
Bislang allerdings sind Fortschritte bei der integrierten Versorgung nicht zu erkennen. Die neuen Initiativen sind bruchstückhaft und berühren kaum die Oberfläche des Problems im Gesundheitswesen. Anhaltende Krisen haben zudem die Umsetzung dieser Maßnahmen erschwert. Die DGIV hat die Vorgänge aufmerksam verfolgt und wird nun bei ihrem diesjährigen Kongress eine Zwischenbilanz ziehen.
Das GKV-Finanzierungsproblem ist einer der immanenten Widerstände, die unser Gesundheitssystem weiterhin plagen. Das GKV-Finanzstabilisierungsgesetz, das trotz der ihm innewohnenden Mängel eingeführt wurde, ist stark kritisiert worden. Ausdrücklich ausgeschlossen hat der Minister beispielsweise einmal mehr Leistungskürzungen. Was wir aber vor allem brauchen ist die Hebung von Effizienzreserven! Das ist wohlfeil – nur leider nicht so einfach und rasch umzusetzen. Der vom Minister angekündigte „Zwischenspurt“, der dazu dienen soll, das Gesundheitssystem „jenseits von Corona“ weiterzuentwickeln, ist hier allerdings nicht besonders konkret: Vor allem Kommissionen sollen es mal wieder richten – und das wusste man eigentlich schon. Druck im Kessel gab und gibt es augenscheinlich vor allem beim Thema Cannabis – aber das ist ein anderes Kapitel.
Innovationsprojekt Gesundheitskiosk
Überraschung auch bei einem weiteren konkreten Vorhaben, das auf den ersten Blick wie ein Spezialthema aussieht: der Aufbau von Gesundheitskiosken in sozialen Brennpunkten als Regelversorgung. Bei genauerem Hinsehen tatsächlich ein Projekt, das mehrere Fliegen mit einer Klappe schlägt: Prävention, Regionalisierung, kommunale Mitverantwortung ... Das positiv bewertete Innovationsprojekt aus Hamburg Billstedt/Horn hat es damit zu höchsten ministeriellen Weihen gebracht und gezeigt, dass der Innovationsfonds vielleicht doch funktioniert. Man hätte die Zuwendung zu diesem Projekt nicht ganz so exponiert zu diesem Zeitpunkt erwartet, aber die Pläne zu einer Etablierung ähnlicher Initiativen in anderen Regionen sind zweifellos verdienstvoll und schlagen in vielerlei Hinsicht in die richtige Kerbe.
Grundsätzlich und wichtig werden – wenn sie denn kommen – auch die Pläne des Ministers zu einer Formulierung der im Koalitionsvertrag niedergelegten OptOut- Regelung bei der elektronische Patientenakte. Denn nicht nur die allgemeine ePA-Durchdringung soll damit deutlich verbessert werden, interessant ist auch der Fokus, den Lauterbach dem Projekt nun explizit mit auf den Weg zu geben verspricht: Vordringliches Ziel der ePA solle es nämlich nun werden, den Datenfluss der Krankenhausbehandlung zu den weiter versorgenden Fach- und Hausärzten zu gewährleisten. Wenn das klappt, müssten Patienten nicht mehr buchstäblich Briefträger ihres eigenen Behandlungsdaten-Umschlags an die weiterbehandelnden Vertragsärzte sein, sondern erstmals könnte der ärztliche Datenaustausch digital und über die Sektorengrenze hinweg abgebildet werden. Das wäre in der Tat ein großer Schritt nach vorne. Also: In den kurz vor der Sommerpause präsentierten Plänen des Ministers konkretisieren sich wichtige Einzelprojekte, deren Entwicklung man im Auge behalten muss, Ansätze zu einem größeren Umbau des Gesamtsystems sind allerdings nicht zu erkennen. Was wir dringend brauchen, ist der Wandel in ein intersektorales und interprofessionelles Gesundheitssystem.
