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RegierungskommissionReformvorschläge werfen Kritik und Fragen auf

Die vorgestellte Krankenhausreform basiert auf Vorhaltepauschalen und Leistungsgruppen – finanzielle Anreize, wie es sie durch das DRG-System gab, sollen entfallen. In der Branche herrscht Einigkeit darüber, dass sich etwas ändern muss. Die Reformvorschläge werfen jedoch Kritik und Fragen auf. 

Fragen und Kritik
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Symbolfoto

Lange wurde auf die Reformvorschläge für das neue Krankenhauskonzept hingefiebert, nun sind sie da. Am 6. Dezember stellte Bundesgesundheitsminister Prof. Karl Lauterbach mit Mitgliedern der Regierungskommission das neue Konzept vor. „Der Grundkonsens der Kommission war, dass eine reine leistungs- und mengenorientierte Vergütung nicht mit der Auftrag der Krankenhäuser der Daseinsvorsorge vereinbar ist“, sagte Irmtraud Gürkan, Kommissionsmitglied und Aufsichtsrätin der Charité. Im Kern sieht dieses eine Finanzierung aus Vorhaltepauschalen je nach Versorgungslevel und Leistungsgruppen sowie anteilig aus Fallpauschalen vor. „Das ist im wahrsten Sinne des Wortes eine Revolution im Krankenhaussektor, die wir unbedingt benötigen“, so Lauterbach bei der Bundespressekonferenz. Kommissionsmitglied Prof. Christian Karagiannidis führte aus, dass mit dem Reformkonzept die Schere aus Über- und Unterversorgung geringer werden soll. Die Einführung von Vorhaltung nehme zudem den Anreiz, immer mehr zu machen. 

Stimmen aus der Politik

Die Koalitionsfraktionen von SPD, Grünen und FDP haben Vorschläge für eine grundlegende Reform bei der Vergütung der Klinken begrüßt. „Finanzielle Anreize dürfen nicht leitend sein für die medizinische Versorgung, es braucht hier endlich wieder ein gesundes Gleichgewicht“, sagte der gesundheitspolitische Sprecher der Grünen, Janosch Dahmen, der Deutschen Presse-Agentur. Die vorgelegte Stellungnahme der Regierungskommission sei „der Startschuss für eine überfällige, umfassende Reform“. Es sei gut, die Bedeutung einer stärker an der Daseinsvorsorge orientieren Finanzierung wie bei der Feuerwehr oder der Polizei zu betonen.

SPD-Fraktionsvize Dagmar Schmidt nannte die Kommissionsvorschläge „eine gute Grundlage“ um die Versorgungsqualität vor Ort zu stärken und den ökonomischen Druck aus den Behandlungen zu nehmen. „Das heißt: Qualität rechnet sich wieder mehr.“ Der FDP-Gesundheitsexperte Andrew Ullmann sagte, die Vorschläge gäben „gute Richtmarken“. Bei den weiteren Beratungen wolle die FDP darauf achten, dass der Fokus nicht nur auf den Kliniken liege, sondern auch die niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte in diese essenzielle Reform eingebunden würden.

Das sagen die Krankenhäuser

Die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) begrüßt grundsätzlich, dass mit den Vorschlägen nun endlich die Reformdiskussion eingeleitet werde. Es brauche nun ein tragfähiges Gesamtkonzept für eine Reform, die insgesamt auch mit den Ländern konsentiert werden muss, einzelne Regelungen dürften keinesfalls vorgezogen und „mit der Brechstange“ umgesetzt werden. Einzelne Veränderungen führten zu mehr Verwerfungen als Fortschritt im System. „Deshalb wird es Zeit, Finanzierung, Planung, Entbürokratisierung und Personalfragen zusammen zu denken und zusammen zu reformieren“, so der DKG-Vorstandsvorsitzende Dr. Gerald Gaß. Gerade in der Finanzierungsfrage werden sich die Reformvorschläge aus Sicht der Krankenhäuser daran messen lassen müssen, ob sie tatsächlich nachhaltig eine Verbesserung für die Versorgung der Patienten, die Krankenhäuser und die dort Beschäftigten bringen. 

