
Am Eröffnungstag des Deutschen Krankenhaustages in Düsseldorf wurde deutlich, wie unterschiedlich die Akteure das Motto „Neustart Krankenhauspolitik – Mut zur Veränderung“ interpretieren und umsetzen wollen. Dr. Gerald Gaß, Vorsitzender der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG) warnte vor finanziellen Kürzungen, fehlender Planungssicherheit und praxisfernen Strukturvorgaben. Bundesgesundheitsministerin Nina Warken (CDU) hingegen bekräftigte den Reformkurs und verwies auf milliardenschwere Transformationshilfen.
Gaß warnte in seiner Rede vor den Folgen des geplanten Sparpakets. „Die im Koalitionsvertrag zugesagte Inflationskompensation in Höhe von vier Milliarden Euro wird nun auf kaltem Wege wieder eingesammelt.“ Nach Gaß ein Vertrauensbruch.
„Kliniken sind keine Behörden, denen man nach Belieben etwas geben und nehmen kann, sondern Unternehmen, die langfristige Entscheidungen treffen müssen“, betonte er. Ohne echte Planungssicherheit und ausreichende Refinanzierung werde das System gefährdet. Die geplante Deckelung bei Erlösverhandlungen sei ein „Schutzschirm für die Kassen“ – zum Nachteil der Häuser.
Kliniken sind keine Behörden, denen man nach Belieben etwas geben und nehmen kann, sondern Unternehmen, die langfristige Entscheidungen treffen müssen.
Darüber hinaus warnte Gaß vor zu kurzfristigen Ausnahmeregelungen bei den Leistungsgruppen. Investitionen in Personal oder Medizintechnik seien auf dieser Basis kaum zu rechtfertigen. Auch die vorgeschlagene Standortstruktur stößt in seinen Augen in der Praxis an ihre Grenzen: Eine pauschale Zwei-Kilometer-Regelung verhindere etablierte Kooperationen zwischen Häusern und gefährde die schon jetzt fragile Versorgungsqualität.
Keine Abstriche an grundlegenden Zielen
Warken beschrieb die Reform ebenfalls als dringend notwendig, betonte aber eine andere Stoßrichtung. Es werde „keine Abstriche an den grundlegenden Zielen“ geben: Spezialisierung, Qualitätssicherung und eine bessere Strukturierung komplexer Leistungen blieben Kernprinzipien. Als konkrete Anpassungen nannte sie mehr Ausnahmemöglichkeiten bei Leistungsgruppen, erweiterte Kooperationschancen, zusätzliche Flexibilität für ländliche Räume und die Verschiebung der Vorhaltefinanzierung um ein Jahr, um den Umsetzungsdruck zu verringern.
Ein klares Bekenntnis zur Reform ist für Warken der massive finanzielle Einsatz des Bundes: Bis zu 29 Milliarden Euro fließen aus dem Sondervermögen in den Transformationsfonds, ergänzt durch vier Milliarden als Sofortmittel für den Wandel. Die Kritik am Aussetzen der Meistbegünstigungsklausel wies sie mit Verweis auf die „dramatische Ausgabendynamik“ der GKV zurück. Es sei eine unpopuläre, aber notwendige Maßnahme, um Beitragssätze stabil zu halten.
Reform der Notfallversorgung zügig vorantreiben
Darüber hinaus kündigte sie an, dass die ebenfalls seit Jahren erwartete Reform der Notfallversorgung nun zügig vorangetrieben werde – mit integrierten Notfallzentren, vernetzten Leitstellen und stärkerer sektorenübergreifender Steuerung. Sie betonte, dass der Wandel eine realistische Anpassung daran sein müsse, was medizinisch erforderlich und wirtschaftlich tragfähig sei.
NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) schilderte die Perspektive des Landes Nordrhein-Westfalens, das seine Krankenhausplanung bereits grundlegend umgestellt hat. „Wir haben 2017 mit sehr viel Mut die Abkehr von der klassischen Bettenplanung gewagt und ein von Transparenz und Beteiligung getragenes System mit Leistungsgruppen eingeführt“, so der Minister.
„Heute zeigt sich, dass Spezialisierung und Erreichbarkeit vereinbar sind: 90 Prozent der Bevölkerung erreichen ein Haus der Grund- und Regelversorgung binnen 20 Minuten.“ Dies belege, dass Strukturreformen nicht zwangsläufig zu Versorgungsverlusten führen.
Krankenhausplanung ist Ländersache
Laumann unterstrich, dass Krankenhausplanung zwingend Ländersache bleiben müsse. Einheitliche bundesweite Vorgaben, insbesondere die geplante Zwei-Kilometer-Regel, seien nicht praxistauglich und ignorierten regionale Unterschiede.
Auch beim Transformationsfonds forderte er Flexibilität, da viele große Häuser im ländlichen Raum hohe Investitionsbedarfe hätten, aber nach aktueller Rechtslage kaum förderfähig seien. Neben der stationären Reform müsse Deutschland zudem deutlich stärker ambulantisieren. Viele Eingriffe würden international längst ambulant erbracht, während hierzulande noch stationär behandelt werde. Krankenhäuser bräuchten daher neue Strukturen und verlässliche Finanzierungsmodelle, um ambulante Leistungen wirtschaftlich erbringen zu können.
Das System steht vor einer Jahrhundertaufgabe, weil in den vergangenen Jahren erhebliche Mittel zugezogen sind, aber die Leistungsmenge gesunken ist.
Johannes Wolff, Abteilungsleiter Krankenhäuser beim GKV-Spitzenverband, brachte schließlich die Sicht der Krankenkassen mit in die Diskussion ein: „Das System steht vor einer Jahrhundertaufgabe, weil in den vergangenen Jahren erhebliche Mittel zugezogen sind, aber die Leistungsmenge gesunken ist.“
Vor Einführung der DRGs seien jährlich rund eine Milliarde Euro zusätzlich ins System geflossen, später zweieinhalb, heute liege der Zuwachs bei sieben bis neun Milliarden Euro. „Das sind Größenordnungen wie im Verteidigungshaushalt“, sagte er und warnte, ein jährlicher Anstieg um zehn Prozent sei „für kein Gesundheitssystem der Welt tragbar“.
Strengere Begrenzung der Preissteigerungen
Die reale Produktivität der Kliniken sei seit 2014 um 14 Prozent gesunken, gleichzeitig stiegen Personalaufwand und Regulierungsanforderungen. Aus Wolffs Sicht gehe „mehr rein und weniger raus“, was zeige, dass das System strukturell aus der Balance geraten sei. Reformprojekte wie Hybrid-DRGs und Ambulantisierung seien Schritte in die richtige Richtung, aber „nicht groß genug, um eine verlorene Dekade aufzuholen“.
Als unangenehme, aber wirksame Optionen nannte Wolff eine strengere Begrenzung der Preissteigerungen und Mechanismen, die versprochene Effizienzreserven tatsächlich bei den Beitragszahlenden ankommen lassen. Auch das Pflegebudget müsse wieder stärker auf den Prüfstand, da die Selbstkostendeckung zu „enormer Kostendynamik“ geführt habe. Die Diskussion zeigt: Der Umbau der Kliniklandschaft ist dringlich – aber höchst umstritten.









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