
Der Zeitpunkt für einen grundlegenden Wandel hätte eigentlich nicht günstiger sein können: Die Hälfte der Krankenhäuser schreibt rote Zahlen, von Woche zu Woche steigt die Zahl der Insolvenzen. Stagnierende Fallzahlen, Pandemie, Energiekrise und nun der Fachkräftemangel, die Kliniken sind in die Dauerkrise. Die Diagnose ist klar: Die Krankenhauslandschaft in ihrer jetzigen Form und Größe ist ein Fall für die Intensivstation.
Die Revolution bleibt aus
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach wollte deshalb einen radikalen Schnitt. Die geplante Klinikreform sollte eine „Revolution“ für das Gesundheitswesen werden. Mehr Qualität, weniger Quantität in der Versorgung, so das erklärte Ziel. Nach monatelangen und hart geführten Debatten mit den Ländern zeichnet sich überdeutlich ab: Die versprochene Revolution wird es nicht geben. Das vorgelegte Eckpunktepapier ist nicht mehr als ein Minimalkonsens, der beide Seiten nicht gut aussehen lässt.
Karl Lauterbach ist erneut über seine eigene Ambivalenz gestolpert, wie schon bei Corona. Es gibt den Politiker Lauterbach und den Mediziner Lauterbach – und beide kommen sich regelmäßig in die Quere. Der Mediziner Lauterbach wollte unbedingt eine grundlegende Reform der Versorgungslandschaft nach medizinischen Notwendigkeiten. Für dieses Ziel verlor er jedoch allzu leichtfertig die politischen Rahmenbedingungen aus den Augen – und auch die rechtzeitige Einbindung wichtiger Stakeholder.
Ein politischer Fehlschuss
Lauterbachs Glaube, die mächtigen Lobbygruppen der Branche klein halten und vor allem den Ländern sein Konzept ohne große Abstriche überhelfen zu können, war politisch ein Fehlschluss und naiv. Vor allem, weil dem SPD-Politiker dazu im Konflikt mit den Ländern das politische Gewicht fehlt. Die Länder hingegen haben in den aktuellen Verhandlungen bewiesen, dass sie trotz aller Lippenbekenntnisse kein Interesse an grundlegenden Veränderungen haben. Dafür fehlt ihnen schlicht der politische Mut. Zu groß ist offenbar weiterhin die Angst vor dem Bürger und der möglichen Abstrafung an der Wahlurne. Der baden-württembergische Gesundheitsminister Manne Lucha (Grüne) hat dies indirekt eingeräumt, als er bei der Vorstellung des Eckpunktepapiers davon sprach, wie schwierig es für einen Politiker sei, vor Ort der Lokalbevölkerung eine notwendige Schließung der Klinik beizubringen.
Politik bedeutet auch, in schwierigen Situationen unpopuläre Maßnahmen umzusetzen und diese den verunsicherten Bürgern vernünftig zu erklären. Eine Mehrzahl von Landes- und Kommunalpolitikern scheut jedoch weiterhin diese Einsicht. Und so ist es jetzt mit den Eckpunkten zu einem Minimalkonsens gekommen, mit den beide Seiten aus ihrer Sicht gerade noch das Gesicht wahren können. Das Problem: Krankenhäuser und mit ihnen die Patienten drohen bei dem politischen Geschacher auf der Strecke zu bleiben.
Länder wehren sich gegen Transparenzinitiative
Das von der Regierungskommission vorgeschlagene System mit drei Versorgungsstufen (Level) wurde von den Ländern mehr oder minder einkassiert. Eigentlich sollten zukünftig jene Krankenhäuser das meiste Geld erhalten, die die beste medizinische Qualität anbieten, auf der Basis von bundeseinheitlichen Qualitätskriterien. Ergänzt durch eine abgestufte, sektorenübergreifende und stärker ambulantisierte Versorgung in der Fläche. Damit sollten unselige Fehlentwicklungen des DRG-Systems korrigiert werden, zum Beispiel unnötige Operationen, um das Budget aufzubessern. Oder Patienten mit komplexen Krankheitsbildern zu behandeln, obwohl es den Ärzten in der Klinik an der notwendigen Erfahrung fehlt. Dass die Länder - unterstützt von vielen Klinikmanagern - sich dennoch vehement gegen Lauterbachs Transparenzidee zur medizinischen Qualität wehren, zeigt nur, dass die Veränderungsbereitschaft tatsächlich geringer ist als die ständigen wohlfeilen Worte der Branche es suggerieren wollen.
Viele wesentliche Details, darunter ausgerechnet die Finanzierung, sind weiterhin völlig ungeklärt.
Mit der Einigung dürfen die Länder nun für ihre Kliniken viele Ausnahmen definieren. Das könnte fatal enden, weil womöglich letztlich doch unwirtschaftliche Versorgungsstrukturen aus politischen Erwägungen am Leben gehalten werden. Viele wesentliche Details, darunter ausgerechnet die Finanzierung, sind weiterhin völlig ungeklärt. Da die Vorhaltefinanzierung der Reform aber frühestens 2026 greift, könnten bis dahin viele Häuser, selbst solche mit einer guten medizinischen Qualität, insolvent gehen. Lauterbach will jedoch wegen klammer Kassen des Bundes nicht helfen, die Länder können und wollen es bislang auch nicht in ausreichender Größenordnung.
Etliche Kliniken werden nicht zu retten sein. Wenn die Politik das endlich einsieht und versteht, dass die Qualität der medizinischen Versorgung wichtiger ist als der Erhalt unwirtschaftlicher Betten, könnte die Reform vielleicht noch klappen.






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