Was die Investitionskostenfinanzierung betrifft, würde die Kommission aus Sicht der DKG viel zu kurz springen. Die Regierungskommission beklage den eklatanten Mangel bei der Investitionsförderung der Länder – es reiche aber nicht aus, das Problem zu bennnen und auf eine notwendige Lösung in der Zukunft zu verweisen. Die unzureichende Investitionsförderung sei eine der Hauptursachen für die angespannte wirtschaftliche Lage vieler Häuser und die dünne Personaldecke. 

Die grundsätzlich richtigen Gedanken der Kommission würden auf einer falschen Grundprämisse basieren. „Die Reform soll nach Vorstellung der Kommission die aktuellen Mittel nur umverteilen. Basis sind die Zahlen aus dem Jahr 2021. Damit basiert die Finanzreform aber bereits auf einer strukturellen Unterfinanzierung und ist damit schon zu Beginn zum Scheitern verurteilt“, urteilt Gaß. Das Erlösvolumen müsse der Krankenhäuser müsse zum Start der Finanzierungsreform sachgerecht und vollständig ausfinanziert werden. 

Weiterer Kritikpunkt der DKG ist die neue Krankenhausplanung über die bundeseinheitliche Definition der Versorgungsstufen (Level) und Festlegung der Leistungsgruppen, die in den verschiedenen Versorgungsstufen behandelt werden. Insgesamt sollen 128 Leistungsgruppen gebildet werden. Diese Vorschläge würden sogar weit über die novellierte Krankenhausplanung in Nordrhein-Westfalen hinausgehen. „Dieser sehr weitgehende Eingriff in das Krankenhausplanungsrecht der Bundesländer dürfte mit den dort Verantwortlichen kaum zu konsentieren sein“, so Gaß. 

KGNW setzt auf Praktiker

Auch die Krankenhausgesellschaft Nordrhein-Westfalen mahnt, dass die Bundesländer weiter die Entscheidungsgewalt behalten müssen. „Eine Krankenhausreform kann nur mit den Ländern, mit den Beteiligten der Selbstverwaltung und insbesondere mit den Krankenhäusern zum Erfolg werden“, sagt Ingo Morell, Präsident der Krankenhausgesellschaft Nordrhein-Westfalen (KGNW), „dass der Bundesminister die Akteure und die Beteiligten als Lobbyisten abgestempelt und sie außen vorhalten will, ist in keiner Weise nachvollziehbar und wirkt nicht vertrauenserweckend.“ Ohne die Erfahrungen der Praktiker werde es nicht gelingen, ein funktionierendes Konzept umzusetzen. Das gelte umso mehr, als die Regierungskommission einen sehr tiefgreifenden Umbau der Krankenhauslandschaft anstrebe. Zudem dürfe die Reform die Trägervielfalt bei den Krankenhäusern nicht gefährden.

Asklepios sieht keine Revolution

Enttäuscht zeigt sich der Asklepios-Konzern. „Die vom Bundesgesundheitsministerium heute unter großem Erwartungsdruck vorgestellte umfassende Krankenhausreform zielt aus unserer Sicht an den Kernproblemen der Krankenhäuser vollkommen vorbei“, teilt Kai Hankeln, CEO der Asklepios-Kliniken auf kma-Anfrage mit. „Weder wird dadurch die anerkannt zu hohe Zahl der Krankenhäuser in Deutschland reduziert, noch werden dadurch mehr Fachkräfte ins System kommen. Wer auf erkennbare Maßnahmen zum Bürokratieabbau gehofft hat, wird sie nicht finden. Das System wird weder produktiver, noch effizienter noch wirtschaftlicher und auch nicht besser.  Die Enttäuschung könnte kaum größer sein. Einmal mehr zeigt sich, dass es der Politik an Willen und Kraft fehlt, um durchgreifende Maßnahmen zu beschließen, die das Krankenhaus- und GKV-System in Zukunft bezahlbar erhalten. Die Empfehlungen sind weder revolutionär, wie es der Bundesgesundheitsminister behauptet, noch verdienen Sie das Wort Reform.“

