
Freiwilliges Engagement umfasst eine große Bandbreite an Tätigkeiten. Freiwillig Engagierte übernehmen beispielsweise Positionen in Gemeinde- oder Stadträten, sie setzen sich in Bürgerinitiativen für politische Belange ein, sie bringen Kindern das Schwimmen bei und bereiten religiöse Veranstaltungen vor, sie organisieren Konzerte und löschen Feuer, sie verteilen Essen an Bedürftige und schlichten Streit zwischen Menschen in der Nachbarschaft, sie schützen die Umwelt oder engagieren sich für Geflüchtete.
In der Bundesrepublik verrichten mehr Menschen ehrenamtliche Tätigkeiten als vielleicht im ersten Moment gedacht. Der fünfjährlich vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend durchgeführte Deutschen Freiwilligensurveys (FWS 2019) hat zuletzt rund 28 Millionen Menschen mit Ehrenamt aufgeführt. Das sind 39,7 Prozent aller Bundesbürger ab 14 Jahren in Deutschland.
Bundespräsident Steinmeier hat am Tag des Ehrenamtes am 4. Dezember des letzten Jahres darauf hingewiesen, dass auch für ihn die Entscheidung, sich zu engagieren, gleich aus mehreren Gründen wichtig ist. Wer sich für andere engagiere, entscheide sich jeden Tag neu fürs Miteinander. Es sei wichtig für den Einzelnen, es mache zufriedener, man erlebe Gemeinschaft und lerne etwas. Man werde überrascht – von anderen Menschen, von anderen Welten, die einem sonst verschlossen geblieben wären. Und man bekomme etwas zurück: „Dieses sichere Gefühl, etwas zu bewegen, oder das Gefühl etwas verändern zu können: Das ist das, was Ehrenamt ausmacht.“
Ehrenamtlicher Bedarf ist hoch
Anders als erwartet sind aber aktuell nur rund zwei Prozent der insgesamt ehrenamtlich und freiwillig Tätigen im klassischen Gesundheitsbereich aktiv.
Auch wenn die Bereiche sicher nicht unbedingt disjunkt sind und im Sport traditionell die stärkste Gruppe engagierter Menschen zu finden ist, so bleibt zu hinterfragen, warum nicht noch mehr Energie in die ehrenamtliche Arbeit in der „Patient Journey“ investiert wird. Ist es die Annahme, man könne als Laie keinen Mehrwert in medizinischen Belangen erbringen? Ist es die Scheu, sich ganz konkret auch um menschliches Leid zu kümmern?
An mangelnder „Nachfrage“ kann es jedenfalls nicht liegen. Bereits heute funktionieren viele Rettungs- und Betreuungsdienste gerade deshalb so gut, weil es zusätzlich zum festen Mitarbeiterstamm Freiwillige sind, die sich in Ihrer Freizeit einbringen und so Dienst am Nächsten erbringen. Grüne Damen und Herren erbringen Besuchsdienste in Kliniken, Altenhilfe-Einrichtungen und in häuslicher Umgebung, Freiwillige unterstützen Stiftungen und medizinische Einrichtungen unentgeltlich in Verwaltung, Küche, Fahrdiensten und Patientenbetreuung. Ärzte leisten in Ihrer Freizeit oder im Ruhestand segensreiche Dienste in Kliniken, Rehaeinrichtungen oder in der Pflege. Und Klinik Clowns fördern den Heilungsprozess im positiven Zusammenspiel von Körper und Seele.
Aber in vielen Fällen wird deutlich, dass der Bedarf an solchen ehrenamtlichen Leistungen groß ist und die hauptamtlich Tätigen in Verwaltung und Medizin sich noch mehr freiwillige Unterstützung dieser Art wünschen. Dazu trägt sicher auch die aktuelle Personalnot in vielen Einrichtungen des Gesundheitswesens bei. Dort, wo ohnehin am Leistungslimit gearbeitet wird, sich zusätzliche, engagierte Menschen herzlich willkommen. Gerade auch in den Sonderformen ehrenamtlichen Engagements wie dem Bundesfreiwilligendienst oder dem Freiwilligen Sozialen Jahr findet sich immer wieder großartige Unterstützung.
