Georg Thieme Verlag KGGeorg Thieme Verlag KG
Georg Thieme Verlag KGGeorg Thieme Verlag KG

Lauterbachs RevolutionRegierungskommission setzt auf Vorhaltepauschalen und DRGs

Gesundheitsminister Prof. Karl Lauterbach hat zusammen mit der Regierungskommission das lang erwartete Krankenhauskonzept vorgestellt. Im Kern wird die Finanzierung aus Vorhaltepauschalen je nach Versorgungslevel und Leistungsgruppe sowie aus Fallpauschalen bestehen.

Idee
Kenishirotie/stock.adobe.com
Symbolfoto

Patientinnen und Patienten in deutschen Krankenhäusern sollen in Zukunft weniger nach wirtschaftlichen und stärker nach medizinischen Gesichtspunkten behandelt werden. Das ist das Ziel umfangreicher Reformvorschläge, die Bundesgesundheitsminister Prof. Karl Lauterbach am 6. Dezember in Berlin vorstellte. „Die Medizin wird wieder in den Vordergrund der Therapie gestellt und folgt nicht der Ökonomie“, versprach der SPD-Politiker.

„Die Krankenhäuser haben gravierende Probleme“, sagte Lauterbach. Das Hauptproblem sei die Bezahlung der Kliniken über die Fallpauschalen. Das sind pauschale Sätze für vergleichbare Behandlungen – „egal wie aufwendig der Fall behandelt wird, egal, wo er behandelt wird, ob er gut behandelt wird oder nicht so gut behandelt wird“, wie Lauterbach erläuterte. Als Ergebnis kämen die Kliniken in „ein Hamsterrad“, möglichst viele Behandlungen auf möglichst billige Weise durchzuführen. „Somit hat man mit diesem System eine Tendenz zu billiger Medizin.“

2-Säulen-Modell „Vorhaltung und DRG“

Nach den Vorschlägen der Regierungskommission Krankenhausversorgung, die seit Mai dieses Jahres an den Vorschlägen arbeitet, sollen die Kliniken stattdessen in Zukunft nach drei neuen Kriterien honoriert werden: Vorhalteleistungen, Versorgungsstufen (Leveln) und Leistungsgruppen. Neben der fallabhängigen Vergütung nach DRG-Fallpauschalen (60 Prozent) sollen zukünftig für das Vorhalten von Personal, einer Notaufnahme oder notwendiger Medizintechnik feste Beträge (40 Prozent) fließen.

Vergütung von Vorhalteleistungen

Die Regierungskommission empfielt, künftig einen festen Beitrag als Vorhaltekosten zu definieren. Diesen erhalten die Krankenhäuser je nach ihrer Zurordnung in Versorgungsstufe und Leistungsgruppe.

Krankenhaus-Versorgungsstufen (Level)

Anders als heute sollen Krankenhäuser in drei konkrete Level eingeordnet und entsprechend gefördert werden.

  1. Grundversorgung: medizinisch und pflegerische Basisversorgung, z.B. grundlegende chirurgische Eingriffe und Notfälle. Sie müssen flächendeckend eine wohnortnahe Versorgung garantieren. Sie werden daher unterteilt in Krankenhäuser, die Notfallversorgung sicherstellen (Level I n) und solche, die integrierte ambulant/stationäre Versorgung anbieten (Level I i). Krankenhäuser des Levels I i soll eine Schlüsselrolle auf dem Weg zur Überwindung der zu häufig noch stationärer-ambulant getrennten Gesundheitsversorgung zukommen. Sie sollen aus dem DRG-System herausgenommen und über Tagespauschalen vergütet werden. Gesetzliche Änderungen sollen ermöglichen, dass diese Häuser auch von qualifizierten Pflegepersonen geleitet werden können.
     
  2. Regel- und Schwerpunktversorgung: Krankenhäuser, die im Vergleich zur Grundversorgung noch weitere Leistungen anbieten.
     
  3. Maximalversorgung: z.B. Universitätskliniken

Für jedes Level sollen einheitliche Mindestvoraussetzungen gelten. Damit würden erstmals einheitliche Standards für die apparative, räumliche und personelle Ausstattung gelten – und damit die Behandlungsqualität maßgeblich erhöht werden.

