
Der frühere Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) ist in der Corona-Krise laut einem Untersuchungsbericht „gegen den Rat seiner Fachabteilungen“ in großem Umfang in die Schutzmasken-Beschaffung eingestiegen. Das geht aus dem Bericht der Sonderermittlerin Margaretha Sudhof zu den Maskenbeschaffungen hervor. Die Juristin war von Spahns Amtsnachfolger Karl Lauterbach (SPD) eingesetzt worden.
Das Gesundheitsministerium mailte den Bericht erst nach längerer Debatte mit geschwärzten Passagen an den Vorsitzenden des Bundestagshaushaltsausschusses. Er liegt der Deutschen Presse-Agentur in Berlin vor.
Die Sonderermittlerin, vormals in mehreren Ministerien als Staatssekretärin beschäftigt, bescheinigt Spahn und den anderen damals Verantwortlichen der Bundesministerien und der nachgeordneten Dienststellen, „jenseits der persönlichen Rücksichtnahme Unvorstellbares“ zu leisten gehabt zu haben.
„Fehlendes ökonomisches Verständnis und politischer Ehrgeiz können aber, wie in diesem Fall, dazu führen, dass nicht als Team ‚Staat‘, sondern als Team ‚Ich‘ gehandelt wird“, so der Bericht. Die Entscheidung Spahns, die Beschaffung allein meistern zu wollen, ziehe bis heute „erhebliche Kosten und Risiken“ nach sich. Andere Medien hatten bereits über diese Passagen berichtet.
Spahn „intervenierte persönlich“
Weiter heißt es in dem Bericht, dass Spahn damals der „funktionierenden Bundesverwaltung“ und den Beschaffungsbehörden nicht vertraut habe. So habe es keine „bedarfsgerechte Steuerung“ durch das Ministerium gegeben. „In der Folge wurde über den im Krisenstab festgelegten Bedarf hinaus beschafft.“
Die Aufklärungsbeauftragte Sudhof stellt fest: „Die Fachebene des BMG versuchte durchaus, den Bundesminister davon zu überzeugen, dass mangels Expertise und Personal die Beschaffung nicht ins Haus geholt, sondern bei den Beschaffungsbehörden verbleiben sollte. Dies jedoch vergeblich. Der damalige Bundesminister intervenierte immer wieder persönlich und nutzte seine Kontakte.“
Ausschuss will Spahn und Warken befragen
An diesem Mittwoch wollen sich Spahn und die jetzige Ministerin Nina Warken (CDU) den Fragen im Haushaltsausschuss stellen. Warken hatte bereits angekündigt, dem Ausschuss den zunächst zurückgehaltenen Bericht zu geben. Geschwärzte Passagen beträfen etwa Mitarbeiterdaten oder Dinge aus laufenden Prozessen mit Lieferanten.
Zu Beginn der Pandemie 2020 waren schützende FFP2-Masken erst nicht zu erhalten und dann zunächst knapp. Aus noch schwelenden Rechtsstreitigkeiten zur Maskenbeschaffung drohen dem Bund noch heute Risiken in Milliardenhöhe. Spahn, der jetzt Unionsfraktionschef ist, hat das damalige Vorgehen mehrfach verteidigt.
Kritik der neuen Ministerin
In einer Stellungnahme kritisiert das Gesundheitsministerium unter Nina Warken den Sudhof-Bericht deutlich. Deren Aussagen mache man sich nicht zu eigen, so das an die Bundestags-Haushälter gerichtete BMG-Papier, das der dpa vorliegt. Einzelnen Aussagen wird widersprochen. Methodik und Quellen blieben unklar, Tatsachen seien teilweise „durch Quellen nicht untermauert“. Spahn solle nie befragt worden sein.
Grüne beantragen Aktuelle Stunde
Die Grünen wollen, dass die Vorwürfe gegen Spahn Thema im Bundestags-Plenum werden. Die Partei will eine Aktuelle Stunde mit dem Titel „Volle Transparenz und Aufklärung zu den Maskendeals von Jens Spahn“ beantragen. „Statt weitere Nebelkerzen zu zünden, brauchen wir eine umfassende parlamentarische Aufklärung zu den Maskendeals von Jens Spahn“, sagte die Erste Parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen, Irene Mihalic: „Es geht dabei nicht um kleine Fehltritte, sondern um Milliarden von Euro.“ Eine Aktuelle Stunde kann auf Verlangen einer einzelnen Fraktion angesetzt werden.
Der Linken-Haushaltspolitiker Dietmar Bartsch kritisierte „die teilweise seitenweise Schwärzungen“ im Sudhof-Bericht durch das Ministerium. „Die Gesundheitsministerin sollte die politischen Spielchen beenden und den Maskenbericht vollständig veröffentlichen“, sagte er der dpa. Der Eindruck entstehe, als solle ein Parteifreund geschützt werden. „Das untergräbt das Vertrauen in die Politik insgesamt.“







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