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kma im InterviewDas Digitale Versorgung Gesetz wird Tempo in den Markt bringen

Gewöhnlich entscheidet der Gemeinsame Bundesausschuss darüber, welche Leistungen die gesetzlichen Kassen zu erstatten haben – ist es sinnvoll, dass nun das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) zuständig sein wird?

Das ist eher eine Frage der gesundheitspolitischen Kompetenzverteilung. Aber ja, ich halte die Regelung für sachgerecht. Denn auch heute ist das BfArM ja schon für etwa sicherheitsrelevante Mitteilungen bei digitalen Medizinprodukten, für Produktwarnungen etc. zuständig. Gerade im Bereich digitaler Medizinprodukte gibt es noch keine Art „post-market-surveillence“ was die Kostenentwicklung angeht. Und die geplante Kompetenzverlagerung oder Kompetenzaufteilung führt ja nicht dazu, dass den gesetzlichen Kostenträgern nun digitale Medizinprodukte vor die Nase gesetzt werden, die sie dann bezahlen müssen.

Die gesetzlichen Kostenträger verhandeln zukünftig durch den GKV Spitzenverband mit den Herstellern. § 134 SGB V sieht hierzu die künftigen Details vor. Die Höhe der Vergütung ist in Zukunft zeitlich begrenzt ausgestaltet und variabel, den Kostenträgern wird sogar zugestanden, erfolgsabhängig zu vergüten. Es ist also sachgerecht, diejenigen verhandeln zu lassen, die betroffen sind und zugleich die Behörde, die im Tagesgeschäft näher dran ist, mit der Aufnahmeprüfung vertraut zu machen. Beides verkürzt die Wege meines Erachtens beträchtlich.  

Patienten erhalten mit dem neuen Gesetz auch einen Anspruch auf Befüllung ihrer elektronischen Patientenakte im Krankenhaus. Das heißt, auch die Krankenhäuser müssen bis 2021 zwingend an die Telematik-Infrastruktur angeschlossen werden. Was kommt da auf die Kliniken zu?

Was genau auf die Kliniken zukommt, hängt davon ab, ob sie heute schon als kritische Infrastruktur gelten. Wenn das der Fall ist, dann dürften vermutlich die IT-spezifischen und datenschutzspezifischen Rahmenbedingungen bei den Kliniken schon gut erfüllt sein. Das heißt, man muss dann „nur noch“ Technik bzw. Hardware zur Anbindung an die Telematikinfrastruktur beziehen.

Ist man hingegen ein kleineres Haus und fällt eben nicht unter die Regelungen des BSI-Gesetzes und ist keine kritische Infrastruktur, dann kommt evtl. mehr organisatorischer Aufwand auf einen zu, sofern man nicht eben schon jetzt ein hohes Maß an IT-Sicherheit vorhält. Ansonsten geht es bei der Anbindung an die Telematikinfrastruktur darum, dass man eben Kartenterminals, die Konnektoren etc., also die Hardware implementiert und dann die Krankenhaussoftware angepasst.  

Wichtig ist, dass die Krankenhäuser tatsächlich auch die Frist bis zum 01.01.2021 einhalten. Es sind Änderungen im Krankenhausentgeltgesetz vorgesehen. Verstreicht die obige Frist, wird pauschal 1 % der jeweiligen Krankenhausvergütung abgezogen. Da aber im vertragsärztlichen Bereich die ursprünglich vorgesehenen Anbindungsfristen auch verlängert wurden, will ich nicht ausschließen, dass das zum 01.02.2021 auch passiert. Jedenfalls dann wenn man merkt, dass die Anbindung aus Gründen scheitert, die Kliniken nicht beeinflussen können. 

Dank DSGVO wage ich aber die vorsichtige Prognose, dass auch kleinere Häuser ohnehin schon einen hohen Datenschutzstandard vorhalten. Das heißt, mit der Anbindung an die Telematikinfrastruktur ist zwar Hardware anzuschaffen, die Anpassung von organisatorischen Prozessen dürfte aus meinem Verständnis aber überschaubar sein, weil man ohnehin seit Inkrafttreten der DSGVO datenschutzspezifisch strikt durchorganisiert sein muss.  

Wenn man das Gesetz im Ganzen betrachtet: Welche Punkte halten Sie als Anwalt aus rechtlicher Perspektive für kritisch?  

Allzu viel Kritik kann ich dem Referentenentwurf überhaupt gar nicht entgegenhalten, vielmehr Lob. Wenn man aber nach kritischen Punkten suchen will, dann ist das einmal die gesetzte Frist zur Anbindung an die Telematikinfrastruktur für Kliniken. Dann ist das sicherlich auch der neue § 291 h SGB V, der also die elektronische Patientenakte ab dem 01.01.2022 portabel machen will, ohne dass es heute durchweg sektorenübergreifende Interoperabilität gibt. Das ist aus Sicht der Kliniken aber erst mal weniger kritisch, weil die Gematik den gesetzgeberischen Auftrag bekommen hat, bis zum 01.01.2022 eine Lösung zu finden, um Daten der elektronischen Patientenakte portabel zu machen. 

Man wird in der Praxis aber sicherlich sehen müssen, wie Kliniken und Krankenkassen bei einer gemeinsamen Kapitalbeteiligung zusammenarbeiten können, wenn man digitale Medizinprodukte entwickeln möchte. Ggf. gründet man hier einfach eine eigene Gesellschaft des Privatrechts. 

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