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Neue BehandlungsstrukturenWie Lauterbachs Notfallreform die Notaufnahmen entlasten soll

Die notdienstliche Akutversorgung wird vereinheitlicht. Dem neuen Eckpunktepapier „Notfallreform“ von Gesundheitsminister Karl Lauterbach zufolge sollen Patienten künftig verstärkt in nahegelegene Praxen geleitet werden. Ein Überblick.

Prof. Karl Lauterbach und Dr. Burkhard Ruppert
Rolf Schulten/BMG
Bundesgesundheitsminister Prof. Karl Lauterbach präsentierte mit Dr. Burkhard Ruppert, Vorstandsvorsitzender der KV Berlin, die Reform „Notfallversorgung“.

Zu häufig sind Notfallambulanzen überfüllt – auch weil insbesondere am Wochenende dort viele Menschen mit leichteren Beschwerden vorstellig werden. Das monieren Ärzteorganisationen bereits seit Jahren.

Häufig reicht auch der Besuch am nächsten Tag in der Hausarztpraxis.

Bundesgesundheitsminister Prof. Karl Lauterbach (SPD) will dem entgegenwirken. Bei der Vorstellung der großangelegten Notfallreform führte er aus, dass 25 bis 30 Prozent der Fälle aus Notfallambulanzen auch in Arztpraxen behandelt werden könnten. „Im Notfall sollen Patientinnen und Patienten dort behandelt werden, wo sie am schnellsten und am besten versorgt werden. Das muss nicht immer das Krankenhaus sein.“

Folgende Änderungen sind laut den Eckpunkten vorgesehen:

Aufbau integrierter Notfallzentren an Krankenhäusern

Die Notaufnahmen sollen künftig in neue Integrierte Notfallzentren (INZ) bzw. Integrierte Notfallzentren für Kinder- und Jugendliche (KINZ) aufgehen. Pro 400 000 Einwohnerinnen und Einwohner solle es ein Zentrum geben, kündigte der Bundesgesundheitsminister an. An die INZ soll auch je eine ambulante KV-Notdienstpraxis in unmittelbarer Nähe angegliedert werden. Als zentrale Ersteinschätzungsstelle, wo die Behandlung erfolgt, fungiert künftig ein sogenannter gemeinsamer Tresen. Die Kooperationspartner der INZ sollen sich für einen schnellen Austausch der Behandlungsdaten deshalb digital vernetzen.

Laut Bundesgesundheitsministerium (BMG) werden die Öffnungszeiten der INZ gesetzlich festgelegt:

  • Wochenende/Feiertage: 9 Uhr bis 21 Uhr
  • Mittwoch/Freitag: 14 Uhr bis 21 Uhr
  • Montag, Dienstag und Donnerstag von 18 Uhr bis 21 Uhr.

Abweichungen davon sind im Einzelfall möglich, sofern die notdienstliche Versorgung anderweitig sichergestellt sei.

Via Anbindung an eine Terminservicestelle sollen INZ-Patientinnen und -Patienten auch geeignete Termine für eine Weiterbehandlung angeboten werden können. Diese dürften in Zukunft auch kurzfristig benötigte Arzneimittel abgeben und dafür Kooperationsvereinbarungen mit Apotheken in unmittelbarer Nähe treffen. Zudem sieht die Notfallreform vor, dass die Integrierten Notfallzentren sowie der aufgesuchte Notdienst auch Krankschreibungen ausstellen dürfen, um den nachträglichen Gang zur Hausarztpraxis zu vermeiden.

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Kooperation von Rettungsdienst und KV-Terminservicestellen

Die unter der Rufnummer 116 117 erreichbaren Terminservicestellen der Kassenärztlichen Vereinigungen (KV) sollen ausgebaut und mit den 112-Rettungsleitstellen vernetzt werden. Diese koordinieren künftig, wohin die Patientinnen und Patienten nach einer Ersteinschätzung zur weiteren Behandlung ihrer Beschwerden gehen sollen. Geplant ist weiterhin, dass sich auch die neuen Notfallzentren mit den Terminservicestellen vernetzen. So soll es nach Angaben Lauterbachs möglich werden, dort direkt Termine für eine Weiterbehandlung auszumachen. Zur Förderung der Terminservicestellen werden zusätzliche Mittel durch die gesetzliche Krankenversicherung und die KVen bereitgestellt.

Notaufnahmen-Entlastung durch mehr Telemedizin

Lauterbach erläuterte, die Telemedizin wird weiter ausgebaut. Die KVen müssen rund um die Uhr eine telemedizinische Versorgung sowie Hausbesuche insbesondere für immobile Patientinnen und Patienten bereitstellen, verkündete das BMG. Wenn das ärztliche Personal telefonisch oder per Video einen Praxis- oder Klinikbesuch als nicht nötig erachtet, dann soll so auch ein elektronisches Rezept oder eine elektronische Krankschreibung ausgestellt werden können.

Die KVen erhalten gesetzlich die Möglichkeit, für den aufsuchenden Dienst auch qualifiziertes nichtärztliches Personal einzubinden oder mit dem Rettungsdienst zu kooperieren (Gemeindenotfallsanitäter). Die ärztliche Kompetenz wird in diesen Fällen durch eine telemedizinische Anbindung dieser Dienste sichergestellt.

Lob und Kritik

Der GKV-Spitzenverband lobt die geplanten Integrierten Notfallzentren als „echten Perspektivwechsel“. Die Versorgungsstruktur würde endlich an dem Versorgungsbedarf der Patientinnen und Patienten ausgerichtet. Auch die Kassenärztliche Vereinigung (KV) Berlin, in deren Räumen Lauterbach seine Vorschläge vorstellte, nahmen das Eckpunktepapier und seine Ideen gut auf. KV-Vorsitzender Dr. Burkhard Ruppert betonte jedoch, dass „für mehr Leistungen mehr Ressourcen erforderlich“ sind. Zusätzliches Personal und eine ausreichende Finanzierung seien nötig.

Ebenso unterstützen die Grünen Lauterbachs Reformpläne. Janosch Dahmen, Gesundheitsexperte der Partei, sagte der Deutschen Presse-Agentur, heute gebe es „eine toxische Gleichzeitigkeit von Über-, Unter- und Fehlversorgung“. Die Reform sei daher überfällig.

Die Eckpunkte enthalten einige positive Ansätze, beinhalten aber auch leider immer noch unrealistische und versorgungsferne Ideen.

Kritik wird von der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) laut. Die Notfallreform enthalte neben „positiven Ansätzen, leider immer noch unrealistische und versorgungsferne Ideen“. Realitätsfremd sei eine 24/7-Versorgung „aufsuchender Art“ etwa durch Fahrdienste einrichten zu wollen. Und auch die Standortauswahl von Integrierten Notfallzenten (INZ) an Kliniken bliebe problematisch. Personell sei dies „unmöglich zu stemmen“, weshalb es notwendig wäre, dass die KVen Vorhaltekosten geltend machen können.“

Die Reform soll in der ersten Jahreshälfte 2024 im Bundeskabinett auf den Weg gebracht werden und ab Anfang 2025 gelten. Die Bundesregierung will in Kürze einen Referentenentwurf zur Notfallreform vorlegen.

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