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KommentarJens Spahn − der rastlose Gesundheitsminister

Die Bilanz von vier Jahren Jens Spahn als Gesundheitsminister fällt gemischt aus: Einerseits brachte er mit Gesetzen „im Wochentakt“ vor allem die Digitalisierung und die Pflege voran. Andererseits blieb manches Stückwerk. In der Corona-Krise leistete er sich einige Pannen. Kritik, die an ihm abperlt.

Jens Spahn
BMG
Jens Spahn, Bundesgesundheitsminister

Als Jens Spahn im März 2018 seinen Posten als Bundesgesundheitsminister antrat, fand er ein nahezu erstarrtes Gesundheitswesen vor. Kaum etwas ging tatsächlich voran, auch weil die Lobbygruppen in der Gemeinsamen Selbstverwaltung sich seit Jahren gegenseitig blockierten. Zwar war die Digitalisierung des Gesundheitswesens Thema in unzähligen politischen Sonntagsreden, in der Realität faxten Ärzte und Krankenhäuser jedoch weiterhin medizinische Unterlagen durchs Land, während andere Länder konsequent die Medizin modernisierten.

Auch die ständig wachsenden Probleme in der Pflege ignorierte die Politik so lange, bis der Aufschrei in der Öffentlichkeit unüberhörbar wurde. Es sind nur zwei Beispiele von vielen. Dann kam Jens Spahn – und mit ihm plötzlich Tempo und Entscheidungsfreude in die Gesundheitspolitik.

Treiber der Digitalisierung

Die hohe Schlagzahl des „rastlosen Ministers“ (Bernadette Rümmelin) hatte viele Licht-, aber auch einige Schattenseiten. Bleiben wir zunächst bei den positiven Aspekten: Ob elektronische Patientenakte, E-Rezept, DiGAs oder der Ausbau der Telematikinfrastruktur – vieles wurde beim Thema Digitalisierung endlich auf den Weg gebracht oder massiv vorangetrieben. Höhepunkt ist sicherlich das Krankenhauszukunftsgesetz (KHZG), das mit Milliardensummen die Digitalisierung der Krankenhäuser unterstützt. Flankiert wurde der neue Schub durch zahlreiche Gesetze, die den rechtlichen Rahmen abstecken – und durch ein stringentes organisatorisches Durchgreifen, etwa durch die Einrichtung eines Digitalisierungsreferates im BMG, die Übernahme der Gematik oder die Gründung des Health Innovation Hubs (hih).

Auch in der Pflege leitete Spahn mit einigen Gesetzen zumindest eine Kehrtwende ein, um den eklatanten Missständen der vergangenen Jahre zu begegnen, beispielsweise durch die Finanzierung von 13 000 zusätzlichen Stellen in der Altenpflege, die Ausgliederung der Pflege aus den DRGs oder durch den Versuch, durch Pflegepersonaluntergrenzen für eine ausreichende Besetzung auf den Stationen zu sorgen.

Schnitzer in der Corona-Krise

Nur in der Corona-Krise leistete sich Spahn einige heftige Schnitzer, sei es in der Anfangszeit der Pandemie bei der Beschaffung von Masken und Materialien, bei der Zulassung und Finanzierung von Schnelltests, bei der hektischen Nachbesserung der Klinikfinanzierung – oder bei der zuweilen viel zu zögerlichen Umsetzung von Corona-Maßnahmen. Als Spahn zu Beginn der Pandemie orakelte, man werde sich viel verzeihen müssen, hatte er wohl vorausschauend vor allem sich selbst im Blick.

Damit wären wir bei den Schattenseiten der Ära Spahn. Das hohe Tempo bei der Gesetzgebung überforderte zeitweise selbst ausgewiesene Kenner der Branche, weil Spahn gefühlt fast im Wochentakt ein neues Gesetz durch das Parlament jagte. Große inhaltliche Würfe mied der CDU-Politiker, lieber legte er stakkatoartig immer neue Regelungen und Ergänzungen vor.

Einige Gesetze waren deshalb teilweise so sehr mit heißer Nadel gestrickt, dass sie den Krankenhäusern in der nächsten Legislaturperiode noch erhebliche Probleme bereiten werden. So treiben die Pflegepersonaluntergrenzen Kliniken aufgrund des Fachkräftemangels zur Verzweiflung und ignorieren die tatsächliche Lage auf dem Arbeitsmarkt. Ausverhandelte Pflegebudgets zwischen Kassen und Krankenhäusern waren bis Redaktionsschluss weiter Mangelware – und die Ausgliederung der Pflege aus den DRGs führt inzwischen genau zu dem, wovor Experten eindringlich gewarnt hatten, nämlich enormen Personaltricksereien in den Krankenhäusern. Vom gigantischen Bürokratieberg, den Spahn durch die MDK-Reform den Kliniken zusätzlich übergeholfen hat, ganz zu schweigen.

Der „tägliche“ Spahn

Zum Abschluss sollten wir auch noch kurz über Spahns Kommunikation sprechen. Zum Leidwesen vieler Betroffener im Gesundheitswesen schenkte der ehrgeizige Minister Gesprächspartnern nicht immer ein offenes Ohr, vor allem wenn es um problematische Details ging. Gleichzeitig drängte es den CDU-Vizeparteichef jedoch so vehement in Presse, Funk und Fernsehen, dass der „tägliche“ Spahn schon vor Corona gefühlt zur medialen Dauerbeschallung gehörte.

Nur wenn der Minister wie in der Corona-Krise in die Kritik geriet, wurde er auffallend schmallippig und ließ alle Kritik an sich abprallen. Was bleibt also von Jens Spahn: viele richtige Ansätze und wichtige Impulse, vor allem beim Thema Digitalisierung des Gesundheitswesens. So gesehen ist nach dreieinhalb Jahren Spahn das Glas eher halbvoll als halbleer.

Erschienen in kma 9/21  Jetzt kaufen!

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