt aus: „Die Regelung hat de facto zur Folge, dass jeder Facharzt zukünftig seine Arbeitszeit minutengenau täglich dokumentieren müsste, um diese dann prüfsicher einer Leistungsgruppe zuordnen zu können. Diese Idee hatte der Minister schon einmal während der Gesetzgebung zum Krankenhaustransparenzgesetz. Sie wurde damals aber aufgrund der massiven Kritik zurückgezogen.“ Nun versuche das BMG mit einem Änderungsantrag nicht einmal 24 Stunden vor der Anhörung zu einem völlig anderen fachfremden Gesetz, diesen Gedanken erneut den Abgeordneten im Bundestag „unterzuschieben“.
Das Ganze soll offensichtlich dazu dienen, den bereits gescheiterten Klinik-Atlas mit weiteren für die Bürgerinnen und Bürger völlig unnützen Informationen zu füllen.
Und weiter: „Es ist wirklich skandalös, wie der Minister mit den Abgeordneten und den parlamentarischen Gepflogenheiten umgeht. Das Ganze soll offensichtlich dazu dienen, den bereits gescheiterten Klinik-Atlas mit weiteren für die Bürgerinnen und Bürger völlig unnützen Informationen zu füllen. Wir werden nun neben jeden Arzt und jede Ärztin eine Person mit der Stoppuhr stellen müssen, die genau aufzeichnet, wie lange unser ärztliches Personal in den unterschiedlichsten Operationen und Behandlungen bei den Patienten tätig war.“ Einen sachlichen Mehrwert sieht die DKG in der zusätzlichen Zeiterfassung nicht. „Der Hinweis in der Begründung zum Änderungsantrag, diese Informationen seien für die neue bundesweite Krankenhausplanung nach Leistungsgruppen notwendig, ist schlicht unwahr, denn diese neue Krankenhausplanung wird frühestens ab dem Jahr 2027 umgesetzt werden können.“






Derzeit sind noch keine Kommentare vorhanden. Schreiben Sie den ersten Kommentar!
Jetzt einloggen