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KoalitionsbruchScheitert die Digitalagentur schon vor dem Start?

Das Gesetz zum Umbau der Gematik zu einer Digitalagentur steht nach dem Bruch der Ampel-Koalition auf der Kippe. Im Gesundheitsausschuss des Bundestages warnten jetzt Experten vor einem kompletten Scheitern.  

Weiße Karten mit Fragezeichen liegen auf einem Holztisch
Brian Jackson/stock.adobe.com
Symbolfoto

Die Szenerie wirkte ein wenig surreal. In der jüngsten Sitzung des Gesundheitsausschusses des Bundestages am 11. November wurden Experten zum Für und Wider des Gesetzentwurfes zur Schaffung einer neuen Digitalagentur angehört. Wacker gaben alle ihre Statements ab. Dabei war allen Beteiligten bewusst, dass nach den politischen Turbulenzen der vergangenen Woche der Gesetzentwurf womöglich längst Geschichte sein könnte. Viele Experten nutzten daher die Chance im Ausschuss, um vor den möglichen Konsequenzen eines kompletten Scheiterns zu warnen.

Wir brauchen die digitale Standardisierung auf Bundesebene, deshalb sollten wir hier nichts aufschieben.

Prof. Christian Karagiannidis, selbst Mitglied in der Regierungskommission von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach, mahnte eindrücklich, die Schaffung der Digitalagentur nicht zu gefährden.  „Wir brauchen die digitale Standardisierung auf Bundesebene, deshalb sollten wir hier nichts aufschieben“, sagte der Intensiv- und Notfallmediziner.

Dr. Florian Hartge, bei der Gematik seit September als Geschäftsführer für die Bereiche Produktion, Sicherheit und Betrieb verantwortlich, bezeichnete das geplante Gesetz „als sehr wichtig“. Es bündele den gesamten Erfahrungsschatz, „wie wir mit der Digitalisierung weiter vorankommen“, so Hartge. Ohne dieses Gesetz würden die weitere Digitalisierung des Gesundheitswesens und der Ausbau der Telematikinfrastruktur „Probleme bereiten“, weil vieles wieder Opfer von Partikularinteressen werden könnte.

Prof. Sylvia Thun strich zudem die Bedeutung der Digitalagentur für die weitere Vereinheitlichung der digitalen Standards heraus. Wenn das nicht in zentralen Händen läge, „können sie zwar einen Standard wie FHIR festlegen. Ohne zentrale Steuerung drohen dann aber ‚Dialekte‘, wie bei der menschlichen Sprache auch“ – mit Konsequenzen für den bundesweiten oder sogar weltweiten Austausch medizinischer Daten.

Ohne dieses Gesetz würden die weitere Digitalisierung des Gesundheitswesens und der Ausbau der Telematikinfrastruktur Probleme bereiten.

Während im Grundsatz Experten wie auch Politiker – bis auf die AfD – eine Digitalagentur also für notwendig halten, gab es dennoch erneut harte Kritik an vielen Details des aktuellen Gesetzentwurfes. Doris Pfeiffer, Vorstandsvorsitzende des GKV-Spitzenverbandes, kritisierte, dass die Kassen zwar 100 Prozent der Kosten der Gematik tragen würden, aber über den verringerten Gesellschafteranteil keinen Einfluss mehr auf Finanzierungsentscheidungen hätten.  

Der Gesetzentwurf billigt der Digitalagentur überzogene Eingriffsrechte zu.

Die Branchenverbände Bvitg und Bitkom und auch die Opposition klagten erneut über „Wettbewerbsverzerrung“, weil der Gesetzentwurf der Gematik einräume, sowohl Kontrolleur wie auch Anbieter von Digitalprodukten zu sein. Das sei eine unzulässige Vermischung. Darüber hinaus kritisierte Dr. Verena Benz von Bitkom die „überzogenen Eingriffsrechte“, die die Digitalagentur haben soll. Zudem sei die Schwelle, wann eingegriffen werde, „abstrakt“ formuliert. Benz prophezeite viele juristische Auseinandersetzungen, sollte das Gesetz in der vorliegenden Form umgesetzt werden.   

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