Fehlende Unterstützung des Staates
Ein besonderer Gedanke sei dem Umfeld ehrenamtlicher Tätigkeit gewidmet. Die Deutsche Stiftung für Engagement und Ehrenamt ist eine Stiftung des öffentlichen Rechts des Stiftungszweck ist die Stärkung und Förderung des bürgerschaftlichen Engagements und des Ehrenamtes im Rahmen der Zuständigkeit des Bundes. Der Gesetzgeber hatte erkannt, dass es häufig nicht an gutem Willen, immer wieder aber an nötigem Wissen um Aufbau und Finanzierung von Ehrenamts-Strukturen fehlt. Seitdem wurden verschiedene Förderungen z.B. steuerlicher und versicherungstechnischer Art und Qualifizierungsprogramme ausgebaut.
Dennoch befinden sich die Träger solcher Einrichtungen, die ehrenamtliche Aufgaben vergeben, häufig in permanenter Finanznot und sind auf Spenden angewiesen. Obwohl 2022 in Deutschland 5,7 Milliarden Euro gespendet wurden, entfielen hiervon auf den Gesundheitssektor eher moderate 355 Millionen Euro also etwas mehr 6 Prozent bei rückläufiger Tendenz. Wird dem die grundsätzliche Relevanz der Gesundheitsversorgung gegenübergestellt, so bliebe zu erörtern, ob und wie die Spendenbereitschaft hierfür weiter erhöht werden könnte, ohne die Spendenaufkommen für andere Zwecke zu schmälern. Da Spenden häufig sogar die einzige Einnahmequelle für gemeinnützige Organisationen darstellen, ist hier Aufmerksamkeit geboten.
Auch die Rudolph Pichlmayr-Stiftung erhält keinerlei staatliche Zuschüsse und ist somit auf Spenden angewiesen. Die Stiftung betreibt mit dem Ederhof ein europaweit einzigartiges Rehabilitationszentrum für Kinder und ihre Familien vor und nach einer Transplantation. Im gemeinsamen Bemühen um einen Weg in ein gelingendes Leben kehren die Betroffenen mit frischer Energie, einem erweiterten Verständnis für die Erkrankung und neuem Lebensmut zurück in ihren Alltag. Die Stiftung finanziert bauliche Maßnahmen, Ausstattung sowie medizinisches und pädagogisches Personal und sorgt so für die spezifische, hochdifferenzierte therapeutische Betreuung. Ganz aktuell plant die Stiftung den Ausbau des Ederhofs, um so das dringend benötigte Angebot erweitern zu können.
Ein anderes Beispiel ist Vision Zero Oncology e.V., ein Zusammenschluss namhafter Vertreter aus Wissenschaft, Medizin, Medien, Stiftungen, Verbänden und forschender Industrie. Der Verein will dazu beitragen, die Prävention und Früherkennung von Krebserkrankungen nachhaltig zu verbessern, die Diagnostik sowie innovative Therapiekonzepte nachhaltig zu fördern und Vorlagen für Entscheidungsträger in der Gesundheitspolitik zu erarbeiten.
Die Beispiele zeigen, wie vielfältig ehrenamtliche Aufgaben sein können und wie unterschiedlich die Möglichkeiten sind, sich mit seinen Fähigkeiten und Erfahrungen dort einzubringen, wo die eigene Mitarbeit Nutzen stiftet. Und jedes sollte ein Impuls für jeden von uns setzen zu überlegen, ob und wo er oder sie ehrenamtlich tätig werden sollte: In Versorgung, Fachgesellschaften und allen Einrichtungen und Brennpunkten, wo eigenes Können und Engagement Menschen eine bessere Zukunft eröffnet.



