Georg Thieme Verlag KGGeorg Thieme Verlag KG
Georg Thieme Verlag KGGeorg Thieme Verlag KG

ScheinselbstständigkeitNotarzturteil - Baden-Württemberg hat längst gehandelt

Dass laut dem BSG in Rettungswagen Mecklenburg-Vorpommerns künftig keine Honorar-Notärzte mehr beschäftigt werden dürfen, könnte sich auch auf alle anderen Bundesländer auswirken. Die Krankenhäuser Baden-Württembergs haben längst reagiert.

Nach einer Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG) dürfen in Rettungswagen in Mecklenburg-Vorpommern künftig keine Honorar-Notärzte mehr beschäftigt werden. Die Richter in Kassel bestätigten damit ein Urteil des Landessozialgerichts Mecklenburg-Vorpommern, das die Beschäftigung als Scheinselbstständigkeit eingestuft hatte. Statt dessen müssten die Notärzte sozialversicherungspflichtig angestellt werden. Einige Experten sehen deshalb die Notarztversorgung bundesweit in Gefahr. Laut Peter H. Kilian, dem Geschäftsführer der Vermittlungsagentur Stegdoc, wurden die Krankenhäuser Baden-Württembergs aufgrund eines früheren Urteils zur Scheinselbstständigkeit des Landes-Sozialgerichts vom 17.4.2013 bereits vorgewarnt.  „Aufgrund des Urteils sind diese Krankenhäuser bereits dazu übergegangen, Ärzte im Notarztdienst anzustellen oder im Rahmen von Arbeitnehmerüberlassung einzusetzen“, ergänzt Roland Baier, Personaldirektor der Regionale Kliniken Holding (RKH). „Der Einsatz von Honorarärzten dürfte nach meiner Einschätzung zumindest in Baden-Württemberg stark rückläufig sein.“  

Schleswig-Holstein: Für 70 Prozent ist Notarztdienst Nebentätigkeit

Nach Auskunft der Notarzt-Börse im schleswig-holsteinischen Pogeez sind schätzungsweise 60 bis 70 Prozent der bislang eingesetzten Notärzte eigentlich in Krankenhäusern angestellt und betreiben den Notarzt-Dienst als Nebentätigkeit. Weitere 20 Prozent hätten private Praxen, und lediglich rund zehn Prozent lebten als reine Freelancer wirklich von der Arbeit als Notarzt, sagt Olaf Björk von der Notarzt-Börse. Das Unternehmen zählt rund 4.900 Mitglieder und vermittelt bundesweit 14.000 bis 15.000 Notarzteinsätze pro Jahr.

Gravierende Folgen für Mecklenburg-Vorpommern

Für Mecklenburg-Vorpommern habe die Entscheidung gravierende Folgen, fürchtet Björk. Viele Kollegen seien frustriert, genügend Ärzte, die an einer Festanstellung als Notarzt interessiert seien, gebe es nicht. Um sie trotzdem nicht zu verprellen, hoffen Experten deshalb, dass die zuständigen Bundesministerien für Arbeit und Gesundheit eine Übergangslösung beschließen.

Auch bundesweite Konsequenzen

Stephan Porten, Fachanwalt für Medizinrecht bei BDO Legal, sieht als Folge der BSG-Entscheidung auch bundesweite Konsequenzen. Das Bundessozialgericht habe klargemacht, wie es auch in vergleichbaren Fällen entscheiden würde, sagt Porten. "Es muss davon ausgegangen werden, dass die Sozialversicherungsträger die Entscheidung des BSG zum Anlass nehmen, die Sozialversicherungspflicht von Honorarärzten jetzt ebenso in anderen Bundesländern gerichtlich durchzusetzen." Wenn das Mecklenburg-Vorpommersche Beispiel jedoch Schule mache, werde der heute zu großen Teilen von Honorarärzten bestrittenen notärztlichen Versorgung deutschlandweit eine wesentliche Grundlage entzogen. Das gelte ganz besonders im ländlichen Raum.

Notarztdienst auf Rettungswagen wird teurer

Die Verantwortlichen in den Rettungsdiensten stünden jetzt vor einer gewaltigen Aufgabe, erklärt Porten. Verschärfend wirke in diesem speziellen Fall, dass das für die benachbarten Bundesländer Berlin und Brandenburg zuständige Landessozialgericht Potsdam die Rechtslage bisher anders beurteile. Derzeit könnten Ärzte also noch in die unmittelbare Nachbarschaft ausweichen und dort auf Honorarbasis weiterarbeiten. In anderen Bundesländern, so heißt es bei BDO Legal, fehle noch die entsprechende Rechtsprechung, so dass auch diese Ausweichmöglichkeiten böten. Bundesweit gibt es nach Schätzungen der Notarzt-Börse rund 1.230 Notarztstandorte, und nur 30 Prozent davon werden demnach von angestellten Ärzten besetzt. Sollte sich die Ansicht der Sozialgerichte durchsetzen, seien 860 Notarzt-Einsatzfahrzeuge ab sofort nicht mehr zu besetzen. In diesem Fall werde der Notarztdienst auf Rettungswagen deutlich teurer, so Peter Kilian von Stegdoc.

Sortierung
  • Derzeit sind noch keine Kommentare vorhanden. Schreiben Sie den ersten Kommentar!

    Jetzt einloggen