Definierte Leistungsgruppen

Die lediglich grobe Zuweisung von Fachabteilungen (wie „Innere Medizin“) zu Krankenhäusern soll durch genauer definierte Leistungsgruppen abgelöst werden (z. B. „Kardiologie“). Behandlungen sollen künftig nur noch abgerechnet werden können, wenn dem Krankenhaus die entsprechende Leistungsgruppe zugeteilt wurde. Voraussetzung für die Zuteilung ist die Erfüllung genau definierter Strukturvoraussetzungen für die jeweilige Leistungsgruppe, etwa bezüglich personeller und apparativer Ausstattung. Je nach Komplexität wird für jede Leistungsgruppe festgelegt, ob sie an Krankenhäusern aller drei Level erbracht werden darf oder nur an Krankenhäusern höherer Level (II und III oder nur III). Die Behandlungsqualität für die Patientinnen und Patienten wird so maßgeblich verbessert. Für jede Leistungsgruppe wird ein Vorhalteanteil festgelegt.

Die Umsetzung soll laut Regierungskommission nicht sofort erfolgen, sondern in einer Übergangsphase von fünf Jahren schrittweise vollzogen werden.

Reform soll die Katastrophe verhindern

Der Koordinator der Regierungskommission, der langjährige Chefarzt der Schlosspark-Klinik Berlin, Prof. Dr. Tom Bschor, warnte, „dass die Krankenhausversorgung kollabieren wird, mit katastrophalen Konsequenzen, wenn wir jetzt nicht grundlegend reformieren“. So müsse die „Überversorgung“ in bestimmten Bereichen und die „Unterversorgung“ beispielsweise aktuell in der Kinder- und Jugendmedizin gestoppt werden. Lauterbach nannte die angespannte Situation in den Kinderkliniken „nur exemplarisch für das, was das Krankenhaussystem aktuell insgesamt erleidet“.

Bschor mahnte, es gebe „schlicht nicht mehr die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, um Behandlungen mit fragwürdiger Indikation durchzuführen“. Lauterbach ergänzte: „Viele Pflegekräfte, aber auch viele Ärztinnen und Ärzte, verlassen die Krankenhäuser, weil sie diesen ökonomischen Druck nicht ertragen wollen.“ Laut Bschor könne es so nicht weitergehen. Er verwies darauf, dass viele Babyboomer vor der Rente stünden. Der Personalbedarf in Kliniken mit ihrem 24-Stunden-Betrieb sei hoch. Mit dem Älterwerden der Gesellschaft seien mehr Patientinnen und Patienten zu erwarten.

Prof. Dr. Christian Karagiannidis, Mitglied der Kommission, räumte ein, dass in den letzten 20 Jahren „auf allen Seiten“ Fehler gemacht wurden. „Dass das Hamsterrad so schnell läuft, liegt auch daran, dass wir Mediziner das befeuert haben“, so Karagiannidis. „Wir wussten, dass das System, so wie wir es verfeinert haben, auf Dauer nicht tragfähig ist“, sagte Charité-Aufsichtsrätin und Kommissionsmitglied Irmtraud Gürkan. „Wir müssen uns jetzt darauf besinnen, was der Auftrag der Krankenhäuser ist, nämlich die Daseinsvorsorge.“

Was wird aus den privaten Trägern?

Auf die Frage ob private Häuser bestehen bleiben, antwortete Lauterbach, dass das neue Vergütungssystem für private Träger weniger interessant sei. „Das ist der Preis einer solchen Reform“. Für den Großteil der Gesundheitsversorgung werde es ein Plus-Minus-Null-Geschäft. Karagiannidis fügte hinzu, dass Gerechtigkeit bei diesem Konzept eine große Rolle spielt. Es dürfte nicht an einzelnen Trägern ausgerichtet werden. „Gewinne im Krankenhaus zu machen wird extrem schwierig in den nächsten Jahren“, so der Leiter des ECMO Zentrums der Kliniken Köln.

Sortierung
  • Derzeit sind noch keine Kommentare vorhanden. Schreiben Sie den ersten Kommentar!

    Jetzt einloggen

Doctolib GmbH

Doctolib Hospital – Mit Digitalisierung zu mehr Effizienz und Erfolg! 

Die Technologie von Doctolib schafft einen…

Philips GmbH Market DACH

Philips vernetzt Daten, Technologien und Menschen

Die Medizin macht täglich Fortschritte. Damit steigen auch die…