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Ambulante NotfallversorgungReform-Vorschläge mit Praxis nicht vereinbar

In einem Panel der Bertelsmann-Stiftung haben sich Experten aus dem Gesundheitswesen Vorschläge für eine Reform für die Notfallversorgung erarbeitet. Für die Krankenhausdirektoren Deutschlands sind eine Reihe der Empfehlungen nicht umsetzbar.

Notfall
spotmatikphoto/stock.adobe.com
Symbolfoto (Posed by models)

Ein unvollendetes, mehrfach verschobenes und auch umstrittenes Gesetzesvorhaben soll wieder in Angriff genommen werden: die Neustrukturierung der Notfallversorgung. Dazu hat die Bertelsmann Stiftung ein Panel aus Vertretern des kommunalen Rettungsdiensts, der Innenbehörden, der Kassenärztlichen Vereinigung, Kliniken, Krankenkassen und Gesundheitsministerien gebeten, Lösungs- und Kompromissvorschläge für eine abgestimmte und intersektorale Notfalversorgung zu entwickeln. 

Die formulieren Kernpunkte sehen vor, die Zugangsmöglichkeiten für Notfallpatient*innen weiterhin zu erhalten. Die grundlegenden Kompetenzen der beteiligten Dienste in der Notfallversorgung sollen beibehalten werden. Dem Expertenrat zufolge, ist ebenfalls eine Vereinheitlichung der Systeme und Prozeduren zur Ersteinschätzung des Notfalls hinsichtlich der Dringlichkeit und Weiterleitung angdacht. Es sollen nur Patient*innen stationär behandelt werden, die nach professioneller Einschätzung nicht ambulant versorgt werden können.

Hierauf reagiert nun der Verband der Krankenhausdirektoren Deutschlands (VKD), der einen Teil seiner seit etlichen Jahren vertretenen Positionen und Forderungen sowie auch die vorangestellten Zustandsbeschreibungen teilweise bestätigt sieht. Eine Reihe von Empfehlungen sei aus Sicht der Praxis in den Krankenhäusern allerdings – wie bereits in den vorherigen Reformversuchen – nach wie vor nicht umsetzbar. Hier gehen die Experten laut VKD von sehr optimistischen Vorstellungen aus, die mit den Anforderungen der Praxis nicht vereinbar sind. Daher müsse aus Sicht des VKD die Versorgungsrealität rechtzeitig zur Kenntnis genommen und einbezogen werden.

Ambulante Notaufnahme wird fast ausschließlich von Krankenhäusern übernommen

Seit Jahren wachsen die Patientenzahlen in den Notaufnahmen der Kliniken deutlich. Die Zahl der behandelten ambulanten Notfälle sank jedoch von 9,1 Millionen Euro im Jahr 2018 auf 8,8 Millionen Euro im Jahr 2019 ab (ZI 21.04.2021). Die Belastung der Kliniken ist damit nach wie vor hoch. Neben den fehlenden gesetzlichen Regelungen und Zuständigkeiten der Kliniken beruhe diese Situation vor allem auf dem Mangel an niedergelassenen Haus- und Fachärzten – eine Lücke, die sich stetig vergrößert hat und weiter vergrößern wird, so der VKD. Bei der Betrachtung der rein medizinischen Möglichkeit zur Versorgung im KV-System würde diese Lage der Praxis regelmäßig ausgeklammert. Dabei stellt sich die Frage, wie dieser Trend absehbar gedreht werden kann. Realistischer Weise wird das bei allem Optimismus in den nächsten Jahren nicht möglich sein. Die Klinikdirektoren schlussfolgern daher, dass das Ignorieren dieser Tatsache die Experten zu einer Reihe von Vorschlägen führte, die nicht umsetzbar sein werden.

Ihrer Meinung nach müsse festgelegt werden, ob eine ambulante Behandlung von Vertragsärzten oder im Krankenhaus erfolgt, für alle Patientinnen und Patienten am Krankenhaus stets in der Verantwortung der KVen liegen soll. So heißt es: „An den Standorten von stationären Notfallaufnahmen erfolgt eine vorstationäre vertragsärztliche Einschätzung der Krankheitsschwere, soweit keine vitale Gefährdung erkennbar ist.“ Falls nötig, könnten einfache diagnostische Leistungen vom Krankenhaus angefordert werden. Gegebenenfalls könne die KV auch Klinikpersonal mit dieser Aufgabe betrauen.

Die Klinik als Dienstleister der Kassenärztlichen Vereinigung, die sowohl über die medizinisch-technische Infrastruktur als auch über das Klinikpersonal verfügt? Dies löst bei den Kliniken ein erhebliches Störgefühl aus – und würde umgekehrt von KV-Seite genauso wahrgenommen. Hier Kompetenzen einfach zu ignorieren – die seit Jahren durch faktisches Tun patientenorientiert unter Beweis gestellt würden – um diese an eine Organisation zu übertragen, die strukturell und personell immer weniger dazu in der Lage ist, diese Aufgaben zu erfüllen, ist nicht der Weisheit letzter Schluss. 

Auch der Lösungsvorschlag des Panels, die KV könne, wenn Vertragsärzte nicht zur Verfügung ständen, das Krankenhaus zur vertragsärztlichen Behandlung ermächtigen, gehe in diese Richtung. Die Praxis vor allem in ländlichen Regionen zeige heute bereits, dass die ambulante Notaufnahme fast ausschließlich von Krankenhäusern übernommen wird, da niedergelassene Ärzte dafür nicht mehr bereitstehen – auch ohne spezielle „Ermächtigung“ der KV.

Krankenhausmanagement stärker einbinden

Der VKD fordert deshalb, dass die Länder im Rahmen der Landeskrankenhausplanung darüber entscheiden, welche Krankenhäuser die Versorgungsverantwortung für die ambulante Notfallversorgung übernehmen. Zumal die Länder auch die Aufsicht über die KVen in ihrer Verantwortung haben. Zudem sei endlich eine auskömmliche Vergütung zu regeln. Es könne nicht sein, dass die Kliniken für ihre Patientenorientierung über viele Jahre deswegen auch noch Milliardenbeträge an Defiziten zu akzeptieren haben. Eine Vereinbarung zwischen Land und Kassenärztlicher Vereinigung ohne Beteiligung der Krankenhausseite, die hier erhebliche Leistungen zu erbringen hätte, könne nicht im Sinne einer flächendeckenden, gut funktionierenden ambulanten Notfallversorgung sein.

Die Experten regen zur abgestimmten Entwicklung von Standards, Prozessen und Qualitätsmonitoring an, ein „Fachkundiges Gremium“ (FG) zu bilden. Mitglieder sollen über hohe fachliche Expertise verfügen und von den Krankenkassen, den KVen, den Krankenhausgesellschaften, der Gesundheitsministerkonferenz, der Innenministerkonferenz und den kommunalen Spitzenverbänden vorgeschlagen werden. Betont wird, dass es hier ausschließlich um fachliche Fragestellungen gehen soll. Das begrüßt der VKD ausdrücklich.

„Wir erwarten als Verband der Praktiker im Krankenhausmanagement allerdings, dass in diesem Gremium auch Expertise und Praxiskenntnis aus dem Krankenhausmanagement eine erhebliche Rolle spielen müssen“, so VKD-Präsident Dr. Josef Düllings. „Es gibt im Papier der Bertelsmann-Stiftung weitere Aspekte, die sicher noch genauer betrachtet werden müssen. Wir haben inzwischen genügend Regelungen und Gesetze erlebt, die vom grünen Tisch aus erarbeitet und entschieden wurden. Das sollte hier nicht passieren.“

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