
Eklat in der laufenden Bundesratssitzung: Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) hat im Streit um die Abstimmung zur Krankenhausreform seine Gesundheitsministerin Ursula Nonnemacher (Grüne) in einer beispiellosen Aktion entlassen. Noch auf dem Bundesrats-Flur in Berlin bekam sie nach eigener Schilderung ihr Entlassungspapier – kurz vor dem Länder-Votum zur Klinikreform. Die 67-jährige Ärztin sprach von einem „Tiefpunkt der politischen Kultur“.
Nach der Entlassung von Nonnemacher ist daraufhin aus Solidarität ihr Parteifreund Agrar- und Umweltminister Axel Vogel (Grüne) zurückgetreten. Die Grünen und Vogel sähen keine Basis mehr für eine vertrauensvolle Zusammenarbeit, teilten die Grünen mit. Der Rücktritt sei eine Konsequenz „aus dem respektlosen Umgang des Ministerpräsidenten mit der bisherigen Gesundheitsministerin“, heißt es weiter.
Vogel habe sich in Absprache mit dem Landesvorstand zum Rücktritt entschlossen und dem Ministerpräsidenten seine Entscheidung erklärt, teilten die Grünen mit. Vogel und Nonnemacher waren nur noch geschäftsführend im Amt. SPD und BSW verhandeln derzeit über eine Koalition. Grünen-Landeschefin Alexandra Pichl sagte: „Ich bedaure es sehr, dass der Ministerpräsident die langjährige vertrauensvolle Zusammenarbeit aufgibt, obwohl die Landesregierung noch geschäftsführend im Amt ist.“ Die angestrebte Koalition mit dem BSW „wirft bereits jetzt ihre Schatten voraus“, meinte sie.
Konflikt um Abstimmung im Bundesrat
Woidke wollte nach Auskunft von Regierungssprecher Florian Engels die Anrufung des Vermittlungsausschusses von Bundesrat und Bundestag erreichen. Die für die Krankenhäuser zuständige Fachministerin Nonnemacher aber warnte: „Das führt zu einer Versenkung dessen, was hier in zwei Jahren mühsam ausgehandelt worden ist.“
Am Ende konnte sich die düpierte Ministerin – anders als Woidke – zumindest mit dem Ergebnis der Abstimmung zufrieden zeigen: Die Länderkammer ließ das Gesetz für eine grundlegende Neuordnung der Kliniken in Deutschland passieren. Woidkes Ziel, den Vermittlungsausschuss einzuschalten, ging jedoch schief.
Nonnemacher wäre ohnehin bald ausgeschieden
Der Schritt des Regierungschefs löste empörte Reaktionen aus, von einer öffentlichen Demütigung und respektloser Machtdemonstration war die Rede – zumal Nonnemacher ohnehin bald aus dem Amt ausscheidet. Woidkes SPD und das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) wollen gerade eine neue Regierungskoalition für Brandenburg schmieden und sind im Endspurt ihrer Koalitionsverhandlungen.
Grünen-Bundesvorsitzende Franziska Brantner nannte Woidkes Verhalten bei der Plattform X stillos. „Ein anständiger Umgang muss über der reinen Machtsicherung liegen.“ Bundesgesundheitsminister Prof. Karl Lauterbach (SPD) würdigte den Einsatz Nonnemachers für die Reformpläne: „Sie hat sich insbesondere dafür eingesetzt, dass in Brandenburg die Notfallversorgung in dem Umfang erhalten bleiben kann, wie sie notwendig ist. Das ist ihr Verdienst.“
Ministerin wollte Rede halten
Vor der Sitzung im Bundesrat kam es in der Koalitionsrunde zum Konflikt mit dem Ministerpräsidenten. Nonnemacher machte klar, dass sie sich nach erreichten Verbesserungen im Klinikgesetz gegen die Anrufung des Vermittlungsausschusses stellen wolle. Daraufhin habe der Ministerpräsident angedroht, sie vor der Sitzung zu entlassen, schilderte die Grünen-Politikerin. Solange sie keine Entlassungsurkunde habe, werde sie ihre Rede halten, habe sie gesagt.
Um 10.00 Uhr kam es zum Showdown: Der Regierungschef akzeptierte das Votum Nonnemachers nicht und verhinderte mit ihrer Entlassung eine Enthaltung Brandenburgs. Die rot-schwarz-grüne Koalition hatte vereinbart, dass sie sich im Bundesrat enthält, wenn sie sich nicht einig ist.
Regierungschef sieht klares Votum
Woidke sagte im Interview mit RTL/ntv: „Ich kann mir da nicht auf der Nase rumtanzen lassen.“ Nonnemacher wiederum warf Woidke vor, er habe mit seinem Verhalten gegen den Koalitionsvertrag verstoßen – und das nicht zum ersten Mal.
Das Verhältnis zwischen Woidke und Nonnemacher galt schon länger als angespannt. In der Corona-Krise verlagerte er die Zuständigkeit für das Impfen zwischenzeitlich von ihrem Ministerium zum Innenressort.
Über Ursula Nonnemacher
Seit 2019 ist Ursula Nonnemacher in Brandenburg als Ministerin zuständig für Soziales, Gesundheit, Integration und Verbraucherschutz gewesen. Die Grünen-Politikerin war bis zu ihrer Entlassung durch Ministerpräsident Diemar Woidke auch eine seiner Stellvertreterinnen.
Die 1957 in Wiesbaden geborene Medizinerin war vor ihrem Einzug in den Brandenburger Landtag im Jahr 2009 über Jahrzehnte Krankenhausärztin mit den Schwerpunkten Innere Medizin, Intensivtherapie und Notfallversorgung.
Im Parlament kümmerte sich die dreifache Mutter, die seit 1994 Grünen-Mitglied ist, besonders um sozial- und gesundheitspolitische sowie kommunal- und innenpolitische Themen. Vor ihrer Ernennung zur Landesministerin war sie Co-Vorsitzende der Grünen-Fraktion.
Mit ihr als Co-Spitzenkandidatin holten die Grünen 2019 mit 10,8 Prozent der Wählerstimmen ihr bis dahin bestes Ergebnis in der Landesgeschichte. Nonnemacher erhielt eines von zwei grünen Ministerien im Kabinett Woidke. Als Gesundheitsministerin musste sie einige Krisen managen - etwa in der Corona-Pandemie und bei der Bekämpfung der Schweinepest.
Das Ende ihrer Amtszeit stand schon vor Wochen fest: Die Grünen schafften es in der jüngsten Wahl nicht in den Landtag. SPD und BSW verhandeln derzeit über eine neue Regierungskoalition in Brandenburg.








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