Die Sicht der Unikliniken

Prof. Jens Scholz, 1. Vorsitzender des Verbands der Universitätsklinika Deutschlands (VUD) spricht von einem „vielversprechenden Ansatz für die Neuausrichtung der Krankenhausversorgung“. Es sei folgerichtig, die Unikliniken an die Spitze des Versorgungsstufenmodells zu stellen und eine zusätzliche Finanzierung dabei vorzusehen. Der Marburger Bund meint hingegen, dass der besonderen Rolle der Unikliniken in der Maximalversorgung stärker Rechnung getragen werden müsse. Jens Bussmann, Generalsekretär des VUD betont, dass Bund und Länder bei der Weiterentwicklung der Krankenhausstruktur „Hand in Hand“ agieren sollten. Zudem weist er auf den bürokratischen Aufwand hin, den die Reformvorschläge mit sich bringen. „Wenn gleichzeitig bestehende Bürokratielasten, wie wir sie beispielsweise aktuell mit OPS-Strukturanforderungen und G-BA-Richtlinien erleben, abgebaut werden, ist eine erfolgreiche Krankenhausreform diesen Aufwand aber wert“, so Bussmann. 

Marburger Bund will alle Personalkosten ausgliedern

Der Marburger Bund äußert einige Bedenken, begrüßt aber, dass für die jeweiligen Versorgungsebenen und Leistungsgruppen Struktur- und Personalvoraussetzungen vorgegeben werden sollen. Der Einstieg in die Finanzierung der Vorhaltekosten werde begrüßt, auch wenn der Verband einen „echten Ausstieg aus den Fallpauschalen“ als notwendig erachtet. „Eine wirkliche Überwindung des Fallpauschalensystems kann nur gelingen, wenn alle notwendigen Personalkosten der direkten Patientenversorgung ausgegliedert und als Vorhaltekosten finanziert werden“, sagt Dr. Susanne Johna, 1. Vorsitzende des Marburger Bundes. Personalengpässe würden sich nicht allein auf die Pflege beschränken, sondern betreffen auch den ärztlichen Dienst. Zum Teil würden ärztliche Stellen nicht nachbesetzt, weil sich dadurch Kosten einsparen ließen. Eine Herausnahme der ärztlichen Personalkosten aus den DRG sieht der Reformvorschlag nicht vor, „dabei wäre dies nach Ausgliederung der Pflegepersonalkosten der nächste folgerichtige Schritt, um sicherzustellen, dass in der direkten Patientenversorgung ausreichend Personal zur Verfügung steht“, so Johna. 

Der Ansatz der integrierten ambulanten und stationären Versorgung im Bereich Level 1 werfe eine Reihe von Fragen auf. So sei unklar, welche Patienten diese Basisversorgung benötigen, die nachts und am Wochenende aber weitestgehend ohne ärztliches Personalauskommen soll und wer die Haftung übernimmt, wenn die Leitung beim Pflegepersonal liege. Auch der Marburger Bund appelliert an Bund und Länder, die Neuordnung der Strukturen als gemeinsames Projekt zu begreifen.

Das sagen die Kassen

Positiv ist aus Sicht des Verbandes der Ersatzkassen (vdek) die stärkere Ausrichtung auf die Qualität der Krankenhausversorgung. „Allerdings müssen qualitative Unterschiede in der Versorgung auch zu Konsequenzen führen“, sagt die vdek-Vorstandsvorsitzende Ulrike Elsner, „nur bedarfsgerechte und qualitativ hochwertige Krankenhäuser sollen künftig für die Versorgung der Bevölkerung in Frage kommen.“ 

Die Vorhaltefinanzierung müsse bedarfsgerecht und über die Verhandlungen der gemeinsamen Selbstverwaltung erfolgen, so der vdek. „Das Instrument der leistungsunabhängigen Vorhaltekostenfinanzierung darf nicht dazu führen, Beitragsmittel im Sinne einer Staatsmedizin zu verteilen. Hier sollten die Vorschläge weiterentwickelt werden“, so Elsner.  
Kritische Stimmen kommen vom BKK Dachverband. „Bedauerlich ist, dass die Regierungskommission den Weg in die Verstaatlichung des Gesundheitswesens weiter vorantreibt und Gestaltungsmöglichkeiten der Selbstverwaltung beschneidet“, erklärt der Vorstandsvorsitze Franz Knieps. Die Regierungskommission habe ein „mutiges und interessantes Modell“ zur Neuordnung der Krankenhausfinanzierung vorgelegt – die genaue Bewertung werde davon abhängen, wie diese Vorschläge jetzt in einem Gesetzentwurf einfließen. 

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