
Seit die Verordnung zu einer speziellen sektorengleichen Vergütung, die Hybrid-DRG-Verordnung, am 1. Januar 2024 in Kraft getreten ist, herrscht große Verunsicherung bei allen Beteiligten. Inzwischen ist deutlich sichtbar, was alles noch getan werden muss, um die Verordnung mit Leben zu füllen.
Das Bundesgesundheitsministerium (BMG) hat per Rechtsverordnung die spezielle sektorengleiche Vergütung in Form von Fallpauschalen eingeführt, „um Anreize zu setzen, mehr ambulant zu operieren statt unnötig stationär.“ Die Hybrid-DRGs sollen Vertragsärzten und Krankenhäusern die gleiche Vergütung für bestimmte Eingriffe garantieren, egal ob sie ambulant oder stationär durchgeführt werden. Die Regelung gilt zunächst für fünf Leistungsbereiche, soll aber schon ab 2025 deutlich erweitert werden.
Die Umsetzung der Hybrid-DRG-Verordnung hat in der Praxis eine Reihe von Problemen aufgeworfen, weil wir diese Fälle aus technischen Gründen nicht mit den Kassen abzurechnen können.
Hintergrund waren mehrere Gutachten, die ein Ambulantisierungspotenzial bei den Kliniken in Deutschland ermittelten. Die Bundesregierung will nun mit der sektorengleichen Vergütung den Anreiz setzen. Es geht um Kostenersparnis, aber auch um den Anstoß für eine Entwicklung, die dem medizinischen Fortschritt, den demografischen Wandel und dem wachsenden Personalmangel in den Krankenhäusern Rechnung trägt.
Im 2019 verabschiedeten MDK-Reformgesetz wurde der Selbstverwaltung aufgetragen, die Anzahl der ambulanten Operationen in Krankenhäusern im AOP-Katalog zu erweitern. Geplant war, die Vereinbarung im April 2023 auf den Weg zu bringen, doch die Vertragsparteien wurden bis zu diesem Zeitpunkt nicht einig. Daher bestimmte das BMG die sektorengleiche Vergütung in Form der Hybrid-DRGs und die dazugehörigen Leistungen als Ersatzvornahme durch Rechtsverordnung. Den erste Hybrid-DRG-Katalog und ein Kalkulationsmodell lieferte das Institut für das Entgeltsystem im Krankenhaus (InEK) zusammen mit dem Institut des Bewertungsausschusses (InBA).
Keine Abrechnung möglich
Die Verordnung gilt seit zwei Monaten, doch bisher können weder im stationären noch im ambulanten Sektor Hybrid-DRG-Leistungen vergütet werden. „Die Umsetzung der Hybrid-DRG-Verordnung hat in der Praxis eine Reihe von Problemen aufgeworfen, weil wir diese Fälle aus technischen Gründen nicht mit den Kassen abzurechnen können“, sagt die Vorstandsvorsitzende der Deutschen Gesellschaft für Medizincontrolling e.V. (DGfM) Prof. Erika Raab. „Viele Kliniken bekommen deswegen Liquiditätsprobleme, insbesondere diejenigen, die viele solcher Fälle haben.“ Dies betreffe vor allem den Bereich der Hernien-Eingriffe. „Die Leistenbrüche sind gerade für kleinere Kliniken das Brot-und-Buttergeschäft, auf die Einnahmen können sie nicht monatelang verzichten“, kritisiert Raab, hauptberuflich Geschäftsführerin der Kreisklinik Groß-Gerau in Hessen.
Zudem sei unklar, ob Hybrid-DRG-Fälle Krankenhausbehandlungen sind oder nicht. Damit seien auch grundsätzliche Abrechnungsfragen ungeklärt, „etwa bezüglich der Zusatzkosten für Pflege und Ärzteweiterbildung, um nur einige Beispiele zu nennen. Viele Fragen sind mit dem ersten pragmatischen Entwurf noch nicht mitgedacht worden, aber leider sind diese Fragen für uns in der Abrechnungspraxis relevant.“
Eine aktuell laufende Umfrage auf der Homepage der DGfM liefert ein erstes Stimmungsbild, wie Klinik-Geschäftsleitungen landauf, landab auf die neue Verordnung reagieren. Knapp ein Drittel der Teilnehmenden gibt an, aufgrund der fehlenden Abrechnungsmöglichkeit und wegen geringerer Erlöse möglichst wenige dieser Leistungen zu erbringen. Für knapp Zweidrittel der Teilnehmenden hat die neue Verordnung keinen Einfluss auf die Leistungserbringung im Hybrid-DRG-Bereich. Nur etwa jede zehnte Klinik will möglichst viele Leistungen als Hybrid-DRG erbringen, um beispielsweise den Umsatz zu steigern.
