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KommentarHybrid-DRG sind aktuell nur eine Schadensbegrenzung

Die Hybrid-DRG stellen Krankenhäuser vor weitere Herausforderungen. Prof. Christian Wallwiener analysiert, wie viele Erlöse den Kliniken wegbrechen und an welchen Leuchtturmprojekten sich die Branche beim Thema Ambulantisierung orientieren sollte.

Prof. Christian Wallwiener
WMC Healthcare
Prof. Christian Wallwiener kennt als Geschäftsführer von WMC die schwierige Situation in den Krankenhäusern aus erster Hand.

Bringen die Hybrid-DRG jetzt den Stein ins Rollen, der die Sektorengrenzen zum Einstürzen bringt? Für unser angeschlagenes Gesundheitssystem wäre das wünschenswert, denn volkswirtschaftlich betrachtet ist Ambulantisierung der richtige Ansatz, damit wir uns in Deutschland auch zukünftig eine umfassende medizinische Versorgung mit hohem Behandlungsstandard leisten können.

Für die Krankenhäuser kommt der Gesetzesvorstoß aber zu einem höchst schwierigen Zeitpunkt: Noch nicht vollständig von der Coronakrise erholt, kämpfen sie ums Überleben und müssen die Hausaufgaben bei der Digitalisierung nachholen, die während der Pandemie trotz Fristen beim Krankenhauszukunftsgesetz allzu oft liegen geblieben sind.

Die Arbeitslast ist also riesig; die Mitarbeitenden, nicht nur in den patientennahen Bereichen, fühlen sich ohnehin schon überlastet. Und eines macht das Reinklotzen dieses Mal besonders schwer: Es geht eher um Schadensbegrenzung als um eine wirtschaftliche Chance.

Im Schnitt brechen 700 Euro Erlöse weg

Denn schaut man sich die Zahlen genauer an, wird deutlich, dass die Gewinner wohl eher die Niedergelassenen sein werden. Die Hybrid-DRG sind nichts anderes als ein Mittelweg: Sie liegen höher als der einheitliche Bewertungsmaßstab (EBM), der die Grundlage für die Abrechnung der vertragsärztlichen Leistungen ist, sind aber niedriger als die bisher geltende DRG. Während sich die Niedergelassenen also über mehr Geld für die rund 200 Leistungen, die der Katalog der Hybrid-DRG im ersten Schritt umfassen soll, freuen können, brechen den Kliniken zunächst weitere Einnahmen weg.

Im Schnitt wird der Verlust im Vergleich zu einer bisher eintägigen stationären Behandlung beim Hybrid-DRG ca. 700 Euro betragen. Und das ist nur der Durchschnittswert: Bei einzelnen Leistungen werden die Erlöse bis zu 1300 Euro geringer ausfallen. Das mag sich trotzdem irgendwann rechnen, wenn man diese Leistung dann in schlankeren ambulanten Strukturen erbringt. Dazu müssen Prozesse neu organisiert und der Personalbedarf entsprechend angepasst werden.

Auch bei der Infrastruktur gibt es in vielen Krankenhäusern Veränderungsbedarf. Statt Patientenzimmern sind nun Funktionsräume und Wartebereiche gefragt, so dass die eine oder andere Baumaßnahme notwendig werden wird. Klar ist schon jetzt: Das alles wird Monate, wenn nicht Jahre, dauern. Und in dieser Zeit klafft die Kosten-Erlös-Schere weiter auseinander als je zuvor.

Referentenentwurf bringt dringend benötigte Klarheit

Erweist das Bundesgesundheitsministerium den Krankenhäusern mit den Hybrid-DRG also einen Bärendienst? Auf keinen Fall. Denn eines bringt der Gesetzesvorstoß jetzt endlich mit: Klarheit. Bereits der Referentenentwurf hatte konkret benannt, was sich ab 1. Januar 2024 ändern soll. Die Hybrid-DRG beschränken sich zwar zunächst auf rund 200 Leistungen. Eine Erweiterung des Kataloges ist aber fest eingeplant und wurde in einer Anlage zur Hybrid-DRG-Verordnung mit Details hinterlegt.

Seit Ewigkeiten reden wir über Ambulantisierung. Der Blick ins Ausland – z.B. nach Dänemark, Spanien oder Großbritannien – hat gezeigt, dass geeignete Finanzierungsmodelle die richtigen Anreize dafür setzen. Es war klar, dass die Reise auch in Deutschland in diese Richtung gehen wird. Bereits in 2017 wurden Hybrid-DRG in einem Modellprojekt in Thüringen erprobt. Es folgten zahlreiche Empfehlungen für eine sektorengleiche Vergütung. Der Auftrag an die Selbstverwaltung zu einem Gutachten erging 2019 und zog sich über Jahre hin.

Ambulant-Stationäre Gesundheitszentren als Blaupause

Es verging kein Fachkongress im Gesundheitsbereich, ohne dass gefühlt hundert Mal das Buzzword Ambulantisierung fiel. Aber nur wenige mutige Krankenhausträger wagten sich daran, ambulant-stationäre Gesundheitszentren ins Leben zu rufen. Dazu gehört z.B. das Krankenhaus Spremberg, das aus der Insolvenz heraus jetzt auf ein entsprechendes Sanierungskonzept setzt. Nicht zu vergessen Sana und die Kassenärztliche Vereinigung Brandenburg, die im März 2022 das ambulant-stationäre Zentrum (ASZ) in Templin feierlich eröffneten.

Dabei hatten sie einen entscheidenden Vorteil: Sie konnten auf den Versorgungsstrukturen und Versorgungsangeboten aufbauen, die von 2017 bis 2020 im Rahmen eines durch den Innovationsfonds und durch den Krankenhausstrukturfonds geförderten Projekts entwickelt und umgesetzt wurden. Jetzt könnten solche Modelle Blaupausen werden für viele kleinere Krankenhäuser im ländlichen Raum, denn nun stehen die Rahmenbedingungen für die Finanzierung intersektoraler Angebote weitgehend fest.

Doch auch wer nicht in eine solche Richtung denkt, muss sich jetzt intensiv mit den Hybrid-DRG befassen. Unabhängig von der Versorgungsstufe kommt nun auf alle Krankenhäuser noch einmal ein großer Batzen Arbeit zu. Die Uhr tickt; es bleiben nur noch wenige Wochen bis zur Einführung der Hybrid-DRG, Anfang kommenden Jahres. Wer jetzt die Möglichkeiten fürs eigene Haus sorgfältig analysiert und sich auf die Umsetzung vorbereitet, hält die Verluste gering und kann mittelfristig sogar davon profitieren.

Denn sind die Prozesse entsprechend angepasst, ermöglichen die Hybrid-DRG eine wirtschaftlich sinnvolle Teilnahme der Kliniken an der ambulanten Versorgung. In Zeiten, in denen stationäre Patientenzahlen sinken und der Fachkräftemangel dazu führt, dass vorhandene Betten nicht in vollem Umfang betrieben werden können, steckt darin auch eine große Sanierungschance.

Über den Autor

Prof. Dr. Christian Wallwiener ist seit mehr als 15 Jahren im Gesundheitswesen tätig. Vor der Gründung von WMC Healthcare war der jetzige Geschäftsführer bei einer internationalen Unternehmensberatung beschäftigt. Er ist Arzt mit klinischer Ausbildung an der TU München, der Harvard University und der Oxford University und habilitierte sich im Fach Experimentelle Gynäkologie.

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