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Corona-NotlageKommt der Freedom Day Ende November?

Gesundheitsminister Jens Spahn hat sich für das Ende der „epidemischen Lage“ am 25. November 2021 ausgesprochen. Gesundheitsexperten sind sich uneinig.

Schutzmaske
Candy1812/stock.adobe.com
Symbolfoto

Die „epidemische Lage“ ist Grundlage für zentrale Corona-Maßnahmen in Deutschland. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hatte sich am 18. Oktober 2021 bei Beratungen mit seinen Länderkollegen dafür ausgesprochen, die Regelung am 25. November auslaufen zu lassen. Dabei verwies er nach Medieninformationen unter anderem darauf, dass das Robert Koch-Institut (RKI) das Risiko für geimpfte Personen als moderat einstufe.

DKG-Hauptgeschäftsführer Dr. Gerald Gaß stellte sich hinter diesen Plan. Angesichts der hohen Impfquote in Deutschland dürfte es nicht mehr erforderlich sein, dass der Bund über die Länderkompetenzen hinweg Maßnahmen zur Pandemie-Kontrolle beschließe, sagte er. „Ich rechne auch für den Herbst und Winter nicht mehr mit vergleichbar hohen Covid-Patientenzahlen in den Krankenhäusern wie in der zurückliegenden Zeit.“

Die Entscheidung über ein Ende der „epidemischen Lage nationaler Tragweite“ liegt beim Bundestag. Das Parlament hatte sie erstmals im März 2020 zu Beginn der Pandemie festgestellt und danach immer wieder verlängert, zuletzt Ende August für drei Monate. Sie läuft aus, wenn sie vom Bundestag nicht verlängert wird. Die „epidemische Lage“ gibt Bundes- und Landesregierungen Befugnisse, um Verordnungen zu Corona-Maßnahmen oder zur Impfstoffbeschaffung zu erlassen.

FDP fordert Ende, Grüne halten sich zurück

Der FDP-Gesundheitsexperte und Infektiologe Andrew Ullmann schrieb auf Twitter. „Die epidemische Lage von nationaler Tragweite kann enden, hätte längst beendet sein können. Wichtig sind jetzt Boosterimpfungen bei vulnerablen Personen.“ Die FDP hatte, wie auch ihr voraussichtlicher künftiger Koalitionspartner, die Grünen, bereits im August bei der letzten Abstimmung im Bundestag über die Verlängerung der epidemischen Lage mit Nein gestimmt.

Der Grünen-Gesundheitspolitiker Janosch Dahmen zeigte sich dennoch zurückhaltend: „Entscheidender als emotionale Debatten über die Verlängerung der epidemischen Lage ist im Ergebnis die konsequente und flächendeckende Umsetzung einfacher und wirkungsvoller Schutzmaßnahmen in Herbst und Winter“, sagte er der Deutschen Presse-Agentur. „Wir sind dank der Impfung einen großen Schritt weiter, aber die Pandemie ist keinesfalls vorbei.“ Dahmen geht davon aus, dass Maskenpflicht und Vorgaben wie die 3G-Regel voraussichtlich bis zum Frühjahr bestehen bleiben müssen.

Lauterbach und Reinhardt befürworten weiterhin Schutzmaßnahmen

SPD-Gesundheitsexperte Prof. Karl Lauterbach äußerte sich ebenfalls auf Twitter: „Das ist das falsche Signal“. Er geht davon aus, dass zentrale Schutzmaßnahmen auch nach deren Auslaufen fortgeführt werden müssen. „Kein Bundesland wäre so verrückt, bei den derzeitigen Fallzahlen auf Zugangsbeschränkungen für geschlossene Räume zu verzichten oder die Maskenpflicht in Bus und Bahn zu begraben“, sagte er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland.