Übergangslösung für besonders betroffene Kliniken
Um etwas Druck abzubauen, haben der GKV-Spitzenverband und die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) Anfang Februar die „Hybrid-DRG-Umsetzungsvereinbarung“, beschlossen: Damit soll kurzfristig zumindest den besonders betroffenen Kliniken geholfen werden. Demnach erklären sich die Krankenkassen bereit, übergangsweise Zwischenabrechnungen anzunehmen. Eine reguläre Abrechnung soll ab dem 1. Mai 2024 möglich werden.
Nach dem 1. Mai müssen dann alle Zwischenabrechnungen noch einmal von den Kliniken bearbeitet werden, damit sie im System sind.
„Die grundsätzlichen Voraussetzungen für die Abrechnung der Hybrid-DRG liegen damit für die Krankenhäuser vor“, erklärt DKG-Geschäftsbereichsleiter Finanzierung und Versorgungsplanung“, Dr. Roland Laufer, auf kma-Anfrage. Doch es gibt einen Haken: Auch Zwischenabrechnungen können die Abrechnungssysteme der Krankenhäuser noch nicht verarbeiten. Inwieweit das auch technisch möglich sei, hänge maßgeblich von den Anbietern der Krankenhausinformationssysteme (KIS) ab, räumt Laufer ein. Zunächst müssten die Abrechnungsregeln und der Datenaustausch zwischen Krankenhäusern und Krankenkassen verändert werden. Die Rechtsverordnung habe keinerlei Vorgaben dazu gemacht.
Das bedeutet konkret, dass die Kliniken bis Anfang Mai die Zwischenabrechnungen nur in Papierform stellen können. Für Raab klingt das eher nach Krücke als nach Stütze. „Nach dem 1. Mai müssen dann alle Zwischenabrechnungen noch einmal von den Kliniken bearbeitet werden, damit sie im System sind. Das bedeutet für die Praktiker einen enormen zusätzlichen Aufwand“, kritisiert sie.
Viel Bewegung im ambulanten Sektor
Auch für den ambulanten Bereich wird fieberhaft nach Lösungen für die Abrechnungsprobleme gesucht. Der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) zufolge werden derzeit die Datengrundlagen gemeinsam mit dem GKV-Spitzenverband erhoben und vereinbart, teilte ihr Sprecher Roland Stahl auf kma-Anfrage mit. Erst auf Basis dieser Grundlage könnten dann Leistungen im Rahmen der Ambulantisierung abgerechnet werden. Derweil arbeiten einzelne KVen mit Krankenkassen selbst an elektronischen Abrechnungssystemen. Die ärztlichen Mitglieder sollen „zeitnah eine komfortable Möglichkeit zur Abrechnung der Hybrid-DRG erhalten – mittels einer digitalen Plattform“, teilte zum Beispiel die KV Rheinland-Pfalz mit. Auch eine monatliche Abrechnung soll dann möglich sein.
Die Vergütung umfasse dabei Maßnahmen ab Beginn der Operationsvorbereitung bis hin zur postoperativen Beobachtung. „Besonders wichtig ist der KV in diesem Zusammenhang, diese Leistungen von eventuell erforderlichen Leistungen abzugrenzen, die nach dem EBM abzurechnen sind. Dazu stimmt sich die KV Rheinland-Pfalz mit den Krankenkassen ab. Laut KBV möchten Fachärzte lieber über den EBM abrechnen, weil etwa Sachkosten adäquater abgebildet werden können. Ob es dazu eine rechtssichere Möglichkeit gibt, werde derzeit mit dem Bundesgesundheitsministerium geklärt.
Die 12 Hybrid-DRGs des Starterkatalogs
Der Hybrid-DRG-Katalog 2024 enthält eine indikationsspezifische Prozedurenliste (OPS-Codes) mit Beschreibung und Fallpauschalen-Vergütung für die ausgewählten Leistungsbereiche:
- Bestimmte Hernieneingriffe
- Entfernung von Harnleitersteinen
- Ovariektomien
- Arthrodesen der Zehengelenke
- Entfernen einer Steißbeinfistel
Die Höhe dieser zwölf Hybrid DRG liegt zwischen dem Niveau des einheitlichen Bewertungsmaßstabs (EBM) für ambulante Leistungen und dem Niveau für stationäre, diagnosebezogenen Fallgruppen (DRGs). Nicht berücksichtigt wurden bei der Kalkulation: die Pflegepersonalkosten, die Aufwände für Gerinnungspräparate für die Behandlung von Hämophilie-Erkrankten, die Dialyseleistungen als Teil der allgemeinen Krankenhausbehandlung und der Sprechstundenbedarf. (Quelle: Forum Verlag)
Große Fragezeichen bei Operateuren und Belegkrankenhäusern
Im Rahmen der Hybrid-DRGs darf künftig nur noch eine Rechnung gestellt werden – entweder durch die Operierenden oder durch das Krankenhaus. Es muss also geklärt werden, wer künftig bei der Rechnungsstellung den Hut aufhat und die andere Gruppe für ihre Leistungen bezahlt. „Hybrid-DRG zwingen alle an der Versorgung Beteiligten unter ein Rechnungsdach“, schreibt der Bundesverband der Belegärzte und Belegkrankenhäuser (BdB) in einer Mitteilung an seine Mitglieder.
