
Unsere gegenwärtigen Missstände im Gesundheitswesen, aber auch im Umweltschutz, im Rechtswesen, in der Bildungs-, Steuer-, Verkehrspolitik sowie in der inneren und äußeren Sicherheit lassen sich auf typische Denkfehler beim Umgang mit komplexen dynamischen Systemen zurückführen. Jeder unbedachte Eingriff führt zu überraschenden Rückwirkungen im unübersichtlichen Netzwerk. Und bedingt durch langwierige Abstimmungen im politischen Umfeld führen die verspäteten Reaktionen zu unwirksamen Interventionen. Probleme aussitzen, bewirkt hier genau das Gegenteil: Es verschärft sie nur.
Dabei ist die deutsche Gründlichkeit legendär. Findet sich hier die Grundursache aller Probleme? In unserem Drang nach Perfektionismus? Bei Großprojekten wollen wir alles richtig machen: Stuttgart 21, Flughafen BER, Breitbandnetz – wir bauen nicht einfach los, sondern planen und agieren jahrzehntelang, koste es, was es wolle. Perfektion braucht nun mal Zeit. Viel Zeit. Zuviel Zeit. Denn die Betroffenen werden ungeduldig. Die elektronische Patientenakte Vivy ist ein Paradebeispiel – Krankenkassen helfen sich mit digitalen Lösungen lieber selbst – und warten nicht mehr auf die perfekte gematik-Lösung, die der Bundesregierung vorschwebt.
Funktioniert unsere Perfektion also nur bei schönem Wetter? Bei Windstille?
Woran liegt es, dass wir trotz gewollter Gründlichkeit von einer Krise in die nächste stolpern? Reagieren unsere Staatsvertreter und behördlichen Institutionen am Ende nur noch hektisch auf den Druck der Öffentlichkeit, insbesondere der Medien? Greifen sie im Krisenfall lieber zu schnellen Alibiaktionen und populistischen Vorschlägen, um den aufgebrachten Wähler zu beruhigen und verlieren dabei das eigentliche Ziel aus den Augen? Sie müssen ja nicht nur den entsetzten Bürger beruhigen. Nein – im politischen Umfeld sollen auch die mächtigen Lobbyisten, die Parteifraktionen und deren Flügel sowie sechzehn Bundesländer zufriedengestellt werden. Und zwar lange bevor die sorgfältig geplante und nachhaltige Lösung entwickelt – geschweige denn, eingeführt werden kann.
Die neue KMA-Kolumne versucht, in kritischen Beiträgen den Denkfehlern und deren tieferliegenden Ursachen auf die Spur zu kommen. Dazu befassen wir uns im nächsten Beitrag mit dem langen Weg der elektronischen Patientenakte.
„Komplexe Probleme haben oft eine Lösung, die verständlich, einfach und unkompliziert ist – leider ist sie meistens falsch!“ (Autor unbekannt).




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