Der Präsident der Bundesärztekammer, Dr. Klaus Reinhardt, schlug vor, eine deutschlandweite Regelung für Geimpfte und Genesene (2G) in bestimmten Bereichen einzuführen. „Ich plädiere dafür, dass alle Bundesländer 2G ohne Maske und Abstand als Option für das Gastgewerbe, für den Sport und die Veranstaltungsbranche einführen“, sagte er den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Das wäre ein guter Weg, um wieder mehr Normalität zuzulassen.

Für die nächste Zeit rechnet der Ärztepräsident mit erneut höheren Inzidenzen. „In den kommenden Wochen wird die Zahl der Corona-Infektionen sicherlich steigen“, sagte Reinhardt. Grund zur Panik bestehe zum jetzigen Zeitpunkt angesichts der Impfquote und der Situation in den Krankenhäusern jedoch nicht. Wichtig sei, dass sich nun alle Erwachsenen gegen Corona impfen ließen, „die dies aus welchen Gründen auch immer bisher noch nicht getan haben“.

Brysch nennt Beendigung gefährlich, Falk zeigt sich ebenfalls skeptisch

Der Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz Eugen Brysch nannte es „gefährlich, allein aus fragwürdigem politischen Kalkül die epidemische Lage zu beenden. Schließlich ist die Pandemie nicht vorbei“, sagte er dpa. Aktuell würden mehr über 80-jährige Corona-Infizierte im Krankenhaus behandelt als vor einem Jahr, obwohl die meisten in dieser Altersgruppe geimpft seien.

Auch die Präsidentin der Deutschen Gesellschaft für Immunologie Christine Falk zeigte sich skeptisch: Die Infektionszahlen in Deutschland seien zu hoch und dürften weiter steigen, die Impfquote sei zu niedrig, sagte sie der dpa. Die Ankündigung, die epidemische Lage nationaler Tragweite auslaufen lassen zu wollen, könne in der Bevölkerung als Entwarnung missverstanden werden. „Das wäre ein kontraproduktives Signal an alle, die noch mit der Impfung zögern.“

Gassen glaubt an baldigen Freedom Day

Dr. Andreas Gassen, Vorstandsvorsitzender der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), stimmt Spahns Ankündigung zu. „Ab Ende November könnten die staatlichen Corona-Regeln entfallen. Diese Vorlaufzeit von sechs bis sieben Wochen ist notwendig, damit sich mehr Menschen impfen lassen können. Und ich glaube, das werden sie auch angesichts der Lockerungen von Maßnahmen tun. Der Freedom Day rückt also schrittweise näher.“

Elternvertreter forderten eine Impfpflicht für Lehrkräfte. Diese müsse von der Bundesregierung „bundeseinheitlich gesetzlich festgeschrieben werden“, sagte Ines Weber, Vorstandsmitglied des Bundeselternrats, den Funke-Zeitungen. Der Verband Bildung und Erziehung hatte allerdings schon im Juli darauf hingewiesen, dass die überwältigende Mehrheit der Lehrkräfte geimpft sei.

Kinder- und Jugendärzte fordern Abschaffung regelmäßiger Corona-Tests

Der Präsident des Berufsverbands der Kinder- und Jugendärzte, Dr. Thomas Fischbach, forderte die Abschaffung der regelmäßigen Corona-Tests an Schulen. „Wir brauchen die anlasslosen Corona-Massentests in Schulen nicht mehr“, sagte er der „Bild“. Denn Kinder erkrankten selten schwer an Covid-19. Der riesige logistische Aufwand der Schnelltests lohne sich nicht und führe nicht selten zu falschen Ergebnissen.

Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) wiederum verlangte zum Start des Wintersemesters an den Hochschulen, Studierenden und Beschäftigten kostenlose Corona-Tests und medizinische Schutzmasken anzubieten. Hygieneregeln, die das 3G-Prinzip einschlössen - also Zugang nur für Geimpfte, Getestete oder Genesene - seien weiterhin erforderlich, sagte der stellvertretende GEW-Vorsitzende Dr. Andreas Keller der „Neuen Osnabrücker Zeitung“.

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