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Kommentar„Der Weg ist frei, die Weichen sind gestellt“

Digitalisierung und Forschung sollen den Fokus der zukünftigen Gesundheitsversorgung bilden. Was Lauterbachs Digital-Gesetze für die Universitätsmedizin bedeuten, erläutert VUD-Chef Prof. Jens Scholz.

Prof. Dr. Jens Scholz
UKSH
Prof. Dr. Jens Scholz, UKSH-CEO und 1. Vorsitzender des Verbandes der Universitätsklinika Deutschlands.

Patientinnen und Patienten in Universitätsklinika erwarten die bestmögliche Versorgung – zu Recht. Krankheiten sollen schnell erkannt, optimal und nach neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen behandelt werden. Dies ist nur zu gewährleisten, wenn Patientendaten systematisch ausgewertet werden und die gewonnenen Erkenntnisse in die Versorgung einfließen. Mit dem Digital-Gesetz (DigiG) und dem Gesundheitsdatennutzungsgesetz (GDNG) kommt nun genau diese lang erwartete bessere Nutzbarmachung von Daten auf den Weg. Die Bundesregierung hat mit beiden Gesetzesvorhaben entscheidende Weichen gestellt. Die Digitalisierung im Gesundheitswesen erfährt einen dringend erforderlichen Schub, sowohl hinsichtlich der Geschwindigkeit, als auch der Nutzbarkeit. Die Kultur der Datensicherheit entwickelt sich zu einer Kultur des Datenschutzes. Damit können die Chancen der Digitalisierung für die medizinische Forschung und Versorgung in Deutschland stärker und zügiger genutzt werden.

Hoher Nutzen der ePA

Kern des Digital-Gesetzes ist die ePA, die mit Opt-Out bereitgestellt wird. Mit diesem Verfahren werden der Austausch und die Nutzung von Gesundheitsdaten vorangetrieben. Die Regelung wird im Gesundheitssystem zu einer zügigeren digitalen Durchdringung führen. Opt-Out ist ein Garant dafür, die ePA in den Alltag der Gesundheitsversorgung zu integrieren. Allen Patientinnen und Patienten ist damit ein niedrigschwelliger Entscheidungsweg eröffnet, um über die Nutzung der eigenen Daten entscheiden zu können.

Das GDNG kann die Versorgung in Deutschland sehr konkret verbessern. Zahlreiche wichtige Initiativen zur Digitalisierung, die in Universitätskliniken bereits angestoßen sind, werden beschleunigt. Es ist ein Wechselspiel: Forschung ist die Basis für die Verbesserung der Patientenversorgung – Daten aus der Versorgung sind eine wesentliche Quelle für die Wissenschaft. Forschung und Daten müssen eng verzahnt werden, um effektiv in neue Therapien einzufließen oder seltene Erkrankungen schnell zu diagnostizieren. Je umfangreicher die Daten sind und je besser deren Nutzung ist, desto effizienter ist die Forschung und fortschrittlicher die Versorgung. Die ePA wird viele Behandlungsdaten speichern können und in Zukunft die Krankheitsgeschichte abbilden. Mit der nötigen Kompatibilität wird der Nutzen für Versorgungsforschung und klinische Studien groß sein.

Große Erwartungen

Die Universitätsmedizin verbindet große Erwartungen mit den Entwicklungen und hat bereits verlässliche Prozeduren und Standards geschaffen. Mit der Medizininformatik-Initiative (MII) und dem Netzwerk Universitätsmedizin (NUM) gibt es einen organisatorischen Rahmen, der eine datenschutzkonforme Nutzung von Gesundheitsdaten für die Forschung erlaubt. Nun müssen unnötige bürokratische Schwellen abgebaut werden. Dann kann eine stärkere und zügigere Nutzung der Digitalisierung für die medizinische Forschung und Versorgung Realität werden. Wissenschaftler erwarten die beste Voraussetzung für ihre Forschung. Die Kabinettsbeschlüsse sind deshalb auch zentrale Voraussetzungen für die Wettbewerbssicherung des Gesundheits-, Forschungs- und Wirtschaftsstandorts Deutschland. Und es bleibt spannend, denn es gibt Planungen für weitere Regelungen z. B. für die Beschleunigung von klinischen Studien durch ein Medizinforschungsgesetz.

Was folgt?

Die Umsetzung muss nun mit Weitsicht, Verbindlichkeit und in eindeutiger Zuständigkeit erfolgen. Zudem gibt es viele Initiativen, weiterzudenken. Das Opt-Out für die Verfügbarkeit von Gesundheitsdaten für die Forschung ist der Anfang. Weiter forciert werden sollte der geplante Ausbau einer dezentralen Gesundheitsdateninfrastruktur, die die Anschlussfähigkeit im European Health Data Space (EHDS) schafft. Und essenziell: Die Intention, mit Blick auf die Datenschutzaufsicht administrative Prozesse zu straffen und Bürokratieaufwand zu reduzieren, muss konsequent verfolgt werden. Im Sinne des Bürokratieabbaus sollten bei Vorliegen eine Einwilligung alle weiteren Erfordernisse entfallen.

Die Universitätsklinika sind in vieler Hinsicht Vorreiter. Vor allem sind sie Innovatoren in Medizin, Wissenschaft und für Patientinnen und Patienten. Der Weg ist frei, die Weichen sind gestellt. Konzentrieren wir uns jetzt auf die Lösungen, um den durch die Gesetze ermöglichten Sprung in der Digitalisierung verlässlich und effektiv in die Forschung und den Versorgungsalltag umzusetzen.

Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Jens Scholz ist Professor für Anästhesiologie. Seit 2009 ist er Vorstandsvorsitzender und Vorstand für Krankenversorgung des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein. Zuvor war er mehrere Jahre am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf tätig. Der gebürtige Osnabrücker ist außerdem seit 2015 Mitglied im Vorstand des Verbands der Universitätsklinika Deutschlands (VUD) und seit 2021 erster Vorsitzender. Seinen älteren Bruder Olaf kennt man aus dem Bundeskanzleramt.

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