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Amtszeit-BilanzWas Jens Spahn für die Integrierte Versorgung getan hat

Das Gesundheitsversorgungs- und Pflegeverbesserungsgesetz (GVPG) wird wohl das letzte größere gesundheitspolitische Gesetzesvorhaben des Kabinetts Merkel IV. Zeit für eine Schlussbetrachtung der Amtszeit Jens Spahns. Wie steht es um die Integrierte Versorgung?

Dr. Albrecht Kloepfer
Privat
Dr. Albrecht Kloepfer, Geschäftsführender Vorstand des DGIV e.V.

Der 17. DGIV Bundeskongress war eine große Herausforderung – Corona-bedingt mussten wir die Veranstaltung zum ersten Mal vollkommen digital und virtuell durchführen. Eine Situation, in der im Moment viele stecken. Doch auch an anderer Stelle macht Corona der DGIV zu schaffen. Denn im Gesundheitsministerium bleibt nun kaum die Zeit, offene Fragen an der Sektorengrenze zu klären und größere Projekte bei der Integrierten Versorgung anzugehen. Aus Sicht des Vorstandes der Deutschen Gesellschaft für Integrierte Versorgung (DGIV) ist das mehr als bedauerlich – auch, wenn natürlich Verständnis für die Situation besteht, in der Jens Spahns Ministerium sich aktuell befindet.

Bisherige Bilanz

Was ist denn geschehen unter dem Minister, der sicherlich einer der aktivsten der letzten 30 Jahre war? Jens Spahn hat so viele Gesetze auf den Weg gebracht, dass man selbst als Kenner des Systems fast den Überblick verliert: TSVG, GSAV, DVG, PpSG – an kryptischen Abkürzungen herrscht kein Mangel. Gerade im digitalen Bereich hat sich Jens Spahn Verdienste erworben, bei der Pflege wurde, wenn auch in kleinen Schritten, eine Art Kehrtwende eingeleitet, um den Missständen der vergangenen Jahre zu begegnen. Generell zeigt sich, dass der Minister lieber in kleinen Schritten in Richtung seiner Ziele geht, anstatt von Anfang an den großen Wurf zu suchen. Dieser Ansatz hat sich, neben seiner Tendenz, über provokante Passagen in Gesetzesentwürfen Druck auf die Akteure der Gemeinsamen Selbstverwaltung auszuüben, durchaus bewährt.

Für die Integrierte Versorgung ist die Situation aber dennoch nicht zufriedenstellend. Aus dem Ministerium war zu hören gewesen, dass in diesem Bereich zum Ende der Legislaturperiode noch etwas geschehen sollte. Aufgrund der Corona-Pandemie werden wir allerdings nie erfahren, ob dies tatsächlich geschehen wäre. Auch hier fehlt also der große Wurf. Allenfalls kleinteilige Erleichterungen waren Teil von Gesetzen, die sich aber allesamt im Kern mit anderen Bereichen des Gesundheitssystems auseinandersetzen. Schade ist es um die Bund-Länder-Arbeitsgruppe „Sektorübergreifende Versorgung“. Mit viel Tam-Tam und Aufmerksamkeit gestartet, ist am Ende deutlich zu wenig passiert.

Medial abgetaucht stand am Ende nur ein dürres Paket von Empfehlungen, die von der Politik zum größten Teil auch noch ignoriert wurden. Gerade das nun vermutlich abschließende GVPG ist hier aus der Sicht der DGIV ein besonders betrübliches Beispiel: Mit einer Vielzahl von in sich richtigen Einzelmaßnahmen wird die „Besondere Versorgung“ mit weiteren Detailregelungen überzogen, der große Blick aufs Ganze und auf die tatsächlichen Bedürfnisse der Patientinnen und Patienten (und der handelnden Akteure) bleibt aber dabei auf der Strecke. Die DGIV hat sich schon im August 2019, als an eine Krise noch gar nicht zu denken war, mit einem Positionspapier zu dieser Problematik geäußert und eine gewisse Enttäuschung ihrer Mitglieder über die bisherigen Ergebnisse der Legislaturperiode zum Ausdruck gebracht.

Ans Aufgeben darf deswegen noch lange nicht gedacht werden: Gerade jetzt ist die Zeit, um sektorenübergreifende Versorgung und die Aufweichung der Sektorengrenze offensiv in politischen Kreisen zu bewerben. Das Ende einer Regierungszeit ist eben auch immer die Zeit vor der nächsten Wahl. Alle Systembeteiligten, die ein Interesse an der Thematik haben, müssen mit gemeinsamer Anstrengung dafür sorgen, die Integrierte Versorgung in den Parteiprogrammen und den unvermeidlich kommenden Koalitionsverhandlungen zu platzieren. Zumindest BÜNDNIS90/DIE GRÜNEN haben in dieser Hinsicht bereits positive Signale ausgesandt, so etwa in einem Positionspapier der AG Gesundheit und Pflege der Bundestagsfraktion, das sich – mit regionaler Versorgungsperspektive – mit der Zukunft der Krankenhauspolitik und der stationären Versorgung beschäftigt.

Die DGIV fordert auch die restlichen Parteien nachdrücklich dazu auf, sektorenübergreifende Versorgung nicht erneut nur als Beiwerk anderer Reformen zu behandeln, sondern sie selbst ins Zentrum ihrer Bemühungen zu stellen.

DGIV e.V.

Die Deutsche Gesellschaft für Integrierte Versorgung im Gesundheitswesen e.V. (DGIV) ist ein deutschlandweit agierender Verein mit der Zielsetzung, die Integrierte Versorgung in der medizi-nischen, pflegerischen und sozialen Betreuung als Regelfall durchzusetzen. Die DGIV wurde am 26. September 2003 in Berlin gegründet. Ziel der Gründungsmitglieder war es, die Integrierte Versorgung als alternative Versorgungsform zur damaligen Regelversorgung zu entwickeln und letztendlich durchzusetzen.