Wie das Honorar zwischen in den Ärzteteams aufgeteilt werden soll, auch dazu findet sich in der Verordnung nichts. Der Berufsverband Deutscher Anästhesistinnen und Anästhesisten e.V. (BDA) und der Berufsverband der Deutschen Chirurgie e.V. (BDC) verhandelten schließlich selbst und gaben gemeinsam eine Empfehlung heraus, wie die Vergütung bei Betrieb eines Aufwachraumes zwischen den Facharztgruppen verteilt werden könnte. „Vor Einstieg in Hybrid-DRG muss klar sein, wer die Teamspitze für Hybrid-DRG ist, und wie der Schlüssel für die Verteilung der Gelder aussieht“, schlussfolgert der BdB.
Bezogen auf die Belegärzte fehlten derzeit explizite, gesetzliche Regelungen, die eine unkomplizierte Umsetzung sicherstellen, so dass hier noch Unsicherheiten bestehen, sagt auch Laufer. Der BdB rechnet jedenfalls damit, dass „die Hybrid-DRGs die belegärztliche Welt in mehrerlei Hinsicht absehbar verändern werden.“ Perspektivisch verlagere sich das belegärztliche stationäre Leistungsspektrum partiell nach ambulant. Wie das dann für die Krankenhäuser finanziell aufgehen soll, bleibe eine ungelöste Frage: „Belegkrankenhäuser bzw. Belegabteilungen brauchen für die Kostendeckung stationäre wie ambulante Fälle; wenn OP-Zentren außerhalb von Krankenhäusern ambulante Hybrid-Fälle versorgen, stellt das die Mischkalkulation der Belegkrankenhäuser/-abteilungen infrage.“
Wir müssen davon ausgehen, dass die Kliniken 20 Prozent ihrer Fälle künftig nach den günstigeren Hybrid-DRGs abrechnen müssen.
Erlöse der Kliniken sinken
Gerade für die Krankenhäuser ist also noch viel in der Schwebe. Da sie nicht wissen, wie künftig Zusatzkosten bei den ambulanten Leistungen des Hybrid-DRG-Kataloges geltend gemacht werden, können sie nicht mit diesen Einnahmen planen. Zudem verschlechtert sich ihre Erlössituation, da gegenüber den stationären Tagesfallpauschalen die Behandlungen regelmäßig durch die Hybrid-DRGs finanziell abgewertet wurden. Bei dem bisherigen Katalog fällt das Raab zufolge zwar noch nicht so sehr ins Gewicht: „Wenn man sich aber den Katalog für das kommende Jahr ansieht, dann müssen wir davon auszugehen, dass die Kliniken 20 Prozent ihrer Fälle künftig nach den günstigeren Hybrid-DRGs abrechnen müssen.“
Wie sich das finanziell auf die Kliniken auswirkt, sei völlig ungewiss. „Immer häufiger treten Gesetze und Verordnungen ohne vorhergehende Auswirkungsanalyse in Kraft. Dieser Überraschungseffekt macht es den Klinikgeschäftsführern derzeit schwer zu planen.“ Zugleich brauchten die Kliniken deutlich mehr Zeit für Umstrukturierungen, damit ambulante Behandlungen wirtschaftlich attraktiv und Kliniken wettbewerbsfähig werden.
Sektorengleiche Vergütung müsse deshalb so umgesetzt werden, dass für alle Bereiche die gleichen Bedingungen gelten, fordert Raab: „Es macht deshalb wenig Sinn, wenn jetzt die GKV mit der DKG und mit der KBV extra verhandelt. Wenn Vereinbarungen getrennt getroffen werden, ist Konflikt vorprogrammiert.“
Lese-Tipp: Die Rhön-Stiftung hat im November 2023 die Studie „Operative Umsetzung der ambulanten, stationsersetzenden Versorgung in Krankenhäusern“ veröffentlicht. Die Autoren zeigen anhand von sechs Handlungsfeldern, wie ambulante Geschäftsmodelle entwickelt werden können.









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