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Der kma Entscheider-Blog

kma Entscheider BlogDer neue Alltag in deutschen Kliniken

Das Bundesgesundheitsministerium (BMG) hat eine Empfehlung zum neuen Alltag für den Klinikbetrieb in Deutschland vorgestellt. Der Grundgedanke ist solide, doch bei der Umsetzung sind Herausforderungen zu erwarten. Es ist ein Papier, dass einerseits stark regulierend wirkt, aber einige essenzielle Fragen nicht beantwortet.

Milena Kolb
Privat
Milena Kolb ist im Klinikmanagement tätig und engagiert sich bei Hashtag Gesundheit e.V.

Krankenhausentlastungsgesetz

Mitte März wurden Kliniken aufgefordert, alle elektiven Eingriffe und Behandlungen auszusetzen und möglichst viele Betten für (potenzielle) COVID-19-Patienten freizuhalten. Als Anreiz, der Aussetzung Folge zu leisten und zur Vermeidung finanzieller Schieflagen aufgrund fehlender Erlöse, wurde das Krankenhausentlastungsgesetz seitens des BMG auf den Weg gebracht. Pauschalen für freie Betten und für persönliche Schutzausrüstung, ein Zuschuss für zusätzliche intensivmedizinische Betten und eine Erhöhung des vorläufigen Pflegeentgeltwertes zählen zum Inhalt. Sinnvolle Ideen, doch die Differenzierung fehlt. Es stellt sich die Frage, ob ein Bett in einer Klinik der Grundversorgung tatsächlich „in normalen Zeiten“ einen ebenso hohen Erlös erwirtschaftet wie Maximalversorger oder gar ein Universitätsklinikum pro Bett. Der Zuschuss für persönliche Schutzausrüstung im Krankenhausentlastungsgesetz ist bei COVID-19-Patienten ebenso hoch wie bei den übrigen Patienten. Die Preise von einem einfachen Mund-Nasen-Schutz im Vergleich zu FFP2-/FFP3-Masken unterscheiden sich allerdings deutlich.

Schrittweise Öffnung

Mit den ersten Lockerungen für die Bevölkerung wird den Kliniken empfohlen, ebenfalls erste Schritte zurück zur Normalität zu nehmen und sich auf einen neuen Alltag einzustellen. Planbare Operationen sind zeitnah wiederaufzunehmen.

Zur schrittweisen Öffnung für Elektiveingriffe gibt es genaue Vorgaben. Der prozentuale Anteil der Betten, der prozentuale Anteil der OP-Kapazität sowie die Steigerungen nach 14 bzw. 21 Tagen sind genauestens beschrieben – obwohl das Schreiben nur einen Empfehlungscharakter besitzt. Solche strategischen Entscheidungen treffen üblicherweise Geschäftsführer, doch nun plant das BMG, so dass Geschäftsführer lediglich zu Umsetzern vor Ort werden. Regionale Besonderheiten oder Versorgungsstufen finden in der Empfehlung trotz der übrigen Detailtiefe keine Berücksichtigung. Einzig die Auswahl und Priorisierung von Operationen bei schnell fortschreitenden Erkrankungen und überschaubarer Komorbidität obliegt den Kliniken selbst.

Die Kernaufgabe von Kliniken ist die Krankenversorgung, doch wie stellt es sich dar, wenn ein Haus in Schieflage von einem unbelegten Bett erlöstechnisch mehr profitiert als von einem belegten Bett einer planbaren Operation? Ein wirtschaftlicher Anreiz zurück zur Normalität wird nicht in allen Kliniken vorhanden sein.

Herausforderungen

Die Testung aller Patienten auf COVID-19 vor der Aufnahme in die Klinik – wie die Empfehlung des BMG es vorsieht – kann zu einem erheblichen COVID-19-Fallzahlanstieg führen, wenn die Patienten denn tatsächlich kommen. Immer häufiger wird von einem Rückgang lebensbedrohlicher Erkrankungen in Kliniken berichtet, weil Patienten die Häuser selbst in schweren Fällen aus Sorge vor Infektionsrisiken meiden. Nun wird von Patienten ohne lebensbedrohliche Erkrankung eine Rückkehr in die Kliniken erwartet. Unvergessen sind die Bilder von chaotischen Zuständen in italienischen Kliniken, die sich bei der Bevölkerung eingeprägt haben. Der Rückgewinn des Vertrauens der Bevölkerung wird für die Kliniken deshalb von grundlegender Bedeutung sein. Eine entscheidende Rolle spielt hierbei die Kommunikation jeder einzelnen Klinik, aber auch die Berichterstattung in den Medien, die eine starke Wirkung auf die Bevölkerung entfaltet. Die Sorgen der Patienten ernst zu nehmen, diesen entsprechend zu begegnen und einen adäquaten Schutz jedes einzelnen Patienten zu gewährleisten, wird in den nächsten Wochen oder Monaten zu einer zusätzlichen Herausforderung für pflegerisches und ärztliches Personal bei allen Behandlungen.

Aussichten

Trotz vieler Regelungen und der jüngsten Empfehlung des BMG ist die Zukunft für viele Kliniken ungewiss. Das Kerngeschäft ist die Patientenversorgung. In den nächsten Wochen und Monaten wird sich zeigen, ob die Zahl der elektiven Eingriffe und Behandlungen wieder zunimmt oder ob Patienten die Kliniken nur in Notfällen aufsuchen. Im Zuge dessen gilt es auch, die finanziellen Folgen zu bewerten und die Kliniken wirtschaftlich neu aufzustellen. Es wird ein langer Weg mit vielen Herausforderungen. Doch Veränderungen in alten Prozessen bieten auch neue Chancen für die Kliniken.  

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